Guinea

[297] Guinea, ein großes Küstenland in Westafrika, welches sich im S. von Senegambien bis zum Cap Frio erstreckt, mit unbestimmter Begrenzung im Innern. Es zerfällt in das nördl. oder Ober-Guinea und das südl. oder Unter-Guinea. Ober-Guinea hat eine Länge von etwa 400 Meilen, von der Sierra-Leonaküste bis zum Vorgebirge Lopez Gonsalvo, etwa 2° südl. vom Äquator. Die dorthin handelnden Europäer haben den einzelnen Theilen der Küste verschiedene Namen gegeben. So heißt die 80 M. lange Strecke von der Südgrenze Senegambiens bis zum Cap Mesurado Sierra-Leonaküste; die bis zum Cap Palmas Malaguetta oder Pfefferküste, 60 M. lang; jene bis zum Vorgebirge der drei Spitzen 60 M., Elfenbein- oder Zahnküste; jene bis zum Rio Volta Goldküste, etwa 75 M.; bis zum Rio Formosa Sklavenküste; dann folgen die Beninküste bis zur Biafrabai und die Küsten Kalabar und Gabon. Das Innere von G. ist noch wenig bekannt, doch wissen wir, daß in demselben hohe Gebirge (Sierra Leona und Kong) mit mannichfachen Verzweigungen vorhanden sind, auf denen eine große Anzahl wasserreicher Ströme ihren Ursprung nehmen. Dahin gehört vor allen der so viel besprochene Dscholiba oder Niger (s.d.) auf der Ostabdachung; ferner der Sierra Leona oder Rokelle, der Mesurado, der Ankobra, der Rio Volta mit vielen Wasserfällen. Der Benin, der Nun und der Kalabar sind Arme, welche das Delta des Nigers bilden. Sie fließen alle in den Meerbusen von G. und die meisten führen Goldsand mit sich. Das Land gehört zu den heißesten der Erde; der deutsche Wundarzt Isert beobachtete an der Goldküste eine Hitze [297] von mehr 28° im Zimmer, während der Thermometer in der freien Luft über 45° Réaumur zeigte. Zu dieser Hitze kommt während mehrer Monate des Jahres noch eine große Feuchtigkeit, die das Klima besonders für den Europäer höchst ungesund macht, allein den Pflanzenwuchs ungemein begünstigt. G. ist die Heimat des Affenbrotbaums (s.d.). Ein großer Theil des Landes ist mit dichtem Urwalde bedeckt; es wachsen Palmen aller Art, Mangobäume, Tamarinden, Cocos, Bananen, Citronen, Orangen, Granatäpfel u.s.w.; der Kurbaril, dem die Neger ein erfrischendes Getränk abzugewinnen wissen; ferner die Malaguetta oder der Guineapfeffer, spanischer Pfeffer, Ingwer, vortreffliche Baumwolle, Indigo, Mahagoni, Ebenholz und viele Gummiarten; dann Reis, Mais, mehre Arten von Durrah und Taback; Zuckerrohr wächst wild und das Guineagras erreicht nicht selten eine Höhe von 15 F. Wälder und Wiesen wimmeln gleichsam von Elefanten, Affen, Gazellen; Flußpferde trifft man in allen Strömen, dagegen ist das Rhinoceros selten; auch die Giraffe gehört mehr Inner- und Ostafrika an, dagegen gibt es Panther, Leoparden, Schakals, Hyänen, Zebras und Affen aller Art in großer Menge, ebenso Antilopen, wilde Schweine, Papagaien und Bienen; die Termiten oder weißen Ameisen sind eine wahre Landplage und Krokodile an den Niederungen der großen Ströme außerordentlich zahlreich. Das wichtigste Product des Mineralreichs ist Gold, das eine blässere Farbe als unser europ. hat. Die Gebirge Afrikas bergen sicherlich einen großen Reichthum an edeln Metallen, sind aber noch nicht ausgebeutet worden. – Die Bewohner des Landes sind Neger, die meist Ackerbau treiben; nur wenige führen eine Art Nomadenleben. Sie sind der Mehrzahl nach beiweitem nicht so wild und roh, als man insgemein zu glauben pflegt; an der Küste, wo der Einfluß der Europäer im Allgemeinen keineswegs wohlthätig eingewirkt hat, sind sie am verderbtesten. Die Naluben am Rio Nuñez verstehen sich vortrefflich auf den Baumwollen- und Indigobau und weben sehr seine Tücher, die sie sauber und gut zu färben wissen. Vor der Sierra-Leonaküste liegt die Insel Scherbro; auf dieser und dem gegenüberliegenden Festlande ist von den Engländern eine freie Negercolonie angelegt worden. Im I 1826 lebten etwa 20,000 Schwarze in mehr als zwölf Dörfern, und es waren Poststraßen, Schulen und Gasthöfe vorhanden. Der Hauptort ist Freetown oder Freistadt, auf dem Festlande, am Sierra-Leonaflusse, mit etwa 5000 Einw., einem Theater, einer Caserne und fünf Schulen. Regentstown hat bereits mehr als 2000 Einw. Dem von den Briten gegebenen Beispiele folgten die Nordamerikaner: sie gründeten 1821 östl. vom Cap Mesurado ebenfalls eine freie Negercolonie, welche sie Liberia nannten und die ebenfalls von Jahr zu Jahr herrlicher gedeiht. Unter der großen Anzahl von Negerstaaten in G. ist das Reich der Ashantis (s.d.) am mächtigsten. Auf der Sklavenküste liegt das mächtige Reich Dahomey, in welchem der schauderhafteste Despotismus herrscht. Wer mit dem König zu sprechen hat, darf sich ihm nur kriechend nahen; die zu Ehren eines verstorbenen Monarchen errichteten Tempel werden aus einem mit Menschenblute angefeuchteten Kitte erbaut und die nachgelassenen Weiber des Todten müssen einander gegenseitig umbringen unter lautem Beifallsjubel des Volks. Überhaupt sind die Dahomeys die wildesten und grausamsten aller Neger und behandeln ihre Weiber abscheulich. Die Hauptstadt ist Abomey mit 24,000 Einw. Das vormals mächtige Reich Whida oder Judah ist jetzt von Dahomey abhängig. Am untern Laufe des Benins oder Rio Formosa, also im Delta des Nigers, liegt das Reich Benin, dessen Herrscher 100,000 M. ins Feld stellen kann; die gleichnamige Stadt hat etwa 15,000 Einw. Dort residirt der König, der wie ein Gott verehrt wird und von dem das Volk glaubt, daß er gar keine Nahrung zu sich nehme. Auch hier sind Menschenopfer häufig. Die Europäer haben der Küste entlang eine Anzahl von Handelslogen und Forts gegründet, um Landesproducte gegen europ. Erzeugnisse einzutauschen. Diese letztern bestehen hauptsächlich aus Schießgewehren, Pulver, Kugeln, Flintensteinen, Messern, Eisen, Blei, Säbeln, Kattun, seidenen Zeuchen, rothem Tuche, wollenen Mützen, Korallen, Taback, Rum und Branntwein, die erstern aus Elfenbein, Gold u.s.w., früher besonders aus Sklaven. – Die Hauptniederlassung der Engländer ist zu Cape Coast Castle auf der Goldküste; sie hat 8000 Einw. und ist Sitz des Generalgouverneurs; ferner das Fort Annimaboe mit 4000 Einw. Auch besitzen sie die Insel Fernando Po im Guineabusen. – Die Niederländer besitzen mehre Forts im Lande der Ashantis, mit etwa 15,000 Einw.; Fort del Mina oder Elmina ist das wichtigste. Die Dänen haben ebenfalls einige kleine Niederlassungen an der Gold- und Sklavenküste, namentlich am Rio Volta. – Unter-Guinea, ein Küstenstrich von etwa 300 M. Länge, erstreckt sich vom Cap Lopez Gonsalvo bis zum Cap Frio und ist im Allgemeinen nur sehr wenig bekannt. Das Klima ist ziemlich dasselbe wie in Ober-G., nur daß dieselben Jahreszeiten in ganz andere Monate fallen. Von den Verzweigungen der Gebirge und dem Laufe, welchen die Ströme nehmen, wissen wir wenig. Der Koanza ist an seiner Mündung beinahe eine Meile breit, ebenso der Zaire oder Kongo, dessen Tiefe an manchen Stellen 900 F. beträgt; der Avongo mündet am Cap Lopez. Die Producte des Thier- und Pflanzenreichs sind im Allgemeinen jene von Ober-G., das Mineralreich liefert außerdem vortreffliches Eisen. Die Bewohner sind überall Neger. Nieder-G. zerfällt in die vier Abtheilungen: Loango, Kongo, Angola und Benguela, ist zum Theil unabhängig, zum Theil den Portugiesen unterworfen. Die wichtigsten Reiche sind: Loango mit etwa einer halben Million Einw.; Hauptstadt Banza-Loango mit 15,000 Einw., wo noch immer ein großer Sklavenmarkt. Das Königreich Kongo zwischen Loango und Angola; Hauptstadt San-Salvador oder Banza-Kongo, gut gebaut, in gesunder Lage, mit 24,000 Einw. Das Reich Malembe, und andere. Der südl. Theil von Unter-G. gehört den Portugiesen, welche auch im Innern mehre Handelslogen haben. Sie theilen ihre Besitzungen in zwei Theile, nämlich in die Königreiche Angola und Benguela. In Angola liegt die Stadt San-Paolo de Loanda an der Mündung des Bengastroms, mit 5000 Einw., ist Sitz des Generalgouverneurs, gut gebaut und hat einen lebhaften Handelshafen. Auch der Hafen von San-Felipe de Benguela ist sehr besucht, die Stadt liegt aber sehr ungesund und ist zugleich ein Deportationsort.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 297-298.
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