Saalburg

[347] Saalburg, 1) Stadt im Fürstentum Reuß j. L., Landratsamt Schleiz, in reizender Lage an und über der Saale, hat eine evang. Kirche, Ruinen einer im 11. Jahrh. gegen die Sorben angelegten Burg mit 30 m hohem Wartturm, Oberförsterei, Fischzuchtanstalt, ein großes Marmorwerk, Dampfgerberei, Molkerei und (1905) 870 Einw. S. wird als Sommerfrische besucht. Hier fand 8. Okt. 1806 das erste Gefecht im französischen Feldzuge gegen Preußen statt. – 2) Römisches Grenzkastell, hinter dem auf dem Kamme des Taunus sich hinziehenden Pfahlgraben (s. Limes), am Schnittpunkt dreier Römerstraßen gelegen, 6,5 km nordwestlich von Homburg v. d. H., mit dem sie durch elektrische Bahn verbunden ist, 422 m ü. M. Sie bildete das Standquartier der zweiten Kohorte der Räter, mit dem Beinamen »cives romani«. Seit 1871 werden die Reste der S. ausgegraben und restauriert. Man unterscheidet bis heute vier übereinander liegende Kastelle: ein kleines (etwa 83: 78 m), fast quadratisches Erdkastell (wahrscheinlich aus dem Anfang des 2. Jahrh. n. Chr.) in der Mitte und danach drei gleichgroße Kohortenkastelle in verschiedener Konstruktion, die beiden ältern unter Benutzung von Holz. Das jetzt sichtbare, aus dem Ende des 2. oder Anfang des 3. Jahrh., ist von einer massiven Wallmauer mit Erdwehrgang umschlossen. Es bildet ein mit der Längsachse nach N. gerichtetes, von doppelten Spitzgräben umgebenes Rechteck (s. den Plan) mit abgerundeten Ecken und gilt als besterhaltener Typus römischer Standlager. Die mit Winkelzinnen bekrönten, 4,9 m hohen und 1,9 m starken Seitenmauern haben außen eine Länge von 221,45: 147,18 m (= 150: 100 römische Passus). Von den vier von Türmen flankierten Haupteingangstoren hat die der Niddaebene zugewandte porta decumana zwei 3 m breite Durchgänge, die übrigen nur einen Eingang.

Plan des Römerkastells Saalburg (nach L. Jacobi).
Plan des Römerkastells Saalburg (nach L. Jacobi).

Das in der Mitte belegene Hauptgebäude, beim Marschlager praetorium genannt, umschließt einen großen quadratischen Hof mit Umgang, an dessen östlicher Seite sich ein langgestreckter Raum, das Zeughaus (armamentarium), erstreckt; auf der westlichen Seite liegen vier kleine Magazine nebeneinander. Nördlich schließt sich ein zweiter Hof mit einer Säulenhalle an, dessen Kurzseiten heizbare Räume, das Bureau der Intendantur (tabularium) abschließen; der quadratische Bau in der Mitte der Nordseite ist das Fahnenheiligtum, in dem auch die Kriegskasse und die Denkmäler für den Kaiserkult aufgestellt waren. Die große, im Süden quer vorgelegte überdachte Halle, als »Exerzierhaus« bezeichnet, diente wahrscheinlich zu militärischen Übungen und als Versammlungsraum der Mannschaften. Ein heizbares Gebäude, vielleicht quaestorium (Intendantur), und gegenüber die Getreidemagazine (horrea) sind die einzigen massiven Gebäude im Rücklager (retentura), während das Vorderlager (praetentura) nur die Unterkunftsräume für die Mannschaften (Holzbaracken und Zelte) und das Militärbad enthielt. Rings um das Kastell breitet sich auf einem Gebiet von 45 Hektar die Lagerstadt (vicus) aus mit den Wohnungen des Trosses, der angesiedelten Veteranen und Kaufleute, und mehreren Heiligtümern, des Jupiter Dolichenus mit großem Gemeindefriedhof, der Mater deum, des Mithras u.a. Letzteres ist mit seiner Umgebung wiederhergestellt. Ein sehr großer Gebäudekomplex (Kaufhaus?) liegt 70 m östlich vom Kastell, auf der Südseite ein reich ausgestattetes, villenartiges Gebäude mit Badeeinrichtung (sogen. Villa). Der Friedhof, auf dem etwa 300 Gräber aufgedeckt sind (einige Gräber im sogen. Gräberhaus ausgestellt), erstreckt sich längs der erhaltenen Römerstraße nach Heddernheim (dem römischen Nida). Die Wasserversorgung geschah in der Hauptsache durch Tiefbrunnen und Zisternen (bisher 74 aus verschiedenen Perioden ausgegraben), darunter[347] befinden sich 7 im Kastell. Die S. ist mit dem Limes etwa zwischen 260 und 270 n. Chr. von den Römern aufgegeben. Die Ausgrabungen inner- und außerhalb des Kastells sind noch lange nicht beendet. Seit 1898 werden die Hauptteile der S. auf Veranlassung Kaiser Wilhelms II. aus staatlichen und privaten Mitteln wieder aufgebaut. Von den Gebäuden wird dann das praetorium die Limesfunde, das horreum die Saalburgfunde und das quaestorium die Bureaus der seit 1906 organisierten Museumsverwaltung aufnehmen. Im praetorium sind bereits zwei Bronzestandbilder der Kaiser Hadrian und Alexander Severus aufgestellt, vor der porta decumana eine Statue des Antoninus Pius; in der Waffenhalle ein Denkmal Mommsens, von Wilhelm II. gestiftet, Modelle römischer Geschütze von Schramm u.a. Die Eröffnung der Sammlungen, die vor allem auch Karten, Modelle der Limesanlagen u.a. aufnehmen sollen, dürfte 1908 erfolgen. – In der Nähe der Fröhliche Manns-Kopf (482 m) mit Aussichtsturm und die Gickelsburg (468 m) mit einem germanischen Ringwall, dessen Niederlassung bis in das römische Gebiet der S. hinabzieht. Vgl. L. Jacobi, Das Römerkastell S. (Homb. 1897, 2 Bde.), und kleiner Führer von H. Jacobi mit den neuesten Ergebnissen (3. Aufl., das. 1907); Woltze, 5 Wandtafeln von der S. (Gotha, bei Perthes, 1904); E. Schulze, Die römischen Grenzanlagen in Deutschland und das Limeskastell S. (2. Aufl., Gütersl. 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 347-348.
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