Mamiāni della Rovēre

[198] Mamiāni della Rovēre, Terenzio, Graf, ital. Gelehrter und Staatsmann, geb. 19. Sept. 1799 in Pesaro, gest. 21. Mai 1885 in Rom, ward bei der 1831 gegen die päpstliche Herrschaft ausgebrochenen Bewegung Mitglied der provisorischen Regierung in Bologna, mußte nach dem Siege der österreichischen Waffen in die Verbannung gehen und beschäftigte sich in Paris mit der Literatur und philosophischen Studien. Das Amnestiedekret Pius' IX. vom 17. Juli 1846 ermöglichte M. die Rückkehr in den Kirchenstaat, aber er lehnte es ab, sich der Amnestie zu bedienen, begab sich vielmehr nach Piemont und ging erst Anfang[198] 1848 nach Rom, wo er bald einer der einflußreichsten Volksmänner wurde. Am 4. Mai 1848 von Pius IX. zum Minister des Innern ernannt, war M. durch seine gemäßigte Haltung dem Papst und seiner reaktionären Umgebung wie den Radikalen gleich verhaßt, nahm daher schon 2. Aug. seine Entlassung und gründete in Turin mit Gioberti u. a. die Gesellschaft des Italienischen Bundes. Als die Verhältnisse in Rom sich mehr und mehr verwickelten, kehrte M. dahin zurück und übernahm nach der Ermordung Rossis (15. Nov. 1848) für wenige Wochen in dem Ministerium Galletti das Portefeuille des Äußern, zog sich aber, als in Rom die Republik erklärt wurde, aus der Kammer zurück und wandte sich, als die Franzosen zugunsten des Papstes intervenierten, nach Genua. 1856 wählte ihn diese Stadt zum Abgeordneten des Parlaments in Turin, wo M. zugleich als Professor der Geschichtsphilosophie an der Universität wirkte (1857–60). Am 21. Jan. 1860 übernahm er im Ministerium Cavour das Portefeuille des Unterrichts. 1861 ging er als Gesandter nach Athen, 1865 nach Bern, kehrte 1867 nach Italien zurück und wurde zum Vizepräsidenten des Senats gewählt, dessen Mitglied er seit 1864 war. M. schrieb: »Rinnovamento della filosofia antica italiana« (Par. 1834; 2. Aufl., Flor. 1836); »Nostro parere intorno le cose italiane« (1839); »Dell' ontologia e del metodo« (1841, 2. Aufl. 1848); »Poeti dell' età media« (Par. 1842); »Dialoghi di scienza prima« (das. 1844); »Del Papato« (das. 1851); »Scritti politici« (Flor. 1853); »Della rinascenza cattolica« (das. 1862); »Confessioni d'un metafisico« (das. 1865, 2 Bde.); »Teorica della religione et dello stato« (das. 1868); »Prose letterarie« (das. 1867); »Meditazioni cartesiane« (1869); »Compendio e sintesi della propria filosofia« (Turin 1876); »Psicologia di Kant« (Rom 1877); »La religione dell' avvenire« (Mail. 1879); »Critica della rivelazione« (das. 1880); »Parigi or fa cinquant' anni« in der »Nuova Antologia«, 1881–82; »Questioni sociali« (Rom 1882); »Novelle, favole e narrazioni« (Neapel 1883); »Il papato nei tre ultimi secoli« (Mail. 1885) u. a. In seiner Jugend veröffentlichte er auch: »Rime di Arnaldo« (1829) und »Poesie« (Par. 1843, Flor. 1864). Eine gute Auswahl gab Mestica heraus (»Poesie e prose di T. M.«, Città di Castello 1886). Als Philosoph hielt M. wie Rosmini und Gioberti an der Hoffnung auf eine Reform der katholischen Kirche und ihre Versöhnung mit der Wissenschaft fest. 1870 begründete er die Zeitschrift »Filosofia delle scuole italiane« (nach Mamianis Tod fortgesetzt als »Rivista Italiana di filosofia«). Vgl. Ferri, Essai sur l'histoire de la philosophieen Italie, Bd. 2 (Par. 1869); Mestica, Su la vita e le opere di T. M. (in der genannten Auswahl); Gaspari, Vita di T. M. (Ancona 1887); Casini in der »Nuova Antologia«, 1892–93; Barzellotti, Studj e ritratti (Bologna 1893); Viterbo, Terenzio M., lettere dall' esilio (Rom 1900, 2 Bde.); zur Bibliographie: »L'indice delle opere di T. M.« (Pesaro 1887).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 198-199.
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