Lebensbeschreibung

[283] Lebensbeschreibung (Biographie), die Darstellung des Lebens und der Leistungen eines Menschen, der für einen weitern oder engern Kreis von Bedeutung gewesen ist. Die Darstellung muß auf der einen Seite der Persönlichkeit des Behandelten in ihren Lebensschicksalen und ihrer innern Entwickelung, anderseits den Leistungen, die sein Leben als darstellenswert erscheinen lassen, gerecht werden. Die Le. stungen müssen sowohl an sich als die Folgen der Erziehung im weitesten Sinne wie auch in ihrer Stellung zu dem größern Gebiete, dem sie angehören, nach ihrer Anknüpfung an frühere und nach dem in ihnen liegenden und durch sie hervorgebrachten Fortschritte dargestellt werden. Dieser Begriff der L. hat sich erst allmählich entwickelt. Begnügte man sich früher in der biographischen Darstellung mit der äußern Aneinanderreihung der gegebenen Tatsachen, so gab man seit dem Erscheinen der Bekenntnisse J. J. Rousseaus (s. unten) dee psychologischen Entwickelung den ihr zukommenden Platz. So bildet die moderne L., wenn auch viel Minderwertiges unterläuft, ein Kunstwerk, das unter dem Erfordernis guter Lesbarkeit alle Gebiete menschlicher Betätigung umfaßt. Schriften biographischer Art finden wir bereits bei den Alten; es sei hier nur an Tacitus' Biographie des Agricola, an Curtius' L. Alexanders d. Gr., an Plutarch erinnert. Im Mittelalter waren fast ausschließlich Heilige Gegenstand biographischer Darstellung, bis dann im 16. Jahrh. die biographische Literatur zu neuem Leben erwachte und sich in der Folge bei allen Kulturvölkern zu einem kaum zu übersehenden Reichtum entfaltete. – Neben der L., bei der Dargestellter und Darsteller verschiedene Personen sind, steht die Darstellung des Lebens durch die eigne Person, die Selbstbiographie. Sie unterscheidet sich von der erstern sehr wesentlich dadurch, daß sie der notwendigen Objektivität ermangelt, und nähert sich durch diesen Mangel dem Roman. Dieser Unterschied trat und tritt weniger hervor, sofern der Selbstdarsteller sich mit der Aufzählung der Ereignisse seines äußern Lebens begnügt, er wurde typisch, als seit Rousseaus Vorgehen in seinen Bekenntnissen die psychologische Zergliederung der eignen Entwickelung einen hervorragenden Platz in der Darstellung des eignen Lebens einnahm. Denn selbst bei Rousseau, der auf diese Seite seiner Lebensbeschreibung das größte Gewicht legte, weicht die Darstellung nachweisbar und auch nach eignem Geständnis wiederholt von den gegebenen Tatsachen ab und enthält an andern Stellen frei erfundene Zusätze. Ein Kunstwerk der Selbstbiographie in dieser Art ist Goethes »Wahrheit und Dichtung«. Durch die Einführung des Momentes der psychologischen Analyse und des Romanhaften unterscheidet sich die Selbstbiographie auch von den Memoiren oder politischen Denkwürdigkeiten, die eine Mittelstellung zwischen der Biographie und der Selbstbiographie einnehmen. Über Biographie im allgemeinen vgl. Platzhoff-Lejeune, Werk und Persönlichkeit (Mind. 1903), über die Selbstbiographie Glagau, Die moderne Selbstbiographie als historische Quelle (Marburg 1903).

Die biographischen Sammelwerke (meist alphabetisch angelegt) sind in Hinsicht auf Ausführlichkeit und Stoffbegrenzung sehr verschieden und zwar teils allgemeiner Natur (ausgezeichnete Persönlichkeiten aller Zeiten und Völker umfassend), teils auf gewisse Zeiträume, einzelne Länder oder bestimmte Berufsarten (Künstler-, Gelehrten-, Schriftstellerlexika etc.) beschränkt. Zu den namhaftesten größern Sammlungen der allgemeinen Art gehören, von einigen ältern Werken abgesehen: Bayles »Dictionnaire historique« (1697 ff.; zuletzt Par. 1820, 16 Bde.), Michauds »Biographie universelle« (das. 1811–62, 85 Bde.; 3. Aufl. 1870 ff.), Höfers »Nouvelie biographie générale« (das. 1852–66, 46 Bde.) und »Der neue Plutarch« (hrsg. von Gottschall, Leipz. 1874–88, 12 Bde.), der die Zeit von der Reformation bis zur Gegenwart umfaßt; sodann von Spezialwerken für einzelne Länder: für England das von Stephen begründete »Dictionary of national biography« (beendet von Lee, Lond. 1885–1900, 63 Bde.; Supplement 1901, 3 Bde.; Index 1903; Errata 1904), das periodische »Who's who« (Lond.); für die Niederlande und Belgien van der Aas »Biographisch woordenboek der Nederlanden« (Haarl. 1852–78, 21 Bde.) und die »Biographie nationale« (Brüss. 1866–1903, 17 Bde.); Donos' »Nos contemporains (beiges)« (das. 1904), das periodische »Wie is dat« (Amsterd.); für Dänemark (und Norwegen) Brickas »Dansk biographisk lexikon« (Kopenh. 1887–1905, 19 Bde.); für Schweden Palmblads »Biographiskt lexikon öfver svenska man« (Ups. 1835 bis 1857, 23 Bde.; neue Folge, Örebro 1857–83, 9 Bde.), Hofbergs »Svenskt biographiskt lexikon« (Stockh. 1876, 2 Bde.); für Frankreich Mennecheks »Le Plutarque français« (2. Ausg. von Hadot, Par. 1844–47, 6 Bde.), Gläsers »Biographie nationale des contemporains« (das. 1878), »Les dictionnaires départementaux« (das. 1893 ff.; umfaßt bereits die Hälfte der Departements); für Italien Tipaldos »Biografia degli Italiani illustri« (Venedig 1834–45, 10 Bde.), Sorgatos »Memorie funebri antiche e recenti« (Padua 1856–62, 6 Bde.), Cantus »Italiani illustri« (3. Aufl., Mail. 1876, 3 Bde.); für Spanien Quintanas »Vidas de Españoles célebres« (Madr. 1807–33, 3 Bde.; deutsch von Baudissin, Berl. 1857), Pastor Diaz y Cardenas' »Galeria de Españoles célebres contemporaneos« (Madr. 1841 bis 1846, 9 Bde.); für Afrika das periodische »The Anglo-African Who's who« (Lond.); für Amerika Sparks' »Library of American biography« (Boston 1834–48, 25 Bde.), Appletons' »Cyclopaedia ol American biography« (New York 1887–89, 6 Bde.),[283] die »National Cyclopaedia of American biography« (New York 1892-!903, 12 Bde.), Lambs »Biographical dictionary of the United States« (Bost. 1900 ff.), R. Johnsons »The twentieth century biographical dictionary of notable Americans« (das. 1904, 10 Bde.), das periodische »Who's who in America« (Chicago); für Mexiko Arroniz' »Manual de biografia mejicana« (Par. 1857), Sofas »Biografias de Mexicanos distinguidos« (Mexiko 1884); für Brasilien Pereira da Silvas »Plutarco brasileiro« (1847, 2 Bde.) und Manoel da Macedos »Brasilian biographical Annual« (1876, 4 Bde.); für den Orient Beales »Oriental biographical dictionary« (Kalkutta 1881). Für Deutschland und Österreich: die »Zeitgenossen« (Leipz. 1816–41, 18 Bde.), Schlichtegrolls »Nekrolog (der Deutschen)« (Jahrg. 1790–1800 nebst Suppl., 23 Bde.), fortgesetzt als »Nekrolog der Deutschen für das 19. Jahrhundert« (5 Bde., Gotha 1791–1806), und Fr. A. Schmidts »Neuer Nekrolog der Deutschen« (Jahrg. 1–30, Ilmenau 1824–34, Weim. 1835–54), Wurzbachs »Biographisches Lexikon des Kaisertums Österreich« (Wien 1857–92, 60 Bde.), Bettelheims »Biographische Blätter« (Berl. 1895–96, 2 Bde.) und deren Fortsetzung: das »Biographische Jahrbuch und deutscher Nekrolog« (das. 1898 ff., bisher 7 Bde.), das periodische »Wer ist's« (Leipz. 1905) und besonders die von der Historischen Kommission in München durch R. v. Liliencron und Wegele herausgegebene »Allgemeine deutsche Biographie« (das. 1875–1900, 45 Bde.; dazu Nachträge, bisher Bd. 46–50). Brauch bare kleinere Handbücher dieser Art sind: Cates' »Dictionary of general biography« (4. Aufl., Lond. 1885), Godwins »Cyclopedia of biography« (neue Ausg., New York 1878), Bapereaus »Dictionnaire universel des contemporains« (6. Aufl., Par. 1893, 2 Bde.; Suppl. 1895), »The men and women of the time« (15. Aufl., Lond. 1899) u.a. Ein umfassendes Sammelwerk, bestehend aus 24 einzelnen biographischen Lexiken über Zeitgenossen, wurde 1895 in Paris unternommen. Vgl. Öttinger, Bibliographie biographique (2. Aufl., Brüss. 1854).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 283-284.
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