[620] Kreditversicherung. Zweck der K. oder Garantieversicherung ist, gegen Zahlung einer Prämie Verluste zu ersetzen, die an nicht oder ungenügend durch Pfand gedeckten Schuldforderungen entstehen. Sie setzt, wie eine jede Versicherung, große Beteiligung voraus, so daß eine richtige persönliche und zeitliche Verteilung entstandener Schäden ermöglicht wird und ein jeder im Laufe der Zeit doch im großen ganzen für seine eignen Verluste auskommt. Die Prämien müssen nicht allein nach der Höhe der versicherten Summe, sondern auch nach dem Grad ihrer Gefährdung bemessen werden. Der Gedanke einer solchen K. ist bereits im Gebiete des Realkredits verwirklicht worden, indem Hypothekenversicherungsanstalten die Versicherung gegen den Verlust, der bei hypothekarisch begründeten Forderungen entsteht, übernehmen. In diesem Fall ist die Durchführung der Versicherung durch alle jene Umstände ermöglicht, die Realkredit und Hypothekenordnung vor dem Personalkredit zugunsten des Gläubigers auszeichnen. Es handelt sich hier nicht allein um offenliegende, kontrollierbare Tatsachen, sondern die Verlustgefahr hält sich innerhalb engerer Grenzen, sobald nur die Abschätzung genügend zutreffend und die Beleihungssumme nicht zu hoch gegriffen ist.
Anders liegt die Sache beim Personalkredit, insbes. bei den meisten Forderungen des Handels- und Gewerbestandes. Bei diesen scheitert die K. einfach daran, daß hier den Grundbedingungen einer gedeihlichen Versicherung gar nicht oder nur sehr unvollkommen genügt wird (Anreiz zu gewagten Geschäften, die für den Wagenden selbst ungefährlich sein würden etc.). Aus diesem Grunde haben auch Anstalten, die sich die K. zur Aufgabe machen, zunächst und solange nicht viele andre damit zusammenhängende Fragen (insbes. Regelung der Auskunftserteilung, Neuordnung der Schuldgesetze) gelöst sind, keine Aussicht auf Bestand. Die bisherige Geschichte der K. bestätigt dies. Bereits zur Zeit des Südseeschwindels (171820) waren in England verfehlte Projekte aufgetaucht, die gegen Diebstahl und Räuberei und gegen Verlust kaufmännischer Forderungen versichern wollten. 50 Jahre später wurde im preußischen Ministerium die Ausführung einer K. ohne Erfolg geplant. Im Laufe des vorigen Jahrhunderts wurden in England mehrere Kreditversicherungs-Gesellschaften gegründet, wie 1820 die British Commercial Insurance Company, 1845 die Commercial Casualty Mutual Association and Indemnity Society, 1850 die Commercial Debt Insurance Company, 1852 die Solvency Mutual Guarantee u. a. Dieselben haben indessen keine glücklichen Erfolge erzielt. Die einzige zurzeit in England bestehende Gesellschaft, welche die K. ernsthaft betreibt, ist die 1871 gegründete The Ocean Accident and Guarantee Corporation Lim., die jetzt über die ganze Welt verbreitet ist und bis 1903 auch in Hamburg eine Filiale hatte, in diesem Jahre sich aber von dem deutschen Geschäft wegen schlechter Resultate zurückzog. In Frankreich entstanden 1848 zwei Kreditversicherungs-Gesellschaften, die Union du commerce und die L'Assurance du crédit de commerce, denen noch einige andre nachfolgten. Der Erfolg war auch hier baldiger Zusammenbruch und Liquidation. Dann wurde in Brüssel 1852 die Garantie du commerce, eine Versicherungsgesellschaft gegen Konkursverluste auf Gegenseitigkeit, gegründet; dieselbe ging 1867 wieder ein. In Nordamerika scheint von einer größern Zahl früher gegründeter Institute für K. nur mehr die American-Credit-Indemnity Company of New York zu bestehen. Auch in Deutschland ging man in den 1850er Jahren an die Gründung von Gesellschaften und Vereinen für K., so in Magdeburg, Bremen, Lübeck, Mannheim u. a. O., freilich ohne damit etwas Lebensfähiges zu schaffen. Diese Versuche wiederholten sich zu Ausgang der 1860er Jahre nach Aufhebung der Schuldhaft, dann 1873 und 1882, verliefen aber auch diesmal ohne Resultate. Erst in den letzten Jahren scheint es gelungen zu sein, ein lebensfähiges Institut in der »Hanseatischen See- und Allgemeinen Versicherungsanstalt« in Hamburg (gegründet 1885), die seit 1898 die K. betreibt, ins Leben zu rufen. In etwas andrer Form ist die K. 1895 in Hamburg von der Firma Eitzen u. Komp. als »Delkredere-Kontor« organisiert worden. Der Vorgang ist der, daß Wechsel, die von dem Gläuber auf seinen Schuldner gezogen sind, dem erstern »ohne Rückgriff« diskontiert, die Wechsel also dem Gläubiger bezahlt werden, ohne daß dieser bei Nichteinlösung durch den Schuldner dafür wieder in Anspruch genommen werden kann. Die Höhe des Delkrederesatzes wird in jedem Falle je nach der Vertrauenswürdigkeit des Schuldners festgesetzt; beim Mangel einer solchen wird der Antrag abgelehnt. Nur wirkliche Warenwechsel werden auf diese Weise versichert. Die K. wird außerdem auch in der Form einer Bürgschaft, ohne daß eine Wechselverpflichtung vorliegt, gewährt.
Günstiger gestalteten sich die Verhältnisse für die sogen. Kautionsgarantieversicherung oder kurzweg Kautionsversicherung, die man als eine besondere Art der K. aufzufassen hat. Bei der Kautionsversicherung handelt es sich speziell darum, die Redlichkeit und Zuverlässigkeit kautionspflichtiger Personen zu versichern. Der erste Versuch nach dieser Richtung wurde 1842 von der Guarantee Society in London gemacht; von durchschlagendem Erfolg für England waren aber erst die Bemühungen einer englischen Lebensversicherungsgesellschaft, die diesen Versicherungszweig ebenfalls kultivierte, der European Assurance Society. Den Agitationen dieser Gesellschaft ist es zu danken, daß 1863 dem Parlament ein Gesetzentwurf vorgelegt und von diesem auch angenommen wurde, durch den es den Staatsbehörden und andern unter Parlamentsakte stehenden Korporationen gestattet ist, als Kaution für ihre Beamten die Police einer Garantieversicherungsgesellschaft anzunehmen. Die in Deutschland nach dem Vorgang der Lebensversicherungsgesellschaft in Leipzig in den Geschäftskreis einer Reihe von Lebensversicherungsanstalten gezogene sogen. Kautionsversicherung kann nur ungenau als Versicherung bezeichnet werden. Die Gesellschaften stellen nämlich für ihre Versicherten bei deren Behörden die Kautionen, deren Beträge sie sich, wie andre Darlehen, verzinsen lassen unter Berechnung eines mäßigen Beitrags zur Deckung der Unkosten und eventueller Verluste. Die Gesellschaften haben zunächst eine Deckung an der Police, da, wenn auch der Versicherte die Prämienzahlung einstellt, er nicht aller Rechte verlustig geht, sondern Anspruch auf eine bestimmte Quote der Prämienreserve hat. Zu größerer Sicherstellung der Anstalten pflegt auch solidarische Haftbarkeit der betreffenden Versicherten für die aus der Kautionsstellung erwachsenden Verluste[620] ausbedungen zu werden. Eine andre Art der K. ist die namentlich in Frankreich, nicht aber in Deutschland verbreitete Mietversicherung der Hausbesitzer gegen Verluste durch Nichteingang der Mietgelder. Vgl. Schimmelpfeng, Das Problem der K. (Berl. 1887); Herzfelder, Das Problem der K. (Leipz. 1904); Liebig, Beiträge und Vorschläge zum Problem der K. (Berl. 1904).