Tanganjīka

[305] Tanganjīka (Tanganika, der Bahari oder Ziwa der Araber, Msaga der Wakawendi, Kimana der Warungu; s. die Karten »Äquatorialafrika« und »Deutsch-Ostafrika« in Bd. 1 u. 4), großer See im zentralafrikanischen Graben, 900–1150 km vom Indischen Ozean, zwischen 3°16'–8°48' südl. Br. und 29°20'–31°20' östl. L., 795 (nach Reichard 780, nach Baumann 880) m ü. M., 645 km lang, 30–80 km breit, bis 300 (nach andern 647) m tief und 35,000 qkm (= Ostpreußen) groß. Der besonders im N. von über 2000 m hohen, steil abfallenden Gebirgszügen eingefaßte See hat mehrere ansehnliche, auf [305] Querbrüche zurückzuführende Buchten, Cameron- und Horebai im S., im NW. Burtongolf mit der Halbinsel Ubwari. Von den ihm allerseits zuströmenden Gewässern sind der aus dem Kivusee abfließende Russisi an der Nordspitze, der aus zahlreichen Quellflüssen entstandene Mlagarassi mit Igombe und Sindi an der Ostseite und der Lovu im S. die bedeutendsten. Der einzige, erst in neuerer Zeit entstandene Abfluß des T. ist der Lukuga (s. d.), nach dessen Austritt sich der Seespiegel um mehrere Meter senkte, so daß Ortschaften, früher am See gelegen, hinter sumpfige Niederungen gerückt wurden, z. B. Udschidschi. Einige erblicken allerdings in dieser Senkung nur einen Teil der Brücknerschen Klimaperioden, der später eine Hebung folgen würde. Das Klima an den Ufern gilt, namentlich bei Udschidschi, als ungesund, mittlere Temperatur 25° (November u. Februar 28,3°, Juli 14,4°). Die Regenzeit dauert von Oktober bis Mai; der Regenfall beträgt auf der Ostseite bis 78, auf der Westseite bis 154 cm. Bei dem Wechsel der Jahreszeiten machen orkanartige Stürme in Verbindung mit Wasserhosen die Schiffahrt gefährlich, so daß bei Südostpassat 2 m hohe Wellen nicht selten sind und die Brandung sehr stark ist. Der T., der mit Schilfdickichten, dichten Waldungen von Öl- und Borassuspalmen, Grashängen oder nackten Felsen eingefaßt ist, bildet die Grenze zwischen der westafrikanischen Pflanzen- und Tierwelt und der der ostafrikanischen Steppe. Das schön blaue, süße, bei der Mündung des Mlagarassi brackige Wasser hat nach Erdbeben einen naphthalinartigen Geschmack; der See ist dann mit Massen bituminöser Bildungen bedeckt. Außer Fischen beherbergt er Ottern, Krokodile und Flußpferde und wird oft von schwimmenden Inseln bedeckt, die, gebildet aus Wurzeln, Pflanzen und Erdreich, in Gruppen von 50–60, bedeutenden Umfang haben. Die sehr verschiedenartige Uferbevölkerung weist Einwanderer aus Abessinien und den Gallaländern in Urundi und im nördlichen Udschidschi auf (Ackerbauer, Hirten, tüchtige Schiffer und Fischer), in Ubemba anthropophage Zwerge, reine Neger des Westens in Ugoma, Uguha und besonders Marungu. Sulu (von S.), mit Waniamwesi vermischt, finden sich am größten Teil des Seebeckens. Die überall angesiedelten Araber haben durch Sklavenjagden ganze Striche verödet. Politisch gehört das Ostufer zu Deutsch-Ostafrika, das Westufer zum Kongostaat, das Südufer zum englischen Nordost-Rhodesia. Diese Staaten, von denen Deutschland u. England Dampferverkehr auf dem T. unterhalten, streben mit Eisenbahnen den See zu erreichen. Bedeutendster Handelsplatz im O. ist neben Bismarckburg Udschidschi (mit Kawele), im W. Albertville (Toa). Um den Sklavenhandel zu unterdrücken, sind, abgesehen von den Militärstationen (England hat Fort Abercorn angelegt), Missionsstationen rings um den See errichtet. Hauptsitz im O. ist Karema, mit den Stationen Mkarjaria, Kiranda, Kala u. a.; im S. Ubemba, im W. Mpala und Kilanga. Im übrigen vgl. die Artikel »Deutsch-Ostafrika, Rhodesia und Kongostaat«. Der T., 1858 von Burton und Speke entdeckt, ist durch Livingstone, Cameron und Stanley, der ihn 1875 ganz umfuhr, ferner Hore, Thomson und Cambier, Böhm und Reichard, Wissmann, Giraud, Baumann, Grogan und Sharpe, Moore und Fergusson genauer bekannt geworden. Vgl. außer den Reisewerken der genannten Forscher noch Peters, Das Deutsch-Ostafrikanische Schutzgebiet (Münch. 1895); P. Sprigade, Karte der Gebiete am südlichen T. und Rukwa-See (in den »Mitteilungen aus den deutschen Schutzgebieten«, 1904); Moore, The Tanganyika problem (Lond. 1902). – Der frühere Bezirk T. in Deutsch-Ostafrika, der das Ostgebiet des Tanganjikasees mit dem Hauptort Udschidschi umfaßte, ist jetzt geteilt in die Stations-(Militär-)bezirke Usumbura, Udschidschi und Bismarckburg.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 305-306.
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