Leim

[244] Leim, 1) klebrige Materie, welche zwischen zwei Gegenstände gestrichen, nach dem Erhärten dieselben an einander befestigt, daher so v.w. Kleister, Kitt; 2) thierische Gallerte, wird aus der in den leimgebenden Geweben sogenannten (bes. Zellgeweben, also Häuten, Sehnen, Knorpel etc.) vorhandenen stickstoffhaltigen Substanz gewonnen, welche im natürlichen Zustande weder in kaltem, noch in heißem Wasser löslich ist, durch anhaltendes Kochen mit Wasser aber eine chemische Veränderung erleidet u. dann (als L. od. thierische Gallerte) in kaltem Wasser stark aufquillt, in heißem aber sich zu einer fadenziehenden, klebrigen Masse löst, welche beim Erkalten zu einer zitternden Gallerte gesteht. In trockenem Zustande ist der L. in dünnen Schichten durchscheinend u. spröde wie Glas. Er ist chemisch verschieden, je nach dem organischen Gewebe, aus dem er gewonnen wurde, u. man unterscheidet in diesem Sinne: a) Knochenleim (Colla, Glutin) aus Knochen, verknöcherten Knorpeln, Sehnen, Lederhaut (vgl. Glutin 2); Stickstoffgehalt 18 Proc.; außerdem schwefelhaltig. Durch anhaltendes Kochen mit Wasser erleidet L. eine Veränderung, welche sich dadurch äußert, daß er seine Eigenschaft zu gelatiniren eingebüßt hat. Aus wässeriger Leimlösung schlägt Chlor eine weiße, zähe, in der Wärme viel chlorige Säure abgebende u. zu einem weißen, geruchlosen Körper = 4C13H10NO5 + ClO3, aus dem sich der L. wieder abscheiden läßt, werdende Substanz nieder. Zugleich entsteht noch eine andere gummiartige, chlorhaltige Substanz; wird L. mit concentrirter Schwefelsäure übergossen, so löst er sich zu einer klaren Flüssigkeit auf; wird diese Flüssigkeit mit Wasser verdünnt, mehrere Stunden lang gekocht u. hierauf mit Kreide neutralisirt, so erhält man beim Abdampfen einen Syrup, aus welchem sich bei längerem Stehen Glykokoll Leimsüß od. Leimzucker) s. Glykokoll) ausscheidet u. zu gleicher Zeit Leucin (s.d.) bildet. Beim Kochen mit ätzenden Alkalien liefert der L. neben anderen Producten Ammoniak, Glykokoll u. Leucin; durch Behandeln des L-s mit oxydirenden Mitteln, wie mit Braunstein u. verdünnter Schwefelsäure od. Schwefelsäure u. zweifachchromsaurem Kali, erhält man Benzoë-, Ameisen-, Essig-, Butter-, Valerian-, Blausäure u. Valeronitril. Bei der trockenen Destillation liefert der L. die nämlichen Producte, wie die übrigen Thierstoffe, nämlich Wasser, kohlensaures Ammoniak, ölartige organische Basen (Auitin, Petinin u. Picolin), Brandöle, Brandharze, Blausäure u. verschiedene Gase. b) Knorpelleim (Chondrin), aus nicht verknöchernden od. wenigstens noch nicht verknöcherten Knorpeln u. elastischen Geweben gewonnen; Stickstoffgehalt 14 Proc.; hierdurch unterscheidet er sich von dem vorigen u. außerdem bes. noch dadurch, daß er schon in der Kälte von Alaun, schwefelsaurer Thonerde, essigsaurem Blei, schwefelsaurem Eisenoxyd gefällt wird u. Essigsäure im Überschuß die Niederschläge nicht anflöst, s. Chondrin.

Der L. wird benutzt als Klebmittel, bes. von Holz- u. Papparbeitern, zur Bereitung des Englischen Pflasters, zum Schönen des Weines, zum Appretiren baumwollener Zeuge etc. Die Güte des L-s läßt sich nach äußeren Merkmalen beurtheilen; guter L. soll lichtgelb gefärbt, ohne Flecken, klar u. glänzend, vollkommen trocken, hart u. spröde, auf dem Bruch aber glasartig sein, in kaltem Wasser selbst nach einigen Tagen nur aufquellen, in heißem sich nur langsam lösen. Wenn man ihn in kaltes (12° R.) Wasser legt, so hat er in einiger Zeit (24 Stunden) 3–10 Proc. seines Gewichts an Wasser aufgenommen; je mehr, desto besser; denn desto ergiebiger ist er; je consistenter u. elastischer er in diesem Zustande ist, desto besser bindet er. Man unterscheidet nach Farbe u. Güte verschiedene Sorten, der beste, weißeste, aber auch theuerste L. ist der Fischleim od. die Hausenblase. Der Tischlerleim (Hornleim) wird aus thierischen Substanzen bereitet, die viel Gallertstoff enthalten, bes. von den Flechsen, welche die Caviller zu diesem Behufe sammeln, dem Felle, den häutigen Theilen u. den Knochen; daher nimmt man auch die Abgänge von Häuten, Leder u. Pergament dazu. Werden die letzteren allein zum L. versotten, so erhält man Lederleim u. den schönen, fast farblosen, bei feineren Buchbinderarbeiten verwendeten Pergamentleim, welcher von den Malern zu Leimfarben benutzt wird. Der gelbe L., z.B. der kölnische, von Gerbereiabgängen, ist besser als der braune. Der holländische od. niederländische L. wird bes. wegen seiner reinlichen Zubereitung geschätzt. Der englische L. ist sehr stark, er wird bes. auch aus Häuten, Sehnen u. Knorpeln von großen Fischen u. Seethieren bereitet. Den Mundleim erhält man aus einem guten, wenig riechenden L-e durch Zusatz eines gleichen Gewichtes Hutzucker u. einiger Tropfen eines wohlriechenden Öles; er ist schon in kaltem Wasser löslich, läßt sich durch Befeuchten mit der Zunge erweichen u. wird bei Papparbeiten verwendet. Den sogenannten flüssigen L., welcher beim Erkalten nicht fest wird u. zugleich der Fäulniß gut widersteht, erhält man, wenn man gewöhnlichen L. mit dem gleichen Gewichte Wasser kocht, dann 5–12 Proc. Scheidewasser od. starke Salpetersäure unter Umrühren zusetzt u. einkocht; dieser L. bindet aber ebenfalls weniger gut. Einen sehr festen L. bekommt man, wenn man den trockenen L. in Wasser auflöst, das Wasser abgießt u. den Rückstand mit Branntwein zusammenknetet. Auch durch Zusatz erdartiger, pulveriger Körper kann man die Bindekraft u. Zähigkeit des L-s erhöhen, z.B. durch Einrühren seingemahlener Kreide in den gekochten L. (Kreide- [244] leim), od. durch Zinkoxyd od. durch schwefelsaures Bleioxyd u. Kreide, zusammen 4–8 Proc. (russischer L., undurchsichtig weiß); durch Zusatz von Chromgelb erhält man einen gelben L. Einen Holzleim, welcher das Wasser nicht durchdringen läßt, bekommt man, wenn man Leinölfirniß in den heißen, nicht zu dünnen L. einrührt. Jefferies erfand 1842 den Marineleim (Schiffsleim, Marine glue); dieser besteht aus Kautschuk, gepulverten Austerschalen, Wasser u. einigen anderen Ingredienzen, bestimmt, den Kautschuk aufzulösen. Kugeln damit geleimt, werden zu einer großen Höhe mit doppelter Ladung aus Mörsern geworfen, ja selbst aus Haubitzen gegen die Erde abgeschossen, ohne aus den Fugen zu gehen. Mittelst Marineleim sollen Dampfschiffe ganz aus Holz gebaut werden können.

Bei der Verfertigung des L-s (Leimsieden) werden die animalischen Theile, je nachdem mehr od. weniger fette u. fleischige Theile noch damit verbunden sind, längere od. kürzere Zeit in einen Kalkäscher gebracht, zugleich zum Schutz gegen Fäulniß u. zur Vorbereitung für das Kochen; sind sie gehörig vorbereitet, so werden sie getrocknet u. dann in einem flachen, kupfernen Kessel, in welchem sie durch einen zweiten, siebartigen Boden gegen das Anbrennen geschützt sind, unter Umrühren einige Stunden mit Wasser gesotten, wobei man das etwa obenauf schwimmende Fett abschäumt. Sobald eine Probe in wenigen Minuten zu einer consistenten Gallerte erstarrt, so wird das Feuer ausgelöscht u. die Leimbrühe nach 1/4 Stunde in einen tiefen, mit warmem Wasser umgebenen Kessel abgelassen; sie klärt sich darin u. wird nach einigen Stunden in Formen gefüllt, in denen sie zur Gallerte erstarrt. Am nächsten Morgen werden die Gallertstücke aus den Formen gelöst, mit einer Metallsaite in dünne Scheiben von gleicher Größe geschnitten u. diese auf Horden von Bindfaden an einem schattigen, lustigen u. nicht zu warmen Orte getrocknet. Nach dem Trockenen taucht man endlich die Tafeln in frisches Wasser u. bürstet sie mit einer ebenfalls in frisches Wasser getauchten Bürste, damit die Oberfläche Glanz erhält. Bei der Leimfabrikation aus Knochen werden diese erst in Wasser in offenen od. geschlossenen Gefäßen ausgekocht, um das Fett abschöpfen zu können; darauf legt man die Knochen in Salzsäure von 22° B., mit der sechsfachen Menge Wasser verdünnt; nach 10 bis 12 Tagen ist der phosphorische Kalk der Knochen gelöst, die Leimsubstanz bleibt zurück u. wird in Weidenkörben in fließendem Wasser ausgelaugt, darauf kocht man sie, gießt sie in Formen u. behandelt sie so weiter, wie die aus Lederabfällen gewonnene Gallerte. Das Leimsieden betreiben bisweilen die Weißgerber als Nebenwerk. Doch gibt es auch besondere Leimsieder, die ihr Geschäft in Leimsiederhütten betreiben, welche wegen des übeln Geruchs, der darin herrscht, entfernt von Städten u. Dörfern angelegt werden müssen. Über die Anwendung des L-s beim Leimen, s.d. Als Dünger wirken die Leimsiederabfälle außerordentlich, die Wirkungen verschwinden aber bald wieder. Man bildet davon runde Massen von 25–50 Pfund u. verwendet davon 25–40 Stück auf den Hectar. Zum Leimen des Papiers in der Bütte fertigen sich die Papiermacher den L. aus verschiedenen billigen Rohmaterialien, z.B. Abfällen der Gerberei, enthaarten Hasenbälgen etc. u. versetzen ihn mit Alaun; beim Leimen im Holländer benutzt man vegetabilischen L., d. h. Wachs-, Harz- od. Talgseife mit Alaun. Der L. der Vergolder wird aus Aalhäuten gesotten u. mitetwas Eiweiß vermischt, womit der zu vergoldende Gegenstand, namentlich hölzerne Rahmen mit Verzierungen u. dergl., bestrichen wird; 3) (Seifenleim), durchsichtige, syrupartige Auflösung der beim Seifensieden aus dem Fette gebildeten Seife in dem Wasser der Lauge, in welcher eben das Fett verseift wurde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 244-245.
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