[155] Pope, Alexander (spr. pōp), engl. Dichter, geb. 22. Mai 1688 in London, gest. 30. Mai 1744 in Twickenham an der Themse, stammte aus wohlhabender katholischer Familie, besuchte das katholische Seminar in Twyford bei Winchester, mußte aber diese Anstalt bald verlassen, da er den Rektor durch ein Gedicht verhöhnte, und bildete sich im Vaterhaus zu Binfield bei Windsor durch Selbststudium weiter. Erst 1716 vertauschte er seinen Wohnort mit Chiswick, siedelte aber bald nach Twickenham über, wo er ein Landhaus kaufte und das Leben eines zurückgezogenen, vielbesuchten Literaten führte. Von Gestalt war er klein und schwächlich, von Charakter reflektierend und satirisch, seine Briefe schrieb er für den Druck, geheiratet hat er nie. Er wußte sich den Klassikern, die er von früh auf eifrig studiert hatte, anzuempfinden und namentlich die pointierte Rhetorik und Epigrammatik der Lateiner auf Themen der damaligen Mode anzuwenden. Noch ein Knabe, übersetzte er das erste Buch von Statius' »Thebais« und eine Heroide des Ovid. Später unternahm er auch eine Übertragung des Homer, dessen Mythen er für sein berechnete Allegorien ausgab: eine Arbeit, die, von seinen Landsleuten lange bewundert, ihm ein kleines Vermögen einbrachte. Die gereimten Verse fließen glatt und zierlich dahin, wie er es von Dryden und den Franzosen gelernt hatte; doch vermögen sie nicht annähernd die Frische und Natürlichkeit des alten Homer zu ersetzen, der hier, wie Schlosser sagt, als vornehmer Engländer der Zopfzeit erscheint. Die »Ilias« kam 171520 heraus, die »Odyssee«, von der er nur die ersten zwölf Gesänge lieferte, während Fenton und Broome die andern verfaßten, 1725. Die Eigenschaften, welche die Homer-Übersetzung den Engländern so wert machten, finden sich auch in Popes selbständigen Dichtungen. Nach dem Vorgang Vergils schrieb er in seinem 16. Jahre »Pastorals« (Hirtengedichte), die wegen des Wohlklanges der Verse und der Zierlichkeit des Stils ausfielen; ein ähnliches Gedicht, »Windsor forest« (1710), trug mehr der englischen Nationalliebe Rechnung und stellte durch geschichtliche Schilderungen sein heimisches Vorbild, Denhams »Cooper's Hill«, in den Schatten. Das Lehrgedicht »Essay on criticism« (1711), nach Horaz und Boileau gearbeitet, wollte die Dichtkunst wie eine Technik lehren. kam dadurch dem einseitig verständigen Zeitgeschmack entgegen und wurde von Addison im »Spectator« warm empfohlen. Noch heute schätzen es die Engländer wegen seiner intellektuellen Treffsicherheit als ein klassisches Werk. Es machte ihn zum Wortführer der damaligen englischen Dichtung, verwickelte ihn aber auch in endlose literarische Streitigkeiten, da seinen heftigen Angriffen gleich heftig geantwortet wurde. Vom Dichterruhme handelt auch »The temple of Fame« (1711), den P. in Nachahmung und teilweise in Umschreibung eines älteren heimischen Dichters, Chaucer, verfaßte. Pathetische Versuche sind die »Elegy on the memory of an unfortunate lady« (1712) und »Epistle from Eloïsa to Abelard« (1716). Ein an sich unbedeutendes Motiv gab Anlaß zu Popes berühmtestem Gedicht, dem komischen Epos »The rape of the lock« (1712; deutsch von Duttenhofer, Pforzh. 1841), das, Boileaus »Lutrin« nachgeahmt, eine seine, witzige Parodie des heroischen Epos und der ganzen höfischen Rokokositte bildet. Minder glücklich war P., als er 1721 als Neuherausgeber Shakespeares auftrat; seine unnötigen Konjekturen wurden von Theobald herb getadelt. Noch reicher an Gegnern machte sich P., indem er mit Swift und Arbuthnot eine satirische Zeitschrift »Miscellanies« (172732, 3 Bde.) begründete, in der viele zeitgenössische Schriftsteller schonungslos gegeißelt wurden. Da diese nicht schwiegen, so schrieb P. die »Dunciade« (Buch 13,1728; das vierte 1742), eine hochtrabende Satire voll kleinlicher Bosheit, die wie nichts andres dazu beitrug, den Schriftstellerstand in London für Jahrzehnte zu diskreditieren. Zu Popes didaktischen Gedichten gehört ferner der angeblich von Lord Bolingbroke angeregte, 1733 anonym veröffentlichte »Essay on man« (neu hrsg. von Hunter, 1880; deutsch von Hohlfeldt, Dresd. 1822). In vier Briefen behandelte P. hier die Frage nach dem Ursprung des Übels, wollte das Bestehen wirklicher Übel in der Welt mit der Existenz eines gütigen Schöpfers und einer weisen Vorsehung vereinbaren, sprach aber dabei so rationalistisch, daß sein System als ein schwach verblümter Egoismus auf lebhaften Widerspruch stieß (vgl. Lessing und Mendelssohn, P. ein Metaphysiker! 1755). Es folgten einige satirische Episteln, deren eine, »Upon taste«, besonders Mißbilligung fand, da man sie auf den seiner Menschenfreundlichkeit wegen beliebten Herzog von Chandos bezog. Die »Imitations of Horace« (1740) verfolgen mit beißendem Spotte die Lady Montagu und den Lord Harvey, obgleich P. früher mit beiden freundschaftlich verkehrt hatte. Des Dichters Briefwechsel mit seinen Freunden wurde 1737 veröffentlicht und fand wegen des interessanten Inhalts und der anziehenden Form viele Leser. Die besten Ausgaben der Werke Popes sind die meist wiederholt ausgelegten von Warburton (Lond. 1751, 9 Bde.), Warton (das.[155] 1797, 9 Bde.), Bowles (das. 1806, 10 Bde.), Johnson (das. 1812, 10 Bde.), Roscoe (das. 1846, 8 Bde. mit Biographie), die neueste und vollständigste von Elwin u. a. (das. 187189, 10 Bde., der letzte Band mit Biographie von Courthope). Die tüchtigste Ausgabe der »Poetical works« ist die von Ward (Lond. 1869). Eine »Concordance of the original poetical works of A. P.« lieferte Edwin Abbot (New York 1875); Übersetzungen ins Deutsche: Dusch (Altona 175864, 5 Bde.), Böttger und Ölckers (Leipz. 1842, 4 Bde.). Vgl. Warton, Essay on the writings and genius of A. P. (Lond. 1756; 2. Aufl. 1782, 2 Bde.); Ruffhead, Life of P. (das. 1769); Dyce, Memoir of A. P. (das. 1851, 3 Bde.); Carruthers, Life of A. P. (das. 1857); O. Duchâteau, P. et Voltaire (Greifsw. 1875); Deetz, Alexander P. (Leipz. 1876); Stephen, Alex. P. (Lond. 1880); Williams, English letter-writers of the XVIII. century, Bd. 1: Swift and P. (das. 1886); F. Röver, Byrons Gedanken über Popes Dichtkunst (Hannov. 1886); Mead, The versification of P. (Leipz. 1889).