Kronstadt [2]

[737] Kronstadt (magyar. Brassó, rumän. Brasovu), Stadt mit geordnetem Magistrat im gleichnamigen ungar. Komitat (s. oben), an den Bahnlinien Klausenburg-Predeal, K.-Zernest, K.-Hosszúfalu (s. unten) und K.-Kézdi-Vásárhely, liegt sehr malerisch in eine Talschlucht des Schulergebirges eingezwängt, die nur gegen die sich nach NW. bis an die Aluta ausbreitende Kronstädter Ebene (das Burzenland) offen ist. Vor der Mündung der Talschlucht erhebt sich der Schloßberg mit der 1554 erbauten Zitadelle, im S. unmittelbar über der Stadt der 960 m hohe, bewaldete Kapellenberg (die Zinne, magyar. Czenk) mit prachtvoller Rundschau über K., dessen schöne Lage vielfach an Salzburg erinnert. Die zum Teil terrassenförmig aussteigenden Vorstädte liegen in kleinen Nebenschluchten. In der Mitte der ehemals befestigten innern Stadt steht die 1385–1425 unter König Siegmund im gotischen Stil erbaute imposante Domkirche (jetzt Pfarrkirche der Evangelischen), im Volksmund auch »Schwarze Kirche« genannt, mit kolossaler Orgel (4060 Pfeifen), u. nebenan auf dem dreieckigen Marktplatz das stattliche Rathaus mit Archiv (erbaut 1420 und 1770 im Barockstil renoviert) und das große Kaufhaus (erbaut 1545). Die zahlreichen mittelalterlichen Basteien und Türme der alten Stadt fielen leider der neuen Zeit zum Opfer. K. hat eine kath. Pfarrkirche im italienischen, eine rumänische im byzantinischen Stil und noch mehrere katholische, evangelische und griechische Kirchen, eine neue reformierte Kirche und viele hervorragende öffentliche Gebäude, ein Franziskanerkloster, ein neues Redouten- u. Finanzdirektionsgebäude etc. 1898 wurde das Denkmal von Honterus (von Harro Magnussen), 1899 jenes des Bischofs Teutsch (von Dondorff) enthüllt.

Wappen von Kronstadt (Siebenbürgen).
Wappen von Kronstadt (Siebenbürgen).

Auf dem Czenk erhebt sich seit 1896 ein Millenniumsdenkmal. K. hat (1901) 36,646 Einwohner, darunter 14,115 Magyaren, 11,248 Walachen u. 10,644 Deutsche (Sachsen) griechisch-orientalischer, evangelischer und römisch-katholischer Konfession, lebhaften Handel und bietet insbes. bei den stark besuchten Märkten ein interessantes, buntes Straßenbild. Von großer Bedeutung ist die Metallindustrie sowie die Holzmanufaktur, welche auch die einen nationalen Produktionsartikel bildenden Holzflaschen (csutora) liefert. K. erzeugt überdies Kotzen, Decken, Steingut, hat Petroleumraffinerien, eine Zuckerfabrik, Zementfabriken, mehrere Tuch- und Lederfabriken, Kunstmühlen, Papierfabriken, Sesselfabrik etc., eine Hochquellen-Wasserleitung, ist Sitz eines infulierten Abtes, eines Gerichtshofes, einer Finanzdirektion, eines Hauptzollamtes, einer Handels- und Gewerbekammer und besitzt mehrere Geldinstitute, eine Filiale der Österreichisch-Ungarischen Bank, eine Lehrerpräparandie, drei Obergymnasien, eine Staatsoberrealschule, eine Handelsakademie, eine Holzindustrieschule, eine höhere Mädchenschule und ein Theater. In der Stadt verkehrt eine Dampfstraßenbahn. In der Nähe von K. liegen die Siebendörfer (s. Hosszúfalu).

K. (lat.Corona) wurde als Vorort des Burzenlandes 1211 von dem Deutschen Orden als Ansiedelungsgebiet übernommen u. kolonisiert, demselben aber 1224 samt der Landschaft entzogen. In der Folge wiederholt von Tataren zerstört u. 1421 von den Türken erobert, erholte es sich immer wieder und wurde im 16. Jahrh. in den Tagen Honters ein Vorort des Protestantismus und seiner Literaturtätigkeit. Unter Gabriel Báthori erfuhr es dieselben Drangsale wie Hermannstadt. 1611–12 wiederholt vergeblich belagert, ergab es sich, nachdem sein tapferer Bürgermeister Michael Weiß in der Schlacht bei Marienburg gefallen war. Bei der Übergabe Siebenbürgens an Österreich kamen über K. wiederholt schwere Tage. General Caraffa erzwang noch vor dem Abschluß des Abtretungsvertrags die Übergabe der Stadt und ließ alle Bürger hinrichten, die sich gegen sein Verlangen gestemmt hatten; die übrigen wurden ausgeplündert. Im folgenden Jahre (1689) legten die raubgierigen Soldaten Feuer an und vernichteten die ganze Stadt. 1718 und 1755 hauste in K. die Pest. Mitte Januar 1849 ward die Stadt von Bem besetzt, worauf nach einem Gefecht zwischen den Österreichern und Ungarn 1. Febr. russische Truppen sie in Besitz nahmen. Eine zweite Besetzung durch die Ungarn unter Bem erfolgte Ende März. Ende Juni kapitulierte K. mit dem russischen General Lüders, der es 12. Juli an die Österreicher übergab. Am 25. Juli fand ein zweites Gefecht zwischen den Österreichern und Ungarn hier statt. Vgl. v. Herrmann-Meltzl, Das alte und neue K. (Hermannst. 1885–88, 2 Bde.); Filtsch,[737] Die Stadt K. und deren Umgebung (Wien 1886); »Quellen zur Geschichte der Stadt K. (vom 4. Band an: der Stadt Brassó) in Siebenbürgen« (Kronst. 1886–1903, 4 Bde.); Seraphin, Kronstadter Schulen zur Zeit der Reformation (das. 1891); Schuller, K., Führer (das. 1898); Horger, K. und Hermannstadt (das. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 737-738.
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