[738] Kronstadt, Stadt und Festung im russ. Gouv. St. Petersburg, Kreis Oranienbaum, auf der Insel Kotlin im Finnischen Meerbusen (vgl. die Karte »Umgebung von St. Petersburg«), ist die Vormauer Petersburgs von der Seeseite und überhaupt die wichtigste Seefestung, der bedeutendste Kriegshafen des russischen Reiches sowie Station der Ostseeflotte. Die Stadt nimmt den südöstlichen Teil der Insel ein und wird von Schanzen, Ravelins und Gräben umgeben, die sämtlich durch einen hohen Wall verbunden sind. Die ganze Befestigungslinie zwischen den beiden Ufern des Finnischen Meerbusens mißt 24 km. Die für Schiffe allein passierbare südliche Durchfahrt ist durch drei Linien von Forts und Batterien besonders stark befestigt. Die erste Linie bilden die Batterie Konstantin und der Eisenturm, die zweite die Granitsorts Kaiser Alexander I. und Kaiser Paul, die dritte die Forts Peterl., Fürst Menschikow und Kronflot. Letzteres wurde schon 1703 von Peter d. Gr. auf der sogen. Oranienbaumer Sandbank angelegt; in diesem Fort befindet sich ein bedeckter Hafen für Ruderboote. Das nördliche seichte Fahrwasser ist durch eine ganze Reihe sich flankierender Batterien geschützt. K. hat drei Häfen: westlich liegt der Hafen für die Kauffahrteischiffe, der an 1000 Fahrzeuge faßt; darauf folgt der Mittelhafen für die Ausrüstung der Kriegsschiffe und auf der Südseite der stark befestigte Kriegshafen, der mit einem Molo umgeben ist und ein weit ins Meer hervortretendes Viereck bildet. Im Kauffahrerhafen von K. löschen die größern Seeschiffe und schicken ihre Ladung auf kleinern Fahrzeugen nach Petersburg, vermögen aber dank dem 187585 erbauten Seekanal von 7 m Tiefe jetzt auch bequem bis nach Petersburg selbst zu fahren, um dort zu löschen. K. hat gerade, regelmäßige Straßen, große Plätze (Paradeplatz) und viele schöne Gebäude, von denen etwa 130 der Regierung gehören; es wird in die Kommandanten- und Admiralitätsstadt eingeteilt, besitzt 15 griechisch-orthodoxe Kirchen (darunter die Andreas-Kathedrale), eine lutherische, eine reformierte, eine römisch-katholische und eine englische Kirche, eine Synagoge, eine mohammedan. Moschee, ein Knaben- und ein Mädchengymnasium, die Marine-Ingenieurschule Kaiser Nikolaus I., 7 Buchhandlungen, eine Steuermannsschule (im Menschikowschen Palast), eine Matrosenschule, ein Seearsenal, ein Marinehospital, eine Admiralität, Kriegsvorratshäuser aller Art, Kasernen, Docks, Schiffswerften, 2 Kaufhöfe, etwa 19 Fabriken, die fast sämtlich den Bedürfnissen der Marine dienen, Zollgebäude, Leuchttürme und (1897) 59,539 Einw. Der Handelsverkehr Kronstadts ist seit Eröffnung des Seekanals nach Petersburg von geringer Bedeutung (statistische Angaben s. St. Petersburg). Der Verkehr zwischen K. und dem Festland wird durch regelmäßige Dampferlinien nach Petersburg, Lissi-Nos und Oranienbaum, letztere durch Eisbrecher bis tief in den Winter hinein, aufrechterhalten, so daß es meist nur für kurze Zeit auf den Schlittenverkehr über das Eis angewiesen ist. K. ist Sitz eines deutschen Vizekonsuls. K. wurde 1710 von Peter d. Gr. auf der 1703 eroberten Insel Kotlin angelegt. Die im Mai 1855 vor K. erschienene englisch-französische Flotte unterließ vorsichtigerweise jeden Versuch einer Belagerung.