Kristalloptischer Universalapparat

[716] Kristalloptischer Universalapparat, eine von Groth 1871 vorgeschlagene und neuerdings von Leiß völlig umkonstruierte Kombination der wichtigsten Instrumente zum Studium der physikalischen, geometrischen und optischen Eigenschaften der Kristalle. Der [716] Apparat kann Verwendung finden: 1) als Goniometer zur Messung der Flächenwinkel von Kristallen mit spiegelnden Flächen, 2) als Spektrometer zur Bestimmung der Brechungsverhältnisse isotroper und doppeltbrechender Substanzen, 3) als Polarisationsapparat für paralleles u. konvergentes Licht und 4) als Instrument zur Ermittelung des Winkels der optischen Achsen.

Fig. 1. Goniometer und Spektrometer.
Fig. 1. Goniometer und Spektrometer.

Goniometer und Spektrometer (Fig. 1). Zwei auf einem gemeinsamen Grundgestell montierte Säulen S und S, tragen einen horizontal gestellten, um eine zentrale Vertikalachse drehbaren Teilkreis.

Fig. 2. Polarisationsapparat.
Fig. 2. Polarisationsapparat.

Die Achse trägt an ihrem obern Ende den Kristallträger K, der aus zwei gekreuzten Schlittenpaaren besteht, wovon das untere mit Planschlitten zur Zentrierung des Kristalls, das obere mit Zylinderschlitten zur Justierung des Kristalls oder Prismas dient. Zur Messung unter verschiedenen Inzidenzwinkeln und für den spektrometrischen Gebrauch kann die Alhidade (Nonienkreis) mit dem daran befestigten Beobachtungsfernrohr F gedreht und fixiert werden. In den Kollimator F1 können je nach Bedarf verschiedene Signale oder Spalte eingesetzt werden. Zu einem sogen. Theodolitgoniometer, bei dem die Winkelmessung nach der Methode der Bestimmung der relativen Lage der Sternörter nach Länge und Breite erfolgt (s. Goniometer), kann das Instrument leicht durch Hinzufügung eines von Stöber konstruierten Attributs (dem Vertikalkreis) ergänzt werden, der an Stelle des Kristallträgers K gebracht wird.

Der Polarisationsapparat für paralleles und konvergentes Licht (Fig. 2) dient zur Bestimmung der Schwingungsrichtungen und der optischen Achsenebene in doppeltbrechenden Kristallen (s. Kristalloptik), zur Ermittelung des Charakters der Doppelbrechung und zur Bestimmung des Betrags der Drehung bei zirkularpolarisierenden Substanzen. Die in die Hülfe g orientiert einsteckbare Röhre f enthält außer einem Nicolschen Prisma (dem Polarisator) an ihrem obern Ende einen Satz von Linsen L, dessen letztes oberes Glied mit der Ebene des Tisches T, auf den die Präparate aufgelegt werden, abschließt. Das durch Zahn und Trieb verschiebbare Beobachtungsrohr ist an seinem untern Ende mit einem gleichartigen Linsensatz (L1) versehen, während sich in einem besondern Auszug A das analysierende Nicol und das Okular befindet.

Fig. 3. Achsenwinkelapparat.
Fig. 3. Achsenwinkelapparat.

In dieser Zusammenstellung dient das Instrument für Beobachtungen im konvergenten Licht (Konoskop); soll dasselbe dagegen für Untersuchungen im parallelen Lichte dienen (Orthoskop), so müssen die Linsensätze L und L1 durch Abschrauben von ihren Röhren f und A entfernt werden, oder man verschiebt das Beobachtungsrohr soweit wie möglich nach oben, so daß man mit demselben wesentlich nur die mit der optischen Achse des Instruments parallel verlaufenden Strahlen auffängt.

Bei dem Achsenwinkelapparat (Fig. 3) wird der Zentrier- und Justierapparat K an das untere Ende des in vertikaler Richtung verstellbaren Stabes d mittels der Schraube c geklemmt. Das gewöhnliche Kristalltischchen wird durch eine Pinzette P, die zum Festhalten der Kristallplättchen dient, ersetzt. Als optische Teile werden diejenigen des vorbeschriebenen Polarisationsinstruments benutzt; ihre Verschiebung geschieht durch besondere bei A und A1 in die Säulen S und S1 eingesetzte Hülsen mit genauer orientierter Führung. Auf das in der Höhe verschiebbare Tischchen T können ein dem Apparat beigegebener Erhitzungsapparat oder ein Ölgefäß ausgesetzt werden. Vgl. Groth, Physikalische Kristallographie (4. Aufl., Leipz. 1905); Liebisch, Grundriß der physikalischen Kristallographie[717] (das. 1896); Leiß, Die optischen Instrumente der Firma R. Fueß (das. 1899); A. Becker, Kristalloptik (Stuttg. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 716-718.
Lizenz:
Faksimiles:
716 | 717 | 718
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Komtesse Mizzi oder Der Familientag. Komödie in einem Akt

Komtesse Mizzi oder Der Familientag. Komödie in einem Akt

Ein alternder Fürst besucht einen befreundeten Grafen und stellt ihm seinen bis dahin verheimlichten 17-jährigen Sohn vor. Die Mutter ist Komtesse Mizzi, die Tochter des Grafen. Ironisch distanziert beschreibt Schnitzlers Komödie die Geheimnisse, die in dieser Oberschichtengesellschaft jeder vor jedem hat.

34 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon