Portugiesisch-Guinea

[195] Portugiesisch-Guinea, portug. Kolonie an der westafrikanischen Küste (s. Karte »Oberguinea und Westsudân«, im 8. Bd.) vom Kap Roxo bis zur Mündung des Cajet (12°19'–10°50' nördl. Br.), rings von französischem Gebiet umschlossen, etwa 34,000 qkm (2400 qkm fallen auf die Inseln) mit rund 170,000 (nach andern Angaben 820,000) Einw. Durchweg flach, bei gutem Boden, durchziehen es mehrere größere Flüsse (Rio Cacheo, Rio Geba, Rio Grande; s. d.) sowie der Cassini, Combidiah und Cunschala, mit großen Ästuarien, in denen die Flut weit aufwärts dringt. Der Küste und den Mündungen der Flüsse vorgelagert sind zahllose, meist durch Anschwemmung entstandene Inseln, wie Yata, Bissis, Bissao und die Bissagosinseln, zu denen mehrere in der Bildung begriffene gehören, wie Maudjao, Bulam, [195] Kulm, Mehl. Das Klima ist äußerst ungesund, da bei großem Wasserreichtum die Temperatur außerordentlichen Schwankungen unterworfen ist. Vom November bis Januar fällt das Thermometer nachts bis 12° und steigt am Tag auf 30°, zuweilen sogar auf 44°. Im Winter, wo die Temperatur beständiger ist, fallen gewaltige Regenmengen mit heftigen Stürmen. Der Pflanzenwuchs ist üppig. Hinter Mangrovedickichten an den Flußmündungen beginnt der Wald (Akazien, Bambus u. a.), der, zwischen Rio Grande und Cassini mit starken Palmenbeständen (Phoenix spinosa, Elaeis guinensis, Borassus), nach dem Innern dichter wird, vornehmlich an den Ufern. In P. findet sich der berühmte Regenbaum, dessen Blätter sich nachts nach oben richten, um den Tau aufzufangen, den sie am Morgen ausschütten. Auch ist die Tierwelt reicher als die der Nachbargebiete: Affen (darunter der Schimpanse), in den Dickichten Herden von Wildschweinen, in den Wäldern das wilde Rind (Bos brachyceros), auch Leopard, in den Gewässern Flußpferd und Krokodil, zahlreiche und mannigfaltige Vögel, Insekten (unter ihnen Termiten mit riesigen Bauten), in den Flüssen und Küstengewässern großer Reichtum an Fischen. Über Landesprodukte s. unten. Unter den Eingebornen (s. oben), die bunt gemischt sind, kann man neun nach Sprache, Sitten und Geschichte verschiedene Volksstämme unterscheiden: die Bujago, Papel (tiefschwarz; geschickt in Holzarbeiten) und Biafar sind auf portugiesisches Gebiet beschränkt, die übrigen (Felup, Bagnua und Balante im N., die Nalu im S.) wohnen auch auf französischem Gebiete. Die Mandingo sind zahlreich über das portugiesische Gebiet verstreut, von O. dringen Fulbe ein; dazu treten Kruneger. Die Zahl der Europäer, meist Portugiesen, ist gering, bedeutender die der ihnen sozial ganz gleich stehenden Mischlinge. Sklaverei besteht in den europäischen Ansiedelungen nicht mehr, wohl aber bei den einzelnen Stämmen. Die Umgangssprache an der Küste ist das Sabir, eine ärmliche Mischung portugiesischer und einheimischer Wörter, im Innern werden verschiedene Dialekte gesprochen. Der Ackerbau steht auf sehr niedriger Stufe. Der Handel ist (die 1892 ausgesprochene Einfuhrfreiheit besteht nicht mehr) seit 1900 bedeutend zurückgegangen, da der Verkehr aus dem französischen Hinterland fast ganz abgeschnitten ist; z. B. hat der einst sehr lebhafte Karawanenverkehr nach Bissao ganz aufgehört. Neben dem Hauptort Bolama (s. d.) kommen Cacheo und Bissao (s. d.) als Häfen in Betracht; letzteres Sitz des deutschen Konsuls, ersteres der des Gouverneurs. Die Militärmacht beträgt 250 Mann. Hauptausfuhrartikel sind die Landesprodukte, Palmkerne, Erdnüsse, Wachs, Häute, Gummi (um mehr als die Hälfte zurückgegangen), Kopalharz. Palmöl und Elfenbein. Die Ausfuhr betrug 1903: 345,000 Milreis (gegen 401,455 i. J. 1900), die Einfuhr 500,000 Milreis (1900: 776,344). Die Ausfuhr erfolgt durch die Dampfer der Woermann-Linie (nach Hamburg) und die der Empreza Nacional (nach Lissabon). Der Wert des Außenhandels betrug 1901: 105 Mill. Milreis. Die Einnahmen der Kolonie sind seit 1901 im Wachsen; sie beliefen sich 1903 auf 172,485 Milreis und sind für 1904/05 auf 246,540 geschätzt (gegen 228,086 an Ausgaben). Der Schiffsverkehr beträgt etwa 150 Schiffe; in Bissao 1903: 57 Schiffe mit 49,165 Reg.-Ton. Die Portugiesen erwarben hier 1610 die Insel Bolama von dem König von Guinala und behaupteten ihre Ansprüche gegen England 1870 durch Schiedsspruch des Präsidenten der Vereinigten Staaten. 1886 wurden mit Frankreich die beiderseitigen Grenzen vereinbart, mit Ergänzung vom Jahre 1901. Vgl. Ernesto J. de Vasconcellos, As colonias portuguezas (2. Aufl., Lissab. 1903); Negreiros, Les colonies portugaises (Par. 1900); Schanz, Westafrika (Berl. 1903); »Carta da Guiné Portugueza« (Lissab. 1899).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 195-196.
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