Baldriansäure

[237] Baldriansäure (Valeriansäure, Butyl-Oxalsäure, Delphinsäure, Phocansäure), C10H9O3, HO = C8H9C2O3HO, findet sich präformirt im Delphinöl, in jedem Thrane, in[237] den Beeren von Viburnum Opulus u. entsteht bei der Fäulniß des Caseins, des Carthamins, der Oxydation von Leim etc.; sie bildet sich durch Oxydation des Valerols (s.d.), durch schmelzendes Kali, durch Oxydation des Kartoffelfuselöles, durch Oxydation von Fetten mit rauchender Salpetersäure, durch Zerstörung des Leucins, durch schmelzendes Kalihydrat, endlich durch gleiche Behandlung der Adipinsäure. Außerdem bildet sie sich häufig bei der Oxydation vieler ätherischer Öle. Man stellt sie dar, indem man Baldrianwurzeln mit Wasser destillirt u. das vom ätherischem Öle getrennte Destillat mit kohlensaurem Kali abdampft u. den Rückstand mit Schwefelsäure zerlegt. Das Destillat besteht aus 2 Schichten: die obere Schicht ist eine gesättigte Lösung von B. in Wasser, die untere ölige ziemlich reine B.; letztere wird für sich destillirt u. wenn der Siedepunkt bis auf 175° gestiegen ist, die Vorlage gewechselt. Was nun übergeht, ist Baldriansäurehydrat. Aus dem Fuselöl stellt man sie durch Behandeln desselben mit erhitztem Kalikalk od. durch Destillation desselben mit Schwefelsäure u. zweifach chromsaurem Kali dar. Es bildet sich baldriansaures Amyloxyd, das durch Kali u. sodann durch Schwefelsäure zersetzt wird. Das Hydrat der B. erscheint als farblose, leicht flüssige ölige Flüssigkeit von starkem, bleibendem Baldriangeruche u. stark saurem, stechendem, scharfem, widrigem Geschmacke; auf die Zunge gebracht, bewirkt es einen weißen Fleck; es löst sich in Alkohol u. Äther in allen Verhältnissen, läßt sich leicht entzünden u. brennt mit weißer, rußender Flamme; auf Papier bildet es Ölflecken, die beim Erwärmen vollständig wieder verschwinden. Die B. ist nur als Hydrat bekannt, außerdem bildet sie noch ein zweites Hydrat von der Formel C10H9O3, 3 HO, für sich ist die B. ohne Zersetzung flüchtig; einige Salze, wie das Kalisalz, können ohne Zersetzung zerschmolzen werden, bei höherer Temperatur entweicht anfänglich B., dann erfolgt vollständige Zersetzung; die B. bildet neutrale u. saure Salze. Was die Constitution der B. anbelangt, so hält man die B. für die Oxydationsstufe des Valeryls. Wahrscheinlich ist sie zusammengesetzt aus Valyl (s.d.), Wasser u. wasserfreier Oxalsäure. Baldriansaure Salze: a) Kalisalz, KO, C10H9O3, ein nicht krystallisirbares, zerfließliches, in Wasser u. Weingeist leicht lösliches Salz, wird direct durch Sättigen der Säure mit kohlensaurem Kali dargestellt; b) Natrosalz C10H9O3 + NaO, krystallisirt bei 32° aus der Lösung blumenkohlartig; ein zerfließliches, in Weingeistleicht lösliches Salz; bei 140° schmilzt es zu einer wasserhellen Flüssigkeit, ohne Säure zu verlieren, welche nach dem Erkalten zu einer weißen festen Masse erstarrt; c) Barytsalz, C10H9O3 + BaO, krystallisirt in durchsichtigen glänzenden, leicht zerreiblichen Prismen u. Säulen, welche bei 20–25° verwittern, sich in 2 Theilen Wasser bei 15° u. bei 20° in gleichen Theilen lösen; d) Kalksalz, C10H9O3 + CaO, bildet kleine, sternförmig gruppirte, nicht zerfließliche Prismen, die in warmer Luft verwittern, sich leicht in Wasser, aber schwer in Alkohol lösen, bei 140° wird es unter Säureverlust flüssig u. zersetzt sich bei höherer Temperatur; e) Thonerdesalz, 3 (C10H9O3) + Al2O3, wird durch Vermischen einer Lösung von baldriansaurem Kali mit einer Thonerdelösung erhalten; ist in kaltem u. siedendem Wasser kaum löslich u. hat nach dem Erkalten das Aussehen von erstarrtem Talg; f) Silbersalz, C10H9O3 + AgO, durch Vermischen einer Lösung von baldriansaurem Kali mit salpetersaurem Silberoxyd erhalten, erscheint als weißer, käsiger Niederschlag; aus der Lösung in heißem Wasser scheidet es sich beim Erkalten in schönen, weißen Blättchen aus, die in kaltem Wasser nur wenig löslich wird u. am Licht schnell geschwärzt werden; g) Bleisalz, C10H9O3 + 3 PbO; B. wird mit überschüssigem Bleioxyd digerirt, die Masse mit Wasser ausgezogen u. die filtrirte Lösung im leeren Raum verdunstet; es bilden sich seine, glänzende Nadeln, welche kugelförmig vereinigt sind, nicht schmelzen, schwach nach B. riechen, sich wenig in Wasser lösen u. an der Luft Kohlensäure anziehen. Das neutrale Bleisalz, PbO + C10HaO3, bildet glänzende, blätterige, in Wasser leicht lösliche, an der Luft feucht werdende Krystalle. – Derivate der B.: a) Bichlor-B., C10H8Cl2O4, bildet sich, wenn in das Hydrat der B. bei abgehaltenem Sonnenlicht Chlorgas geleitet u. die Säure anfänglich stark abgekühlt wird; halbflüssig, durchsichtig, schwer, geruchlos, von scharfem, brennendem Geschmack, bildet mit Wasser eine sehr flüssige, fast geruchlose Verbindung, vereinigt sich mit Basen zu Salzen; b) Quadrichlor-B., C10H6Cl4O4, durch die Einwirkung des Chlors auf die vorige Säure im Sonnenlicht erhalten; halbflüssig, geruchlos, von scharf brennendem, etwas bitterem Geschmack, ziemlich leicht in Wasser löslich; wird die Säure aus dem Ammoniaksalz durch eine stärkere Säure abgeschieden, so erscheint sie ölartig u. besteht aus C10H6 Cl4O4 + 2 HO; diese wasserhaltige Säure zersetzt sich nach einiger Zeit unter Bildung von Chlorwasserstoffsäure u. ist nicht flüchtig; c) Hexachlor-Valerylchlorid, eine wahrscheinlich auch zu der B. gehörende Verbindung, welche erhalten wird, wenn Chloramyl der Einwirkung des Chlors im Sonnenlicht ausgesetzt wird.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 237-238.
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