[222] Rückfall, das Wiedereintreten einer Krankheit, kann erfolgen, wenn diese Krankheit bereits eben überwunden, also wirklich geheilt war (Rezidiv), oder wenn die im Schwinden begriffene Krankheit, also die Genesung, durch neue Schädlichkeiten unterbrochen wird, so daß die Krankheit von neuem aufflackert (Rekrudeszenz). Rezidive beobachtet man besonders oft bei Syphilis, Malaria, Gelenkrheumatismus, Rekrudeszenzen bei Abdominaltyphus nach Diätfehlern, bei Lungen-, Brustfellentzündungen etc. Auch den R. bösartiger Geschwülste bezeichnet man als Rezidiv, in diesem Falle handelt es sich meistens um erneutes Aufleben schlummernder Krankheitskeime. Wenn eine Person ein und dieselbe Krankheit zweimal bekommt, ohne ersichtlichen Zusammenhang, so ist dies kein R.
Im Strafrecht ist R. im weitesten Sinne die Verübung einer strafbaren Handlung von seiten eines bereits früher wegen einer solchen (nicht notwendig gleichartigen) rechtskräftig Verurteilten; er unterscheidet sich von der Konkurrenz der Verbrechen (s. d.) eben durch die vorausgegangene Verurteilung. In diesem Sinne wird gewöhnlich in der Verbrecherstatistik von Rückfälligen gesprochen, d.h. von Sträflingen, die früher schon eine Strafe verbüßt haben. R. im engern und eigentlichen Sinne liegt dagegen nur dann vor, wenn es dasselbe oder doch ein gleichartiges Verbrechen war, wegen dessen der Verbrecher bereits bestraft oder rechtskräftig verurteilt worden ist. Nach dem deutschen Strafgesetzbuch wird der R. als besonderer Strafschärfungsgrund, abgesehen von verschiedenen Nebengesetzen, bei dem Verbrechen des Raubes (s. d.) und bei dem diesem gleich zu bestrafenden Diebstahl sowie bei der Erpressung behandelt, wofern die letztern mit Gewalt oder mit gefährlichen Drohungen verübt wurden. Wiederholter R. ist ein Strafschärfungsgrund bei dem Diebstahl (s. d.), Betrug (s. d.) und bei der Hehlerei (s. d.). Die höhere Rückfallsstrafe soll jedoch alsdann nicht eintreten, wenn seit der Verbüßung oder seit dem Erlaß der letzten Strafe bis zur Begehung des neuen Verbrechens ein Zeitraum von zehn Jahren (bei militärischen Verbrechen und Vergehen nach § 13 des Militärstrafgesetzbuches dagegen fünf Jahre) verflossen ist (sogen. Rückfallsverjährung). Im übrigen ist es dem richterlichen Ermessen überlassen, inwieweit die Rückfälligkeit eines Angeklagten innerhalb des Strafrahmens als Straferhöhungsgrund in Berücksichtigung gezogen werden soll. Die Strafrechtswissenschaft beschäftigt sich seit einer Reihe von Jahren mit dem Problem der Rückfälligkeit. In erster Linie verlangt sie eine wissenschaftliche und einheitliche Rückfallstatistik, sodann aber eine Unterscheidung in der Behandlung der Rückfälligen nach der Richtung hin, ob es sich um bloße Gelegenheits- oder besserungsfähige, bez. unverbesserliche Gewohnheitsverbrecher handelt. Besondere Verdienste um die Förderung dieser Frage hat sich die Internationale kriminalistische Vereinigung erworben. (Vgl. Kitzinger, Die internationale kriminalistische Vereinigung, Münch. 1905, S. 44 ff. u. 70 ff.) Das österreichische Strafgesetzbuch behandelt den R. nur bei dem Diebstahl und bei einigen Übertretungen als Strafschärfungsgrund, im übrigen ebenfalls nur als Straferhöhungsgrund. Außerdem aber wird der R. in Österreich beim Strafvollzug berücksichtigt. Andre Gesetzgebungen (so Frankreich nach der loi Bérenger vom 26. März 1891) behandeln zweckmäßiger den R. als allgemeinen Schärfungsgrund; meist mit steigender Schärfung bei jedem folgenden R. Zur Feststellung der Vorstrafen dienen die Strafregister (s. d.). Die Identität des Verurteilten kann durch Anthropometrie nach dem System Bertillon (s. d. 2) festgestellt werden. Vgl. Friedländer, Der R. im deutschen Recht[222] (Berl. 1872); Sacker, Der R. (das. 1892); Härtwig, Das geltende deutsche gemeine Rückfallsrecht (Erlangen 1901); André, La récidive (Par. 1892); Deutsches Strafgesetzbuch, § 244 f., 250,252,255,261,264; Militärstrafgesetzbuch, § 13, 70, 71, 114, 122.