Intelligenzblätter

[881] Intelligenzblätter heißen im 18. und vielfach noch im 19. Jahrh. die anfangs meist wöchentlich, später öfter und sogar täglich erscheinenden örtlichen Annoncenblätter. Während die politischen Zeitungen in Deutschland in der Regel keine gewerblichen Inserate (außer Bücheranzeigen) enthielten, sondern sich auf den politischen Nachrichtendienst beschränkten, meist sogar örtliche und binnenländische Angelegenheiten nicht besprachen und nur Nachrichten aus weiter Ferne brachten, deckten die I. das wirtschaftliche und örtliche Nachrichtenbedürfnis, brachten neben den Annoncen die Ankunfts- und Abfahrtszeiten der Posten, die Marktpreise der Lebensmittel, bez. die behördlichen Taxen dafür, land- und hauswirtschaftliche belehrende Artikel, Verhaltungsmaßregeln bei Epidemien etc., Unterhaltendes, sogar »gelehrte Sachen« und lokale Mitteilungen und stellen somit den Vorläufer des örtlichen und des Annoncenteils der modernen Zeitung dar. Unter den Begriff »Zeitung« fallen die I. im 18. Jahrh. nicht; der Nachdruck liegt auf dem zweiten Wortbestandteil, der in dem modernen Tageblatt noch fortlebt, da vielfach die I. den Titel »Wochenblatt« (Krefeld) oder »Tageblatt« (so 1807 das seit 1763 bestehende »Leipziger Intelligenzblatt«) angenommen haben. Der Titel lautet bisweilen auch »Intelligenzzettel« (Duisburg 1727), »Intelligenznachrichten« (Dillenburg, Köln), »Frage- und Anzeigezettel« (Dresden, Breslau) oder »Frage- und Anzeigenachrichten« (Würzburg). Das Intelligenzblatt ist anfangs nur ein Mittel, um den in einem Adreßbureau einlaufenden Angeboten und Nachfragen, die dort öffentlich ausgelegt wurden, eine möglichst große Verbreitung zu verschaffen, und deswegen heißt die Redaktion noch spät: Adreßkontor, Frage- und Nachrichtsamt, Intelligenzamt, Intelligenzbureau, Intelligenzhaus oder Intelligenzkontor. In Paris gab es ein solches Adreßbureau seit 1630, und seit 1633 gab dieses ein Annoncenblatt heraus. In Deutschland schlug der erste von der kursächsischen Regierung in Dresden und Leipzig 1718 gemachte Versuch fehl; das erste deutsche Intelligenzblatt erschien seit 1722 in Frankfurt a. M. In Preußen wurde 1727 das ganze Annoncenblattwesen verstaatlicht und blieb es bis 1850. In andern Städten entstanden I. 1728 in Basel, 1729 in Mannheim, 1730 in Dresden, 1734 in Weimar, 1737 in Breslau, 1745 in Braunschweig, 1756 in Karlsruhe, 1768 in Göttingen etc. Auch gegenwärtig ist der Name für örtliche Anzeigeblätter noch nicht völlig außer Gebrauch, er lebt z. B. noch in Berlin, Frankfurt a. M., Suhl, Stendal, Danzig, Rheinbach, Bergheim (Rheinprovinz), Arnstadt und in Bern. Vgl. Salomon, Geschichte des deutschen Zeitungswesens (Oldenb. 1900–02, 2 Bde.); Munzinger, Die Entwickelung des Inseratenwesens in den deutschen Zeitungen (Heidelb. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 881.
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