Danzig [1]

[506] Danzig (poln. Gdansk, hierzu der Stadtplan mit Registerblatt), Hauptstadt der preuß. Provinz Westpreußen u. des Regierungsbezirks D. (s. S. 510), Festung zweiten Ranges, einst eine mächtige Hansestadt u. noch jetzt als Handelsplatz wichtig, Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Dirschau-Neufahrwasser und Belgard-D., liegt anmutig am linken Ufer des westlichen Weichselarmes, der Danziger Weichsel, ca. 6 km von der Ostsee (s. das Umgebungskärtchen). Sie wird in mehreren Armen von der Mottlau durchflossen, die durch Baggerung bis zu 4,5 m vertieft ist, so daß große Handelsschiffe bis in die Mitte der Stadt gelangen können.

Wappen von Danzig.
Wappen von Danzig.

An der Westseite fließt die Radaune. Beide Flüsse münden vereinigt unterhalb D. in die Weichsel.[506]

[Stadtteile, Straßen etc.] Die eigentliche Stadt besteht aus fünf Teilen: der Altstadt, der Rechtstadt, der Vorstadt, der Niederstadt und dem Langgarten. Unter den Toren ist das Hohe Tor eins der bedeutendsten monumentalen Bauwerke des 16. Jahrh., nach Art der römischen Triumphbogen, von dem die Langgasse auf den Langen Markt führt; es wurde mit der Prinkammer freigelegt und restauriert. Neun Vorstädte umlagern den westlichen Halbkreis der Stadt, unter denen einige ziemlich entfernt liegen: St. Albrecht (7 km südlich), Altschottland, Schidlitz, Langfuhr, die schönste Vorstadt (4 km im NW.), wohin eine doppelte Lindenallee führt, Neuschottland und Neufahrwasser, der Hafen von D. Wie wenige Städte hat D. in seiner mittelalterlichen Bauart eine scharf ausgeprägte Physiognomie bis heute erhalten. Die oft turmartigen Häuser mit vielen hohen, eng aneinander gestellten Fenstern und zierlichen, arabeskenartig emporstrebenden Dachspitzen kehren alle die schmale Giebelseite der Straße zu, dehnen sich aber nach hinten zu oft unverhältnismäßig weit aus. Eine Eigentümlichkeit derselben, die Beischläge, terrassenartige Vorbauten mit Kellern vor dem Erdgeschoß, ist aus Rücksicht auf den Verkehr fast ganz verschwunden. Die stattlichsten Teile der Stadt bilden die Langgasse und der Lange Markt bis südlich zur Mottlau, die mit den prächtigsten alten Bauten prangen, von denen einige Häusern in Portugal und Italien nachgeahmt sind (s. Tafel »Wohnhaus I«, Fig. 9).

Karte der Umgebung von Danzig.
Karte der Umgebung von Danzig.

[Gebäude.] Auch die öffentlichen Gebäude Danzigs sind meist großartig. Unter den 19 Kir chen, von denen 7 katholisch sind, ist die 1343–1502 erbaute, 104 m lange, 34,8 m breite und 28,0 m hohe, dreischiffige Oberpfarrkirche zu St. Marien die bedeutendste und zugleich eine der größten evangelischen Kirchen, die es gibt, mit 76 m hohem Turm und 10 kleinern Türmen. Eine Eigentümlichkeit dieser Kirche sind die nach innen hineingezogenen, überwölbten und zu Kapellen benutzten Strebepfeiler, wodurch die Kirche eigentlich fünfschiffig wird. Unter ihren Kunstschätzen sind namentlich ein Jüngstes Gericht aus dem I.1467, vermutlich von Memling, ein kunstvoll in Holz geschnitzter Hochaltar (von M. Schwartz, 1511–17) und mehrere kostbare Paramente bemerkenswert. Der Dichter M. Opitz ruht in dieser Kirche. Die älteste Kirche ist die Katharinenkirche (1326–30) mit einem schönen Glockenspiel. Außerdem besitzt D. zwei Synagogen und ein mennonitisches Bethaus. Die hervorragendsten weltlichen Gebäude sind das großartige gotische Rathaus in der Rechtstadt, in seinem Hauptkern aus dem 15. Jahrh., mit einem zierlichen, 82 m hohen Turm und einem ehernen Springbrunnen daneben, und das altstädtische Rathaus, ein Renaissancebau (1587 vollendet). Auch das Krantor und das Zeughaus sind altertümliche Gebäude. Auf dem Langen Markt steht der Artus- oder Junk erhof (die großen Kaufleute hießen im Mittelalter hier »Junker«), dessen Inneres eine einzige große, viereckige, von vier Granitsäulen getragene und in der eigentümlichsten Weise mit Gemälden und Schnitzwerk aus der Sagenwelt verzierte Halle bildet, die ehedem zu Gelagen bestimmt war und jetzt als Börse dient (vgl. P. Simson, Der Artushof in D. und seine Brüderschaften, Danz. 1900). Endlich sind noch zu erwähnen die berühmte alte Mühle von 18 Gängen an der Radaune, der sogen. Stockturm und das spätgotische, 1871 restaurierte Franziskanerkloster (das[507] einzige noch vorhandene Klostergebäude), dessen oberes und unteres Geschoß die städtische Gemäldegalerie und Altertümersammlung einnimmt, während das mittlere zum Lokal des Realgymnasiums bestimmt ist. Von neuern Gebäuden sind hervorzuheben: das Oberpostdirektionsgebäude, das Landeshaus und das Dikasterialgebäude (Sitz des Oberpräsidiums), beide auf Neugarten, das Generalkommando, der Hauptbahnhof, die neue Synagoge, das (1902 noch im Bau begriffene) Staatsarchiv etc. An Denkm älern besitzt die Stadt ein Gralathdenkmal in der Mitte der Großen Allee und das russische Denkmal auf dem Hagelsberg (s. unten). Ein Denkmal Kaiser Wilhelms I. vor dem Hohen Tor und ein Kriegerdenkmal auf dem Holzmarkt sind (1903) in der Ausführung begriffen.

[Befestigungen.] Die Befestigungen der Stadt bestehen aus einem Hauptwall mit 20 Bastionen. Sämtliche Gräben vor dem Hauptwall sind mit Wasser angefüllt, und die Umfassung ist zu zwei Dritteln durch die Weichsel und durch Überschwemmungen gedeckt, die mittels der Steinschleuse am Legetor bewirkt werden können. Der Hauptwall hat daher nur vor drei Fronten kleine Ravelins und Lünetten als Außenwerke vor sich, aber nach den überschwemmbaren Seiten im N., O. und W. hin einen bedeckten Weg mit Glacis. Außerdem hat man die nahe an die Stadt tretenden Höhen, wie den Hagelsberg und Bischofsberg im W., als zweite Verteidigungslinie mit selbständigen Werken besetzt, welche die Stadt von außen decken. Der Hagelsberg ist durch eine bedeckte Kaponniere mit der Stadt verbunden. Neun Defensivkasernen in den Werken verstärken die Verteidigungsfähigkeit des Platzes. Auch mehrere einzelne Außenwerke sind an wichtigen Punkten vorgeschoben. Namentlich zieht sich von der Nordseite der Stadt eine Reihe von Werken längs der Weichsel bis an ihre Mündung, wo sie mit den Batterien am Kanal Neufahrwasser oder Hafenkanal endigen. An diesem Kanal, der 970 m lang und 26 m breit ist und wegen Versandung der alten Weichselmündung angelegt wurde, liegt bei Neufahrwasser der Hafen von D., mit einer großen Steinmole und zwei Leuchttürmen versehen und durch Dampfschiffahrt (wie durch Eisenbahn) mit der Stadt verbunden. Gegenüber, an der rechten Seite der Weichselmündung, liegt die Festung Weichselmünde, ein bastioniertes Viereck, das mit der Westerschanze und mehreren Forts den Flecken und Kanal Neufahrwasser und die Reede deckt. Durch den Holm, eine befestigte große Insel der Weichsel, und mehrere Forts wird die Verbindung zwischen D. und dem 4 km entfernten Weichselmünde bewerkstelligt. Zwischen dem Meer und Neufahrwasser liegt der in einen schattigen Park verwandelte Küstenstrich Westerplatte. Der frühere Ausfluß der Weichsel ist, seitdem 1. Febr. 1840 der Strom die Sanddüne bei dem Dorf Neufähr durchwühlte und sich eine neue Mündung machte, ganz geschlossen, so daß die Seeschiffe nur durch den Hafenkanal von der Reede in die Weichsel gelangen. Der Weichseldurchbruch ist an der Mündung zu sehr versandet und darum für Schiffe nicht zu benutzen, dennoch aber durch ein Fort geschützt. Eine neue Mündung, bei dem Dorfe Schiewenhorst, ist neuerdings durch den Bau eines 6 km langen Durchstichkanals hergestellt.

[Bevölkerung, Erwerbszweige, Verkehr.] Die Zahl der Einwohner beläuft sich (1900) mit der Garnison (ein Grenadierregiment Nr. 5, ein Infanterieregiment Nr. 128,2 Leibhusarenregimenter Nr. 1 und 2, ein Feldartillerieregiment Nr. 36, eine Abteilung Feldartillerie Nr. 72 und ein Trainbataillon Nr. 17) auf 140,563 Seelen, darunter 44,265 Katholiken und 2553 Juden; 2791 Personen sprechen nur polnisch, 1573 daneben auch deutsch. Unter den industriellen Anstalten sind hervorzuheben: die Schiffswerften, darunter die große kaiserliche Werft mit Trockendock, die Schichausche Werft (zum Bau von Kriegsschiffen und Handelsdampfern), die Klawittersche und die Johannsensche Werft und Maschinenfabrik, die königliche Artilleriewerkstatt und die Gewehrfabrik, die Westpreußische Zuckerraffinerie, eine bedeutende Ölmühle, Waggonfabrik, Nietenfabrik, chemische Fabrik und Glashütte; ferner bedeutende Bierbrauerei, Sprit-, Likör-, Bernsteinwaren- und Tabakfabrikation, große Mahlmühlen, Dampfschneidemühlen, Eisengießereien und Maschinenbauanstalten, Schiffs- und Kesselschmieden, Fabriken für Drahtseile und Tauwerk, ätherische Öle, Farben, Lack, Firnis, Dachpappe, Zündwaren, Öfen, Papier u. a. Der Handel Danzigs, gegen früher zwar zurückgegangen, aber immer noch sehr bedeutend, wird unterstützt durch eine Handelskammer, eine Reichsbankhauptstelle (Umsatz 1902: 1248 Mill. Mk.), die Danziger Privataktienbank, die Moskauer internationale Handelsbank, die Ostdeutsche Bank und eine Filiale der Norddeutschen Kreditanstalt in Königsberg. Die Reederei Danzigs, ebenfalls im Rückgang begriffen, zählte 1901: 36 Dampfschiffe zu 23,730 Reg. – Ton. und 10 Segelschiffe zu 2103 Reg. – Ton. Raumgehalt. Mit Ladung kamen 1900 an: 1463 Seeschiffe zu 553,400 Reg. – Ton., in Ballast oder leer 212 Seeschiffe zu 120,282 Reg. – Ton. Raumgehalt. Es gingen ab mit Ladung: 1417 Schiffe zu 500,374 Reg. – Ton., in Ballast oder leer 267 Schiffe zu 176,550 Reg. – Ton. Raumgehalt. Der Verkehr auf der Weichsel bezifferte sich auf 12,267 Schiffe. Zur Ausfuhr kommen besonders Zucker, Holz, Getreide, Mehl, Spiritus; die Einfuhr erstreckt sich auf Heringe, Roheisen, Steinkohlen, Kolonialwaren, Drogen, Reis, Wein, Petroleum. 1900 belief sich die Einfuhr zur See auf 8 Mill. metr. Ztr. im Werte von 107,7 Mill. Mk., die Ausfuhr zur See auf 7,1 Mill. metr. Ztr. im Werte von 114,6 Mill. Mk. Elektrische Bahnlinien vermitteln den Verkehr im Innern und mit der Umgebung. D. hat Wasserleitung, Kanalisation, ein öffentliches Schlachthaus und eine Markthalle. Das Fernsprechnetz umfaßt ca. 1300 Sprechstellen; die Zahl der Gespräche beträgt jährlich 3 Mill. In D. erscheinen ca. 20 Zeitungen und Zeitschriften, darunter ist am bedeutendsten die »Danziger Zeitung«.

[Anstalten. Behörden etc.] Von Bildung s- und Wohltätigkeitsanstalten finden sich eine technische Hochschule (1903 noch in der Einrichtung begriffen), 2 Gymnasien, ein Realgymnasium, eine Oberreal- und eine Realschule (letztere in Langfuhr), ein städtisches Lehrerinnenseminar, eine Kriegsschule, eine Handelsakademie, Navigationsschule, Taubstummenschule; dazu ein Hebammeninstitut, mehrere gelehrte Gesellschaften, 2 Sternwarten, eine Stadtbibliothek mit 100,000 Bänden und einigen Manuskripten, eine Gemälde- und Antiquitätensammlung (s. oben), 2 Theater, Stadtmuseum, Provinzial-Kunstgewerbemuseum, Musikschule, Kunstschule; ferner gute Armenanstalten, 2 Waisen- und 2 Krankenhäuser (Marienkrankenhaus und Diakonissenanstalt) und ca. 130 milde Stiftungen, darunter einige sehr bedeutende, wie das Heilige Leichnamshospital, das Elisabethhospital, das Gertrudenhospital u. a. D. ist auch Zentralsitz der Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (1865 gegründel) und des Deutschen nautischen Vereins sowie mehrerer gewerblicher Bildungs- und Unterstützungsvereine. [508] Behörden: D. ist der Sitz des Oberpräsidenten, der Regierung, der Provinzialverwaltung, des Konsistoriums, der westpreußischen Landschaftsdirektion, einer Spezialkommission, zweier Landratsämter (für die Kreise Danziger Höhe und Danziger Niederung), eines Landgerichts, Lotsenamtes, Hauptzollamtes, einer Provinzialsteuerdirektion, einer Eisenbahn- und einer Oberpostdirektion, mehrerer Konsuln etc. Von militärischen Behörden befinden sich in D.: das Generalkommando des 17. Armeekorps, das Kommando der 36. Division, der 71. Infanterie-, der Leibhusaren-, der 12. Gendarmerie- und der 36. Feldartilleriebrigade sowie die Festungskommandantur. Der Magistrat zählt 23, die Stadtverordnetenversammlung 63 Mitglieder. Das städtische Budget belief sich 1901 in den Einnahmen auf 12,4 Mill., in den Ausgaben auf 11,2 Mill. Mk. D. ist der Geburtsort von Hevel, Fahrenheit, Chodowiecki, Archenholz, Koppe, Johannes Falk, Artur Schopenhauer, H. Döring u. a. In der schönen Umgegend sind außer den schon erwähnten Punkten noch Jäschkenthal, Kahlbude, die Badeorte Brösen und Zoppot (s.d.) und der Flecken Oliva (s.d.), Glettkau und Heubude zu nennen. – Zum Landgerichtsbezirk D. gehören die neun Amtsgerichte zu Berent, D., Dirschau, Karthaus, Neustadt, Putzig, Schöneck, Preußisch-Stargard und Zoppot.

[Geschichte.] Die Stadt D., über deren Gründung Dunkel herrscht, stand schon zu Ende des 10. Jahrh. in Blüte und Ansehen und wurde damals die Hauptstadt von Oberpommern (Pomerellen). Adalbert, Bischof von Prag, predigte hier 997 das Christentum. Herzog Subislaw umgab D., damals Gidanie genannt, 1185 mit Mauern. Herzog Mestwin II., der gegen seinen Bruder die Brandenburger zu Hilfe gerufen hatte, mußte D. von ihnen 1271 zurückerobern; als er 1295 ohne männliche Erben starb, fiel D. an Przemyslaw II. von Polen, nach dessen Tode (1296) sein Erbe Wladislaw Lokietek den Deutschen Orden gegen Brandenburg zu Hilfe rief. Der Markgraf von Brandenburg mußte zwar die Belagerung der Burg D. aufgeben, der Deutsche Orden besetzte aber die Stadt und behielt sie, da die versprochene Entschädigung nicht aufzutreiben war, als Eigentum (1309); ja, der Polenkönig Kasimir III. mußte sie im Vertrag von Kalisch 1343 dem Hochmeister Ludolf förmlich abtreten. Trotz aller dieser Kämpfe hatte D. an Wohlstand ungemein zugenommen und trat 1358 dem Bunde der Hansa bei. Aus jener Zeit stammen viele bedeutende Bauten, namentlich die Anlage der Rechtstadt (1330–53), der Jungstadt (1380) und der Vorstadt (1393). Gegen Ende des 14. Jahrh. trat D. selbst als kriegführende Macht auf, indem es für den Schwedenkönig Albrecht Stockholm besetzte und durch seinen Kampf mit den seeräuberischen Vitalienbrüdern auch mit Margarete von Dänemark in einen Krieg verwickelt wurde. 1410 hatte D. noch unter dem Bürgermeister Konrad Letzkau zur Rettung der Marienburg mitgewirkt; als aber der Orden den Landständen alle Rechte verweigerte, sagte sich D. vom Orden los und erwählte den König Kasimir IV. von Polen zum Schutzherrn (1454). D. wurde dadurch zu einem kleinen Freistaat; es durfte in Gemäßheit des ihm erteilten Privilegium Casimirianum seine Ämter selbst besetzen und erhielt die vollständige Gerichtsbarkeit (nach eignem Gesetzbuch, Danziger Willkür genannt), Befreiung von allen Zöllen und Abgaben, das Münzrecht, das Recht, eigne Besatzung zu halten, und völlig freie Entscheidung über Krieg, Bündnisse und Frieden. Die Oberhoheit des Königs von Polen repräsentierte ein Glied des Stadtrates, der Burggraf; die Stadt hielt in Warschau ihren Sekretär und stimmte auf Reichstagen und bei Königswahlen mit. Die vier Stadtteile wurden nun zu einem Ganzen vereinigt und dem rechtstädtischen Rat untergeordnet. Streitigkeiten mit dem König wegen Besetzung des Bistums Ermeland führten zu dem achtjährigen Pfaffenkrieg (1472–80), in dem sich Danzigs Macht bewährte. Schon 1523 fand die Reformation in D. Eingang, gewann aber erst seit 1557 allgemeinere Verbreitung. Als 1575 Stephan Báthori zum König von Polen gewählt wurde, erklärte sich D. für Kaiser Maximilian II. und wollte auch nach dessen Tode (1576) dem König Stephan die Huldigung nur gegen bedeutende Zugeständnisse leisten. D. wurde daher belagert, verteidigte sich aber 1577 so entschlossen, daß sich der König mit einer Abbitte und der Zahlung von 200,000 Gulden begnügte. 1656 belagerten die Schweden die Stadt, wurden aber durch Hilfstruppen des Königs Johann Kasimir und durch eine holländische Flotte vertrieben, worauf die Holländer mit dem Großen Kurfürsten den Elbinger Vertrag 10. Sept. über die Neutralität Danzigs vereinbarten. 1734 wurde D., weil es den König Stanislaus Leszczynski aufgenommen hatte, von den Russen und Sachsen unter Münnich belagert und nach mehrmonatiger Einschließung 7. Juli zur Kapitulation genötigt. Bei der zweiten Teilung Polens 1793 kam die Stadt an Preußen. 1806 wurde vor der Kriegserklärung gegen Frankreich der Hafen von D. von den Schweden blockiert und von England auf die preußischen Schiffe Embargo gelegt. 1807 wurde D. im März von den Franzosen unter Marschall Lefebvre angegriffen und trotz tapferer Verteidigung durch den Gouverneur Kalckreuth 24. Mai uns Mangel an Munition und Lebensmitteln zur Übergabe genötigt. Den Einwohnern ward eine Kriegssteuer von 20 Mill. Frank auferlegt, Lefebvre aber erhielt den Titel eines Herzogs von D. Im Tilsiter Frieden vom 9. Juli 1807 wurde D. als Freistaat mit einem Gebiet von 2 deutschen Meilen im Umkreis unter Frankreichs, Preußens und Sachsens Schutz anerkannt; doch blieb fortwährend ein französischer Gouverneur daselbst, und durch die Kontinentalsperre war der Handel mit England zerstört. Beim Rückzug aus Rußland 1812 gelang es den französischen und polnischen Truppen des 10. französischen Armeekorps unter General Rapp, sich in die Stadt zu werfen. Dieselbe wurde 1813 durch ein russisches Korps unter Herzog Alexander von Württemberg und preußische Landwehr unter Graf Dohna eingeschlossen und nach elfmonatiger Belagerung 29. Nov. (bestätigt 29. Dez.) 1813 zur Ergebung gezwungen. Mit dem 3. Febr. 1814 kehrte D. unter Preußens Oberherrschaft zurück. 1816 wurde D. der Sitz der Regierung des Danziger Bezirks und des Oberpräsidiums von Westpreußen (bis 1823). Großen Schaden erlitt die Stadt 1829 durch einen Durchbruch der Weichsel, 1831 durch die asiatische Cholera und durch einen Brand im Juni 1858. Seit 1863 nahm die städtische Verwaltung einen neuen, großartigen Aufschwung, hervorgerufen durch die Amtstätigkeit des Oberbürgermeisters v. Winter. Ihm verdankt die Stadt die Anlage einer Wasserleitung und die Kanalisation, die hier zuerst auf dem Kontinent durchgeführt wurde. Nach der Teilung der ehemaligen Provinz Preußen (1. Juli 1878) ward D. Hauptstadt der Provinz Westpreußen.

Literatur. Vgl. J. C. Schultz, D. und seine Bauwerke (54 Kupfertafeln, Berl. 1873); Brandstäter, [509] Land und Leute des Kreises D. (Danz. 1879); »D. in naturwissenschaftlicher und medizinischer Beziehung« (Festschrift zur 53. Naturforscherversammlung, das. 1880); Lindner, Danzig (Bd. 19 der »Berühmten Kunststätten«, Leipz. 1902); Löschin, D. und seine Umgebungen (4. Aufl., das. 1860); Püttner, D. (3. Aufl., Danz. 1899). – Zur Geschichte: Gralath, Geschichte Danzigs (Königsb. 1789–92, 3 Bde.); Löschin, Geschichte Danzigs (Danz. 1822, 2 Bde.); Weinreich, Danziger Chronik (Berl. 1855); Wistulanus, Geschichte der Stadt D. (Danz. 1891); Pawlowski, Geschichte der Provinzialhauptstadt D. (das. 1893); Duisburg, Geschichte der Belagerungen und Blockaden Danzigs seit den frühesten Zeiten (das. 1808); Derselbe, Historisch-topographische Beschreibung Danzigs (das. 1816); Blech, Geschichte der siebenjährigen Leiden der Stadt D. (das. 1815, 2 Bde.); »Défense de Dantzig en 1813; documents militaires du lieutenant-général Campredon«, herausgegeben von Auriel (Par. 1888); Hirsch, Danzigs Handels- und Gewerbsgeschichte unter der Herrschaft des Deutschen Ordens (Leipz. 1858); Köhler, Geschichte der Festungen D. und Weichselmünde (Berl. 1893, 2 Bde.); Damus, Danzigs Eintritt in den preußischen Staat (Danz. 1894); »Der Stadt D. Verfassung und Rechte« (nach der Originalhandschrift von Lengnichs »Juspubl. civ. Gedanensis« hrsg. von O. Günther, das. 1900); Goldmann, Danziger Verfassungskämpfe unter polnischer Herrschaft (Leipz. 1901); Max Schultze, Um D. 1813/14. Archivstudie (Berl. 1903); »Gedanensia. Beiträge zur Geschichte Danzigs« (Danz. 1879 bis 1903, Bd. 1–8).

Der Regierungsbezirk B. umfaßt 7954 qkm (144,48 QM.) und zählt (1900) 665,992 Einw. (darunter 329,611 Evangelische, 320,313 Katholiken und 5504 Juden), 84 auf 1 qkm. Die zwölf Kreise umfaßten 1900:

Tabelle

Über die fünf Reichstagswahlkreise des Regierungsbezirks s. die Karte »Reichstagswahlen«, mit Tabelle. Vgl. Ernst, Topographie des Landgerichtsbezirks zu D. (Danz. 1892).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 506-510.
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