Katechētik

[741] Katechētik (griech.), Lehre von der Kunst des mündlichen Unterrichts, neuerdings insbes. vom religiösen Unterricht in fragender Form (erotematischer oder dialogischer Unterricht) gebraucht. Aus dem kirchlichen Altertum besitzen wir von hierher gehöriger Literatur eigentlich nur die katechetischen und mystagogischen Lehrvorträge des Cyrillus (s. d. 1) von Jerusalem und Augustins Schrift »De catechizandis rudibus«, die übrigens durchaus nur erwachsene Katechumenen im Auge haben. Religiöser Jugendunterricht dagegen stellte sich keineswegs etwa sofort mit Einführung der Kindertaufe ein, vielmehr begegnen wir erst in den spätern Zeiten des Mittelalters Anweisungen zur geschickten[741] Handhabung der Kinderbeichte, wie überhaupt die Pädagogie des Beichtstuhls den mangelnden religiösen Jugendunterricht ersetzen mußte. Diesen ließen sich fast nur Sekten, wie Waldenser und Hussiten, oder die Bruderschaft des gemeinsamen Lebens angelegen sein. Das Zeitalter der Reformation war zwar reich an Katechismen, aber die Versuche, eine zusammenhängende und methodisch begründete K. zu geben, gehören erst der sogen. pietistischen Schule an, in der es auch Sitte wurde, neben dem Katechismus Bibeltexte katechetisch zu behandeln. Seit Mosheim wurde die K. fleißig bearbeitet und zwar zunächst im Sinne der sogen. religiösen Aufklärung. Man glaubte in den Unterredungen des Sokrates mit seinen jungen Freunden ein klassisches Vorbild der wahren katechetischen Methode zu besitzen, und seither gehört wenigstens das fragweise Verfahren, das Lehrgespräch, zu den herkömmlichen Anforderungen, die an den populären Religionsunterricht in Kirche und Schule gestellt werden. Darüber hinaus noch ging freilich die eigentliche Sokratik, die vom Katecheten verlangte, daß er durch geschickte Fragen geradezu alle Erkenntnisse aus dem Befragten hervorlocken sollte. Als berühmte Meister dieser sokratischen K. galten ihrer Zeit J. F. Chr. Grässe in Göttingen (1754–1816; »Die Sokratik«, 3. Aufl. 1798; »Lehrbuch der Katechetik«, 2. Aufl. 1805) und Dinter (s. d.). Pestalozzi bekämpfte die Einseitigkeit der Sokratiker, indem er hervorhob, daß man den Kindern vor allem etwas geben müsse und zwar in der dem kindlichen Fassungsvermögen angemessenen Gestalt wirklicher Anschauung, ehe man an die begriffliche Verarbeitung ginge. Aus dem Streit hat sich im ganzen ein erfreuliches Einverständnis über die kombinierte Methode der K. entwickelt. Vgl. Palmer, Evangelische K. (6. Aufl., Stuttg. 1875); v. Zezschwitz, System der christlich-kirchlichen K. (Leipz. 1863–74, 2 Bde., zum Teil in 2. Aufl.); Th. Harnack, Katechetik (Erlang. 1882, 2 Bde.); E. Sachsse, Evangelische K. (Berl. 1897); E Chr. Achelis, Lehrbuch der praktischen Theologie, Bd. 2 (2. Aufl., Leipz. 1898); Schian, Die Sokratik im Zeitalter der Aufklärung (Bresl. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 741-742.
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