[594] Kapitulation (neulat.), 1) Vertrag, namentlich eine in verschiedene Abschnitte (Kapitel) eingeteilte völkerrechtliche Abmachung; insbes. ein Vertrag zwischen zwei kriegführenden Korps wegen Einstellung des Kampfes. Fehlt es der Besatzung eines festen Platzes an Munition oder an Lebensmitteln und ist Entsatz durch Ersatztruppen nicht möglich, so ist die K. unvermeidlich. Will der Kommandant wegen der K. unterhandeln, so gibt er dies dem Angreifer durch Ausziehen einer weißen Fahne zu erkennen und entsendet Parlamentäre zur Unterhandlung über die Kapitulationsbedingungen. Die Unterzeichnung der K. selbst geschieht durch die beiderseitigen Oberbefehlshaber. Die Bedingungen für die Besatzung sind entweder »Übergabe auf Gnade und Ungnade«, auf Grund welcher früher der Sieger die Kapitulierenden »über die Klinge springen lassen« durfte, nach der modernen Anschauung jedoch nur noch zu Kriegsgefangenen machen darf, oder »freier Abzug« mit ihrem Privateigentum, jedoch ohne Waffen, oder »Abzug mit Waffen und militärischen Ehren« in die Heimat, wie bei der K. von Belfort 1871, mit der Verpflichtung, eine bestimmte Zeit nicht gegen den Sieger zu fechten. Nach Vereinbarung von Zeit und Ort findet die Übergabe der Besatzungstruppen und Einzug des Siegers in die Festung, Übergabe der Pulvermagazine, Festungspläne etc. an hierzu delegierte Offiziere statt. Die Haager Kriegsrechtskonvention von 1899 bestimmt dagegen, daß die Bedingungen der K. den Forderungen der militärischen Ehre entsprechen müssen und von beiden Teilen gewissenhaft und peinlich zu beobachten sind. Kapitulationen von größern Truppenmassen oder Armeen im freien Felde kommen, wie leicht begreiflich, selten vor; besonders bekann le und historisch wichtige Fälle sind: die K. der Sachsen bei Pirna 16. Okt. 1757, die des preußischen Generals Fink bei Maxen 1759, die K. des Fürsten Hohenlohe bei Prenzlau 28. Okt. 1806, Blüchers bei Ratkau 7. Nov. 1806, Görgeis zu Világos 13. Aug. 1849. Die denkwürdigste K. aber ist die von Sedan 2. Sept. 1870, durch die sich Napoleon III. mit einer Armee von 83,000 Mann, der Festung Sedan und allem Kriegsmaterial den Deutschen ergab. Daneben ist vornehmlich der K. von Metz 27. Okt. 1870 und der von Paris 28. Jan. 1871 zu gedenken.
2) K. (Dienstverpflichtung) heißt im deutschen Heere die Eingehung der Verpflichtung zu einer längern als der gesetzlichen Dienstzeit, im allgemeinen nur für Leute angängig, die Aussicht geben, als Unteroffiziere dem Dienst wesentlichen Nutzen zu bringen. Durch Abschluß der Kapitulationsverhandlung zwischen dem Kapitulanten einer- und der Truppe (Regiment etc.) anderseits wird das Anrecht auf das Kapitulationshandgeld (100 Mk.), die Kapitulantenzulage zur Löhnung, Umzugskosten bei Versetzung und das Eigentumsrecht an ausgetragenen Kleinbekleidungsstücken erworben. Die K. ist aufzuheben: bei schlechter Führung, Ehrenstrafen, Freiheitsstrafen über sechs Wochen und nach Übereinkunft mit Rücksicht auf häusliche Verhältnisse. Wird ein Kapitulant 4 Jahre weder gerichtlich mit Freiheitsstrafe noch disziplinarisch mit Arrest bestraft, so sind alle vor dieser Zeit erlittenen Disziplinarstrafen zu löschen. Nach der ersten K. erfolgt meist jährliche Erneuerung, diese fällt nach dem 12. Dienstjahre weg, und die Entlassung kann dann nur noch mit Zustimmung des Kapitulanten erfolgen. Vgl. »Besoldungsvorschrift für das preußische Heer im Frieden vom 10. März 1898«; v. Wenckstern, Der Kapitulant (3. Aufl., Minden 1898); Fircks, Taschenkalender für das Heer (Berl. 1905). S. Dienstprämie, Militärversorgung.
3) Bezeichnung der völkerrechtlichen Verträge, die früher zwischen der Türkei und fremden Mächten (der erste von Frankreich 1535) und später zwischen den christlichen Staaten und den nichtchristlichen überhaupt zum Schutze der dort lebenden Christen abgeschlossen wurden. Der Ausdruck K. erklärt sich daraus, daß man ehedem mit der Türkei keinen eigentlichen Frieden, sondern nur Waffenstillstand abzuschließen pflegte. In neuerer Zeit sind von besonderer Bedeutung die zum Zweck des Rechtsschutzes der in Ägypten leben den Fremden mit der dortigen Regierung getroffenen Vereinbarungen (s. Internationale Gerichte). Endlich ist K. gleichbedeutend mit Wahlkapitulation (s. d.).