Camĕra obscura

[598] Camĕra obscura (lat., d.i. Finstere Kammer), Vorkehrung, durch welche sich äußere Gesichtsgegenstände in einem dunkeln Raum auf einer bestimmten Fläche farbig darstellen. a) Die Einfache (Optische) C. o. wird erhalten, indem man in einem ganz. verfinsterten Zimmer durch eine ganz kleine runde Öffnung die Strahlen von äußeren erhellten Gegenständen auf eine, jener Öffnung gerade entgegengestellte, weiße Fläche fallen läßt. Es stellen sich dann jene Gegenstände (feste, wie bewegliche) in umgekehrter Stellung u. auf entgegengesetzter Seite dar. Denkt man sich nämlich außerhalb des Zimmers einen leuchtenden Punkt, so werden alle von ihm ausgehenden Lichtstrahlen durch die Wand abgehalten, bis auf ein der Öffnung entsprechendes, scharf begrenztes kleines Strahlenbündel, welches in das Zimmer eindringt u. einen bestimmten Fleck auf der dunkeln Wand erleuchtet. Sind nun verschiedene u. verschiedenfarbig leuchtende Punkte vor dem Zimmer, so erleuchtet jeder einen anderen Fleck auf der inneren Wand, u. diese Flecke besitzen die ähnliche gegenseitige Lage, sowie die gleichen Farben, als die leuchtenden Punkte, von denen sie herstammen. Es entsteht somit ein Bild der äußeren Gegenstände, welches jedoch die verkehrte Lage hat, weil die Lichtbündel in der Öffnung der Wand ihren Kreuzungspunkt haben. Je größer die Öffnung gemacht wird, desto umfänglicher ist jedes Lichtbündel, desto mehr decken sich also die von verschiedenen Punkten stammenden erleuchteten Flecke u. machen sich gegenseitig undeutlich. Es verschwindet daher das Bild völlig, wenn die Öffnung einen ansehnlichen Durchmesser erhält. Dieser Übelstand wird vermieden bei der von Porta um die Mitte des 17. Jahrh. erfundenen b) Dioptrischen, meist tragbaren C. o., bei welcher vor das verhältnißmäßig große Loch eine convexe Linse gesetzt ist, welche die sämmtlichen von Einem Punkte aus einfallenden Lichtstrahlen auf Einen Punkt der Wand vereint, so daß ein lebhaftes verkleinertes Bild entsteht. Nach einer vollkommeneren Einrichtung, bei welcher man die reflectirten Gegenstände nicht verkehrt, sondern aufrecht erblickt, besteht die C. o. gewöhnlich aus einem inwendig schwarz angestrichenen Kasten, vor welchem ein verschiebbares convexes Glas angebracht ist, welches die von den äußeren Objecten kommenden Lichtstrahlen so bricht, daß sie, nachdem sie von einem unter 45° geneigten Spiegel nach oben reflectirt worden sind, auf einem mattgeschliffenen Glase ein deutliches Bild hervorbringen. Das von oben u. den Seiten herkommende Licht, welches das Bild undeutlich machen würde, wird durch Bretchen abgeblendet. Legt man auf die Glastafel ein weißes Papier, so kann man auf diesem die Umrisse des Bildes nach fahren u. eine Copie des Gegenstandes fertigen. Nach einer anderen Einrichtung ist der Linseneinsatz an der oberen Seite des Kastens angebracht u. an seiner Fassung außen ein um 45° geneigter Spiegel befestigt, welcher der Linse die Strahlen zuwirft; so entsteht auf dem Boden des Kastens ein sehr deutliches Bild, u. es ist nur nöthig, für den Kopf u. Arm des Zeichners in den Seiten Öffnungen anzubringen. Bei einer guten C. o., wie sie z.B. zur Fertigung Daguerrescher Lichtbilder erforderlich ist, muß die Linse achromatisch sein. Macht man bei der zweiten der genannten Einrichtungen aus dem Kasten ein kleines Haus, das mehrere Personen faßt, u. faßt das Bild auf einem weißen, meist horizontalen Grunde auf, so erhält man eine C. o. im Großen, die jedoch mehr zum Schauen, als zum Abzeichnen der reflectirten Gegenstände dienen kann. Bei Chevaliers Einrichtung wird Converglas u. Spiegel durch ein an der Vorderseite, welche das Bild aufnimmt, convex, an der Hypotenuse (die den Spiegel darstellt) plan u. an der Unter- od. Ausfallseite concav geschliffenes Prisma ersetzt. Zum Landschaftszeichnen dient natürlich am besten eine C. o., bei welcher das Bild von unten her auf das Papier fällt. Eine andere Modification einer tragbaren C. o. ist die als c) Camera clara bezeichnete, von Rheinthaler zuerst angegebene Vorkehrung. In dieser wird das, wie in einer gewöhnlichen C. o. durch ein convexés Glas einfallende u. durch einen Planspiegel reflectirte Bild, statt solches von einer Fläche aufzufassen, durch ein zweites convexes Glas von außen, u. zwar von oben beschaut. Wegen großer Öffnung der Gläser erscheinen die Gegenstände hier sehr licht u. hell. Eine andere Vorkehrung ist die durch Wollaston bekannt gemachte (durch Lüdike verbesserte) Camera lucĭda. Sie besteht aus einem vierseitigen, etwa 1 Zoll langen Prisma; zwei Seiten desselben, etwa 1/2 Zoll breit, bilden einen rechten Winkel, die beiden anderen einen stumpfen, von den beiden ersteren ist die erste dem Object zugewendet, die zweite nach oben gelehrt, die beiden letzteren liegen nach unten. Nun erfahren die Lichtstrahlen, welche durch die erste Seite des Prismas eindringen, an den beiden den stumpfen Winkel bildenden, zweimal eine totale Reflexion u. gelangen so ziemlich rechtwinkelig an den äußeren Rand der obersten Seite; dort befindet sich das Auge des Zeichners, welcher somit das Bild des Gegenstandes nach unten auf einer horizontalen Fläche zu sehen glaubt. Wenn dieser nun mit der Hälfte der Pupille an dem Prisma vorübersieht, so kann er zugleich mit dem Bilde eine Bleistiftspitze sehen, mit welcher er auf der horizontalen Fläche das Bild nachzeichnet. Bei großer Nähe des Gegenstandes werden unausweichliche Verschiebungen zu sichtbar u. gilt es daher stets, diese Copiermaschine unter dem richtigen Augen- u. Distanzpunkte anzuwenden. Das vierseitige Prisma kann auch durch ein etwa 1/6 Zoll langes, elliptisches, um 45° geneigtes Metallsviegelchen (den Sömmeringschen Spiegel) ersetzt werden.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 598.
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