Ortsgebrauch

[152] Ortsgebrauch (Ortsüblichkeit, Ortsgewohnheit), Rechtssätze, die an einem Orte bezüglich bestimmter Rechtsverhältnisse auf Grund eines Gewohnheitsrechtes in Anwendung kommen. Derartige Ortsgebräuche treten ergänzend da ein, wo das Gesetz keine diesbezüglichen Bestimmungen enthält. So soll die Vermarkung nach O. vorgenommen werden, wenn die Landesgesetze hierüber keine Bestimmungen enthalten (§ 919 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Ebenso entscheidet der O. darüber, ob gewisse Handwerkerwaren auf dem Wochenmarkte nur von den Bewohnern des Marktortes verkauft werden dürfen (Gewerbeordnung, § 64) und ob außer den gewöhnlichen Gegenständen des Wochenmarktverkehrs noch andre überhaupt oder an gewissen Orten als Marktartikel zuzulassen sind (§ 66). Von besonderer Bedeutung ist der O. im Handelsrecht. So entscheidet der O. bei Handlungsgehilfen über Art und Umfang der Dienste oder der Vergütung, falls keine besondern Vereinbarungen getroffen sind (§ 59 des Handelsgesetzbuches). Er ist maßgebend mangels besonderer Vereinbarung über die Dauer der Lehrzeit des Handlungslehrlings (§ 77), über die Pflicht des Handelsmäklers, bei welchen Waren er keine Schlußnote zuzustellen, keine Warenproben aufzubewahren hat, sowie darüber, wer den Mäklerlohn zu zahlen hat (§ 94, 96 u. 99). Er entscheidet über die Höhe der Provision und des Lagergeldes, falls ein Kaufmann einer andern Person Geschäfte besorgt oder Dienste leistet (§ 654); ob der Kommissionär eine Auslieferungsprovision verlangen darf, falls das Geschäft nicht zur Ausführung gekommen ist (§ 396); welche Entschädigung dem Frachtführer zu zahlen ist, falls der Absender ohne sein Verschulden vom Vertrag zurücktritt, und innerhalb welcher Zeit der Frachtführer die Beförderung der Ware zu beginnen und zu vollenden hat (§ 428). Endlich ist er maßgebend für die Dauer der Löschzeit und ihre Berechnung bei der Seefracht (§ 595). Vgl. auch Handelsgebrauch.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 152.
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