Mithradātes

[911] Mithradātes (Mithridates), pers. Name, der besonders bei den Königen von Pontos, Parthien und Bosporos oft vorkommt. Am berühmtesten ist M. VI. Eupator oder der Große, König von Pontos, der 131 v. Chr. geboren und zu Sinope, der Hauptstadt des pontischen Reiches, erzogen, 120 seinem Vater M. V. Euergetes und zwar unter Vormundschaft einiger Großen, die ihn vergeblich aus dem[911] Wege zu räumen suchten, folgte. Die Römer hatten schon während seiner Minderjährigkeit dadurch seinen Haß erregt, daß sie ihm Großphrygien entrissen, das sie seinem Vater zur Belohnung für geleistete Dienste überlassen hatten. Sobald er daher 113 die Regierung selbst übernommen hatte, faßte er sogleich den Plan zum Kriege gegen Rom, den er sein Leben hindurch mit Ausdauer verfolgte. Zunächst unterwarf er Kolchis und die taurische Chersones sowie mehrere weiter nördlich wohnende skythische Völker und gründete dort das Bosporanische Reich; auch knüpfte er eine Verbindung mit Tigranes, dem König von Kleinarmenien, an, dem er seine Tochter Kleopatra zur Frau gab, während er selbst dessen Schwester Artashamay heiratete. Hierauf suchte er sich Kappadokien und Bithynien zu eigen zu machen, indem er daselbst Könige einsetzte, die ihm ergeben waren. Doch die Römer vertrieben diese Könige und setzten andre ein. Als aber der römisch gesinnte König von Bithynien, Nikomedes III., in sein Gebiet einfiel, begann M. 88 den Krieg (den ersten Mithradatischen, 88–84) mit einer Streitmacht von 250,000 Mann zu Fuß, 40,000 Reitern und 300 Kriegsschiffen. Die feindlichen Könige und die römischen Feldherren L. Cassius, M. Aquillius und Q. Oppius wurden geschlagen oder flohen vor ihm und fielen zum Teil in seine Hände; Kleinasien mit wenigen Ausnahmen, der römischen Bedrückungen müde, schloß sich ihm an Nun befriedigte er seinen Römerhaß, indem er alle daselbst anwesenden Römer, nach der einen Angabe 80,000, nach der andern 150,000, ermorden ließ. Hierauf schickte er seinen Feldherrn Archelaos nach Griechenland. Hier erschien 87 Sulla. Dieser nahm 86 nach einer langen Belagerung Athen und den Piräeus, wo sich Archelaos festgesetzt hatte, und brachte diesem dann bei Chäroneia und 85 dem ihm nachgesandten Dorylaos bei Orchomenos eine völlige Niederlage bei. Gleichzeitig wurde M., der durch Willkür und Grausamkeit die Gemüter der Asiaten sich bereits wieder entfremdet hatte, durch ein von der Partei des Marius abgesandtes Heer, das erst unter dem Befehl des L. Valerius Flaccus, dann, nachdem dieser in einer Meuterei ermordet worden, unter dem des C. Flavius Fimbria stand, hart bedrängt. Als Sulla 84 selbst den Marsch nach Asien antrat, suchte M. bei ihm um Frieden nach, der ihm zu Dardanos unter der Bedingung gewährt wurde, daß er 70 Schiffe ausliefern, alle in Asien gemachten Eroberungen aufgeben und 2000 Talente bezahlen sollte. Als zweiter Mithradatischer Krieg (83–81) wird ein Krieg bezeichnet, den der von Sulla in Asien zurückgelassene L. Murena mit einem Einfall in das Reich des M. ohne Auftrag begann, der aber von Sulla gemißbilligt wurde und damit endete, daß M. Murena 81 wieder aus seinem Reiche heraustrieb. Als M. sich wieder vollständig gerüstet hatte, begann er 73 den Krieg (den dritten Mithradatischen, 73–63) mit einem Heer von 150,000 Mann und 400 Kriegsschiffen von neuem, eroberte Bithynien, nahm die Stadt Chalkedon und schloß dann den Konsul M. Aurelius Cotta in Kyzikos ein, wurde aber bald selbst von dem andern Konsul L. Licinius Lucullus eingeschlossen, der ihn 73 zum Aufgeben der Belagerung zwang und dem Landheer auf der Flucht eine völlige Niederlage beibrachte, während auch die Flotte des M. teils durch die Römer, teils durch Sturm fast vernichtet wurde. Lucullus eroberte hierauf die meisten Städte seines Reiches, schlug ihn 72 nochmals bei Kabeira, und als Tigranes, bei dem er eine Zuflucht gesucht hatte, sich weigerte, ihn auszuliefern, drang Lucullus 69 auch in dessen Reich ein, schlug den Tigranes bei Tigranokerta und am Fluß Arsanias in der Nähe von Artaxata, ward aber dann durch die Weigerung seiner Truppen, weiter zu marschieren, zur Umkehr gezwungen, wodurch M. Gelegenheit erhielt, sein Reich wiederzuerobern. Nun übernahm aber 66 Pompejus den ihm durch das Manilische Gesetz übertragenen Oberbefehl. Dieser schlug M. bei Zela am Euphrat (zum Andenken an diesen Sieg ward später Nikopolis erbaut) und zwang ihn, sich in sein Bosporanisches Reich zu flüchten. Hier machte er zwar wiederum Rüstungen, um auf dem Landwege durch Thrakien, Mazedonien und Pannonien zu marschieren und die Römer in Italien selbst anzugreifen, rief jedoch dadurch einen Aufstand hervor, an dessen Spitze sich sein eigner Sohn, Pharnakes, stellte. Von allen verlassen, tötete er sich selbst (63). Die alten Historiker nannten ihn den Großen und schrieben ihm bedeutende Gaben zu, auch geistiger Art; es wird z. B. berichtet, daß er eine kostbare Kunstsammlung in Talaura angelegt und die sämtlichen Sprachen der von ihm unterworfenen 22 Völker zu sprechen gewußt habe; aber in Wirklichkeit unterschied er sich wenig von den übrigen orientalischen Despoten. Vgl. Th. Reinach, Mithridate Eupator, roi de Pont (Par. 1890; deutsch von Götz, Leipz. 1895); Bernhardt, Chronologie der Mithridatischen Kriege (Marburg 1896).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 911-912.
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