Regenbäume

[701] Regenbäume, Bäume, die in irgend einer Weise regenartig Flüssigkeit liefern oder liefern sollen. Nach einer alten Sage wächst auf den fast regenlosen Glücklichen Inseln ein Regenbaum, der den Wolken beständig Wasser entzieht und aus seiner Krone niederträufeln läßt. Ostindienfahrer erzählten von dem Regenbaum auf Ferro, wohl eine Laurazee Ocotea (Oreodaphne) foetens mit zwei Wasserbehältern, die wohl von einer nicht sichtbaren Quelle gespeist wurden. Im 17. Jahrh. tauchen Nachrichten auf über einen Taubaum in Guinea und einen brasilischen Wasserbaum, der, in dürren, wasserlosen Gegenden wachsend, in seinen Ästen stets große Wasservorräte bereit halte. 1877 wurde von einem Baum in Nordperu berichtet, der besonders in der trocknen Jahreszeit die Feuchtigkeit der Atmosphäre zu reichlichem Regen verdichte. Hier handelt es sich um Bäume verschiedener Art, deren junge, zarte, saftige Blätter von Scharen von Zikaden befallen werden, die während des Saugens an den Blättern seine Strahlen einer klaren Flüssigkeit ausspritzen und dadurch einen kräftigen [701] Regen erzeugen. Zu diesen Bäumen (Tamia-Caspi) gehört z. B. die Mimosazee Albizzia (Pithecolobium) Saman Benth. (Genisarobaum), mit 30 m hohem Stamm und einem Kronenumfang von bisweilen über 100 m. Auf einem Feigenbaum (Ficus) Südafrikas lebt eine Schaumzikade, die während der Nacht mehrere Liter einer sehr scharfen Flüssigkeit absondert, die Augenentzündung erzeugt. Die von einem indischen Regenbaum abgesonderte Flüssigkeit wird gegen Hautkrankheiten benutzt. Stark tropfende Bäume können wohl auf undurchlässigem Tonboden einen kleinen Sumpf um ihren Stamm erzeugen, in andern Fällen mag aber auch die Neigung mancher Bäume, an solchen Stellen zu wachsen, ähnliche Sagen erzeugen, wie bei der Achualpalme (Mauritia flexuosa) am Orinoko. Auch bei uns beobachtet man bisweilen im Sommer, wenn die Sonne hoch steht, einen seinen Regen, der aus den Ausspritzungen von Blattläusen besteht, die den Honigtau erzeugen. Manche Pflanzen scheiden bei Nacht durch die Blätter tropfbarflüssiges Wasser aus, und dies geschieht in den Tropen namentlich bei Ficus-Arten und Arazeen so stark, daß solche Bäume bei der geringsten Erschütterung einen Regen herniedersenden. Solche Wasserabsonderungen kann man an den Blatträndern der bekannten Zimmerpflanze Monstera deliciosa (Philodendron pertusum) beobachten, wenn man sie reichlich begießt. Haberlandt fand auf Java die Wasserabsonderungsorgane der Blätter viel mannigfaltiger und komplizierter gebaut als bei unsern Pflanzen und sah, daß das Wasser vielfach von drüsig gebauten Organen ausgepreßt wird. Viele Bäume und Kräuter in Peru besitzen an den Blattstielen Drüsen, die, solange das Laub jung und zart ist, Tröpfchen aussondern. Die Ausscheidung von Wassertröpfchen an unverletzten Blattspitzen und Blattzähnen kommt bei sehr vielen Pflanzen, wie Balsaminen, Fuchsien, Kapuzinerkresse, Bryophyllum calycinum, Weinreben, Kohl- und Weidenarten, vor und wird besonders beobachtet, wenn die Erde warm und feucht und die Luft mit Feuchtigkeit gesättigt ist, so daß das ausgeschiedene Wasser nicht verdunsten kann. Auch zahlreiche Pilze bedecken sich mit kristallklaren Wassertröpfchen, die wie Tau glitzern (Pilobolus cristallinus, Polyporus-Arten und der Hausschwamm).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 701-702.
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