Roty

[191] Roty, Louis Oscar, franz. Medailleur und Bildhauer, geb. 12. Juni 1846 in Paris, bildete sich auf der Ecole des beaux-arts unter A. Dumont und H. Ponscarme und errang, nachdem er schon in den Salons von 1873 und 1874 mit der Medaille: der gestochene Amor und einer Gedächtnismedaille auf die Tätigkeit der Brüder der christlichen Lehre während des Krieges 1870/71 aufgetreten war, 1875 den großen römischen Preis. Von Rom sandte er die Medaillen: Venus und Amor, Jugend, antiker Kopf etc., und auch in der ersten Zeit nach seiner Rückkehr behandelte er meist mythologische Gegenstände in antikisierender Auffassung. Durch das Studium der klassischen Vorbilder der florentinischen Frührenaissance, besonders aber unter dem Einfluß des Bildhauers Chapu und des Medailleurs Chaplain bildete er sich jedoch bald einen eignen Stil, der bei idealer, poetischer Auffassung durchaus realistisch und national-französisch ist. R. bevorzugt in seinen Medaillen und ganz besonders in seinen Plaketten und Gedenktäfelchen das Flachrelief (s. Tafel »Medaillen IV«, Fig. 3), in dessen Grenzen er die zartesten malerischen Wirkungen zu erzielen weiß. Seine Arbeiten sind teils geprägt, teils gegossen. Während viele an Ereignisse im öffentlichen Leben, an Vorgänge auf politischem, geistigem und sozialem Gebiet anknüpfen oder als Auszeichnung für Verdienste auf diesen Gebieten dienen, haben andre einen intimen Charakter oder sind ohne jede äußere Beziehung als reine Kunstwerke gedacht, so das Flachrelief der Mutter mit dem Kinde (Maternité, auch als Brosche verwendet, s. Tafel »Schmucksachen III«), genrehafte Darstellungen, Landschaften mit Figuren, wie z. B. eine Plakette mit einer strickenden Schafhirtin und eine Medaille mit einer Bäuerin im Hühnerhof. Von der ersten Gattung seien genannt: die Medaille mit der Büste der französischen Republik (unter andern verwendet für eine Verdienstmedaille der Pariser geographischen Gesellschaft, s. Tafel »Medaillen II«, Fig. 3), die Unsterblichkeit auf dem Revers der Medaille auf Victor Hugo (1885), die Medaillen auf den hundertsten Geburtstag von Chevreuil, auf die Eröffnung der Eisenbahn zwischen Algier und Konstantine, für Verdienste der Feuerwehr (1887), auf die Hundertjahrfeier der Revolution von 1789, auf die französisch-amerikanische Vereinigung (1891), auf den siebzigsten Geburtstag Pasteurs (1892), auf die Eröffnung der Gefangenenanstalt Fresnes-lès-Rungis, die dreiteilige Plakette für das Haus Christofle und die Erinnerungsplakette auf den Tod des Präsidenten Carnot. R. hat auch das Modell für die neue französische Silbermünze mit der Figur einer säenden Freiheitsgöttin geschaffen, die dann auch für die französischen Briefmarken verwendet wurde. Die reichhaltigste Sammlung seiner Werke in Deutschland befindet sich in der Hamburger Kunsthalle. Er ist seit 1888 Mitglied des Instituts und erhielt 1889 den großen Preis der Weltausstellung. Vgl. v. Lützow im »Kunstgewerbeblatt«, 1895, und Mazerolle, Louis Oscar R., biographie et catalogue de son œuvre (Par. 1898 und 2 Nachträge bis 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 191.
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