[829] Ingelheim (Ober- und Nieder-I.), zwei Flecken in der hess. Provinz Rheinhessen, Kreis Bingen, nahe beieinander, unfern des Rheins, Knotenpunkt der preußisch-hessischen Staatsbahnlinie Mainz-Koblenz und der Eisenbahn Frei Weinheim-Jugenheim-Partenheim. Ober-I., an der Selz, mit Mauern umgeben, ehemals Reichsstadt, hat eine romanische evang. Kirche mit vielen Denkmälern, eine kath. Kirche, Synagoge, Reste einer alten Burg, Amtsgericht, vorzüglichen Weinbau (Rotwein) und (1900) 3402 meist evang. Einwohner. Nieder-I. hat eine evangelische und eine kath. Kirche, Ruinen eines alten Palastes, ebenfalls Weinbau sowie Papier-, Zement- und Malzfabrikation, eine chemische Fabrik, Ziegelbrennerei und (1900) 3435 Einw. Der Ort ist der Sage nach Geburtsort Karls d. Gr., der hier 768774 eine durch seltene Pracht ausgezeichnete Pfalzerbaute. Das Gebäude war mit 100 Marmorsäulen, Skulpturen und Mosaikzieraten aus Italien, meist Geschenken des Papstes Hadrian I., geschmückt und wiederholt der Schauplatz von Reichsversammlungen. Friedrich I. ließ den Palast wiederherstellen; Karl IV. bewohnte ihn zuletzt und verpfändete ihn dann an Kurpfalz. Im Kriege des Pfalzgrafen Friedrich des Siegreichen gegen den Erzbischof Adolf von Mainz (1462) ward das Gebäude von den Mainzern in Brand gesteckt. Die Stätte des ehemaligen Palastes heißt bei den Einwohnern noch heute der »Saal«. Von den Säulen sind einzelne nach Paris gekommen; eine befindet sich im Museum zu Wiesbaden, eine andre am Brunnen auf dem Schillerplatz zu Mainz. Vgl. Loersch, Der Ingelheimer Oberhof (Bonn 1885); Clemen, Der karolingische Kaiserpalast zu I. (»Westdeutsche Zeitschrift«, Bd. 9, Trier 1890).