Bobbinnet

[933] Bobbinnet (engl. von Bobbin Spule u. net Netz), englischer Tüll, zierliches Gewebe, ähnlich dem geklöppelten Spitzengrund, aber mittels Maschinen fabrikmäßig erzeugt viel wohlfeiler als dieser. Das Gewebe bildet sechseckige, durch Verschlingung der Fäden hervorgebrachte Maschen u. construirt sich aus drei Fädenabtheilungen, von denen die eine in geschlängelten Linien in der Längenrichtung des Stückes läuft, die anderen beiden, die eine von rechts, die andere von links, die Längenfäden in schräger Richtung sie umschlingend durchkreuzen. Man verwendet zu B. zweifädig gezwirntes, in Gasflamme glatt abgesengtes Baumwollengarn u. nimmt zum Einschuß etwas feineres Gewebe als zur Kette. Die Verfertigung des Gewebes auf dem Bobbinnetstuhl unterscheidet sich vom eigentlichen Weben wesentlich dadurch, daß nicht, wie bei diesem, durch die getheilte Kette (Sprung) ein Schütze mit dem Schußfaden von einer Sahlleiste zur andern, also über die ganze Breite des Gewebes geworfen wird, sondern daß jeder Kettenfaden auch einen ihm beigehörigen Schußfaden zur Seite hat, welcher auf einem dünnen Scheibchen (Bobbin) gewickelt ist. Dieses dreht sich in einer kleinen Platte (Schlitten, Carriage), gibt dadurch den Faden ab u. läßt sich durch die Kette auf kleinen bogenförmigen Eisenbahnen, Riegeln, schieben. Jede der zwei Reihen von Riegeln nennt man Kamm. Zu 4000 Kettenfäden (einer Breite von 5 Ellen Zeug) gehören auch 4000 Spuhlen mit Schußfäden, welche die Kettenfäden umschlingen, sich kreuzen u. somit das Gewebe bilden. Später hat man den Petinet- u. Jacquard-Mechanismus mit dem des B. in Verbindung gebracht, wodurch es möglich wird, verschiedene Muster in den Grund zu wirken. Der B-stuhl wird theils durch Hand u. Fuß des Arbeiters, theils rotirend durch Dampfkraft bewegt. Der B-stuhl wurde von einigen Arbeitern erfunden, aber erst 1809 von John Heathcoat mechanisch ausgebildet. Von ihm u. anderen, Morlay, S. Mart, Turton. allmählig verbessert, erhielt er durch Heathcoat 1818 die drehende Bewegung u. die Maschinen konnten nun mit Dampf getrieben werden. Die Einrichtung der Bobbinnetmaschinen ist complicirter als die jeder anderen technischen Maschine. Gute Maschinen weben in einer Stunde etwa 20 Racks, d.h. eine Länge von 2.,0 Querreihen Maschen, wenn man die größte Schnelligkeit anwendet. Da dies aber der raschen Abnutzung wegen nicht geschieht, so kann man 71/2 Rack od. 11/2 preußische Ellen bei mittelbreitem (3 bis 31/2 Ellen) Gewebe auf die Stunde rechnen. Aus der großen Schnelligkeit der Fabrikation erklärt sich der billige Preis des Stoffes. Die Bobbinnetmanufactur wird vornehmlich in England, dann auch in Frankreich u. Belgien betrieben. Der Versuch, diese Manufactur in Sachsen einzuführen, mißlang, da die Fabrikanten mit der Maschinenverbesserung in England nicht gleichen Schritt halten konnten u. der Concurrenz unterlagen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 933.
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