Konfutse

[367] Konfutse (richtiger Khungfutse, latinisiert Confucius), chines. Weiser und Stifter des in China jetzt allein als orthodox geltenden Religions- (oder besser moralphilosophischen) Systems, stammte aus der Familie Khung, die ihren Stammbaum bis 1121 v. Chr. zurückführt, und wurde 551 v. Chr. in der Stadt Tseu in der heutigen Provinz Schantung geboren. Im dritten Jahr bereits verlor K. seinen Vater, und die Familie hatte seitdem mit großer Dürftigkeit zu kämpfen. Mit 19 Jahren heiratete er und bekleidete in der nächsten Zeit das Amt eines Aufsehers der öffentlichen Getreidespeicher; mit 22 Jahren trat er als öffentlicher Lehrer auf. Erst 30jährig, hatte er schon viele und vornehme Jünger um sich geschart; sein Ruf wuchs, und an jedem Fürstenhof wurde er mit den höchsten Ehren empfangen. 500 finden wir ihn im Staate des Fürsten von Lu als Bürgermeister,[367] wo er bis zur Kost herab alles von oben regelte und wegen seiner Erfolge in Herstellung öffentlicher Ruhe zum Minister, zuerst für öffentliche Arbeiten, dann für Kriminaljustiz, berufen wurde. Mätressenwirtschaft verleidete K. den Aufenthalt daselbst; er zog nach Wei, dann von einem der damaligen chinesischen Feudalstaaten zum andern. Schließlich nach Wei zurückgekehrt, verschied er hier unbeachtet 478. Konfutses Lehre ist, wie er auch selbst erklärt hat, nichts Neues oder Originelles, sondern eine Erneuerung und Vertiefung der Anschauungen, die feil sehr alter Zeit, mindestens aber seit ca. 1100 v. Chr. das Leben der Chinesen geleitet und beherrscht hatten. Ihr höchstes Ziel ist die Wohlfahrt des Staates; das Glück des Individuums ist erst daraus abgeleitet. Sie wird erreicht durch möglichste Selbstvervollkommnung des Einzelnen, die, in strenger Selbstzucht gewonnen, ihm die notwendigen Tugenden: Aufrichtigkeit, Humanität, Gerechtigkeit, Schicklichkeit etc., verleiht und ihn so befähigt, den Grundpflichten des Menschen und Bürgers: namentlich der Pietät gegen Eltern, Obere und Fürsten, nachzukommen. Vor allem muß der Fürst dies Ideal zu erreichen streben, denn da der Mensch von Natur gut ist, so wird sein Vorbild alle andern zur Nacheiferung anspornen, und die Harmonie des Staates wird erreicht werden. Das religiös-dogmatische Element tritt in dieser Lehre weit hinter die praktisch-moralischen zurück. Über die Gottheit wie über das Leben nach dem Tode vermied K. zu sprechen, obwohl er wie seine Landsleute unzweifelhaft daran geglaubt, ja sich selber unter dem besondern Schutze des Himmels stehend gedacht hat. Auch Dogmen hat er nicht formuliert, überhaupt seine Lehren nicht zu einem System zusammengefügt, sondern sie in kurzen Sittensprüchen verkündet. Aber das praktisch-moralische Element ist so menschlich schön darin entfaltet, die Übereinstimmung des wahrhaft Sittlichguten mit dem wahrhaft Nützlichen so entschieden, oft so schlagend darin durchgeführt, daß man begreift, wie sich der ostasiatische Riesenstaat unter der Herrschaft solcher Grundsätze Jahrtausende hindurch behaupten konnte. Zu Lebzeiten Konfutses freilich nahmen die Großen des zersplitterten Reiches seine Lehren noch nicht an, und K. verschied enttäuscht und ohne Hoffnung, daß bessere Zeiten kommen würden. Doch schon gleich nach seinem Tode begann der Kultus seiner Person. Bis 194 hatten sich die Verhältnisse so geändert, daß der Stifter der Han-Dynastie an seinem Grabe in Lu einen Stier opferte; im J. 1 n. Chr. wurde er nachträglich in den Herzogsstand erhoben. Seit 54 n. Chr. sind für ihn Opferfeste eingesetzt, und man begann, ihm Tempel zu errichten. Jetzt hat jeder größere Ort seinen K.-Tempel; zu den berühmtesten derselben finden große Wallfahrten statt, und nur des K. Lehre gilt den chinesischen Gelehrten als »der rechte Weg«. Vgl. Legge, Life and teachings of Confucius (6. Aufl., Lond. 1887); Plath, Confucius' und seiner Schüler Lehren (Münch. 1866–75, 4 Tle.); Faber, Lehrbegriff des Confucius etc. (Hongkong 1873); v. d. Gabelentz, Confucius und seine Lehre (Leipz. 1888); Dvořák, Confucius und seine Lehre (Münst. 1895); Flad, Konfuzius, der Heilige Chinas, in christlicher Beleuchtung (Stuttg. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 367-368.
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