Amazonenstrom

[391] Amazonenstrom, (Marañon, von den Indianern Guiena genannt), führt seinen Namen, weil nach einem, unter den Eingeborenen allgemein verbreiteten Glauben, früher an den Ufern desselben ein mächtiges Frauenreich bestand, nach einer anderen Angabe, weil die ersten hierher kommenden Europäer in den reitenden Indianern, vermöge ihres Schmuckes, Amazonen zu erblicken wähnten; der größte Strom der Erde; wird gebildet aus den Flüssen a) Tunguragua, der 12,000 Fuß über der Meeresfläche auf dem Hochlande der Anden in der peruanischen Provinz Junin aus dem See Llauricocha entspringt, vorzugsweise den Namen Marañon trägt u. in nordwestlicher Richtung bis Jean de Bracomoros strömt, wo er schiffbar wird u. sich ostwärts wendet; b) Hualtaga, welcher 14,000 Fuß über der Meeresfläche ebenfalls auf den Anden bei Cerro entspringt u. in den c) Ucayale mündet, welcher in der bolivischen Provinz La Paz unter dem Namen Beni (Paro) entspringt, mit dem See Roguaguado verbunden ist, durch kleine Flüsse sich vergrößert u. in der peruanischen Provinz Ayacucho den Tambo (gebildet aus dem Apurimac [aus Puno, mit dem Urubamba]., Panchoa u. Chanchamayo) aufnimmt, nun Ucayale heißt, dann noch den Pachilea u. Tapichi an sich zieht, u. an der Grenze von Ecuador u. Peru sich mit dem Marañon vereinigt. Von hier an führt der Strom den Namen Silimoens, bildet die Grenze zwischen Ecuador u. Peru, zieht sich dann, seinen Lauf ostwärts verfolgend, durch die brasilanische Provinz Amazonas, nimmt unweit Barra de Rio Negro den Rio Negro auf, heißt von nun an A., durchströmt die brasilianische Provinz Para u. fällt nach einem Laufe von 770 Meilen in den Atlantischen Ocean. Sein Flußgebiet umfaßt ganz Peru, Bolivia, Neu-Brasilien, Ecuador u. Theile von Neu-Granada, Venezuela u. Guayana u. beträgt 126,150 QM. Er nimmt über 60 Flüsse von der Größe des Nils u. der Donau auf, ist bei seinem Ausflusse (wo er durch 2 Hauptarme Marañon u. Para, die Insel Juanos od. Marajó bildet) gegen 60 Meilen breit u. mehr als 100 Faden tief; hat verschiedene Stromschnellen (durch Verengerung der Ufer, z.B. beim Pongo von Manseriche, wo er von 250 auf 150 Fuß zusammengedrängt, in 1 Secunde mehr als 12 Fuß durchläuft), tiefer unten viele Inseln, u. verursacht zur Regenzeit regelmäßige ungeheuere Überschwemmungen. Seinebedeutendsten Nebenflüsse sind: a) links: St. Jago, Morona, Pastaza, Tigre, Napo, Putumayo (Ica Paranna), Yupura (Caqueta), Rio Negro (alle aus Columbia), Guahunna, Gurua-Manema, u. m. a. aus verschiedenen Guayanas; b) rechts: Huallaga, Hyabary (aus Peru), Jutay, Coari, Purus (aus Brasilien), Madeira (aus Bolivia), Tapajos, Xingu, der mit dem Araguaya vereinigte Tocantins u. a. (aus Brasilien). An seinen Ufern herrscht die üppigste, noch lange nicht erforschte Vegetation, u. sie sind die Wohnplätze einer Menge der seltensten u. prächtigsten Thiere. auch leben an ihnen 85 verschiedene indianische Volksstämme. In neuerer Zeit haben sich, durch die brasilianische, peruanische u. bolivische Regierung begünstigt, mehrere Gesellschaften gebildet, u. sowohl auf dem A. selbst von Peru aus bis an seine Mündung, als auch auf seinen größeren Nebenflüssen regelmäßige Dampfschifffahrten organisirt, welche in den letzten Jahren sich günstiger entwickelten, u. dazu beitragen werden, die Wichtigkeit des Einflusses des A. auf Handel u. Civilisation des größten Theiles von Südamerika zu erhöhen. Ebenso wird von Seiten der brasilianischen Regierung die Colonisation der Ufer dieses reichen Stromes in der zuvorkommendsten u. tolerantesten Weise unterstützt. Die Mündung dieses Stromes, der sein Wasser 60 Meilen weit unvermischt mit Seewasser ins Meer treibt u. bei der herandrängenden Fluth ein grausenvolles Wellenspiel verursacht, ist zuerst von Pinzon 1498 gefunden worden, befahren hat ihn Orellana 1541, Ursua 1560, Raphael Ferrer 1602; Texeira kam bis nach Payamino aufwärts, Acuna u. Artieda fuhren von Peru aus bis Para herab 1639, Condamine befuhr den ganzen Fluß 1743 u. 1744, später mehrere Andere. Samuel Fritz gab 1707 die erste Karte von ihm; in den letzten Jahrzehnten A. v. Humboldt, R. Schomburgk, Pöppig, der 1828 bis 1832 den größten Theil Südamerikas (Reise in Chile, Peru u. auf dem Amazonenstrom, Lpz. 1835, 2 Bde.); I. I. v. Tschudi, der 1828–35 Peru (Peru, St. Gallen 1846, 2 Thle.) bereiste, namentlich aber die im Auftrage der Regierung der Vereinigten Staaten unter Leitung der beiden Marinelieutenants William L. Herndon u. Lardner Gibbon 1850–1852 unternommene Expedition (Exploration of the Valley of the Amazon, Washingt. 1853, 2 Bde.).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 391.
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