Candĭa

[629] Candĭa (Gesch.). C-s Urbewohner, nichthellenischer Herkunft, hießen Eteokretes, von denen die Kydonier eine Abtheilung waren, u. zu denen Dorier, Achäer, Pelasger u. aus Phrygien Kureten (s.d.), daher C. auch Kuretis hieß, einwanderten. Als ältester Beherrscher der Insel wird Kres, Sohn des Jupiter u. der Idäa, genannt; er entwilderte die Einwohner, traf viele nützliche Einrichtungen u. erbaute Knossos; nach ihm soll die Insel Kreta genannt worden sein. Später, um 1500, regierte Apteras. Die Dorier führte Tektamos (Tektaphos), Sohn des Doros, aus Hestiäotis nach der NOKüste C-s u. wurde ihr König. Ihm folgte sein Sohn Asterios, nach welchem C. auch Asteris hieß u. welcher die Europa heirathete; deren u. des Zeus Söhnen, Minos I., Rhadamanthos u. Sarpedon (s.d. a.), hinterließ er das Reich (um 1400). Des Minos Sohn war Deukalion; jenes Enkel u. Sohn des Lykastes Minos II. (s.d.), der berühmte Gesetzgeber (s.u. Kreta), nach welchem die Insel auch Minois hieß u. welcher Athen (s.d. [Gesch.] I.) bekriegte u. tributbar machte. Von diesem Tribute befreite Theseus (s.d.) sein Vaterland. Ihm folgte sein Sohn Katreus. Zur Zeit des Trojanischen Krieges regierte Idomeneus auf C., welcher Theil an dem Kriege nahm. Um 1400 war Etearches Beherrscher der Insel. Nach dessen Tode entstanden eine große Anzahl Republiken, die durch neue Einwanderer von dorischen Lacedämoniern, Archivern u. Athenern verstarkt wurden. Nach mehreren Reibungen der Republiken unter einander brachten Knossos u. Gortyna die übrigen in Abhängigkeit; nur Kydonia behauptete sich neben ihnen. 422 v. Chr. nahmen die Lacedämonier für die Perser C. ein. Weil die Kreter den Seeräubern Vorschub leisteten u. den Mithridates mit Truppen unterstützt hatten, so nahmen die Römer Veranlassung, gegen C. zu ziehen. Der erste Versuch des M. Antonius verunglückte; aber Metellus eroberte 69 v. Chr. die Insel u. erhielt den Beinamen Creticus. C. blieb nun römische Provinz, wurde von Augustus mit der Provinz Kyrenaika in Afrika vereinigt u. dem Senate übergeben (wurde also Provincia proconsularis), durch Kaiser Constantin aber wieder davon getrennt u. zur eigenen Provinz mit einem Consularis gemacht. Bei der Trennung des Römischen Reichs blieb C. dem Oströmischen Reiche. Unter Michael dem Stammler legten hier die Sarazenen unter Omar 823 an der Stelle ihres verschanzten Lagers (Chandar) eine Stadt dieses Namens an, welchen die Griechen in C. verwandelten, u. da diese bald der wichtigste Ort des Landes wurde so erhielt die Insel davon in der Schiffersprache den Namen C. Der byzantinische Kaiser Nikephoros Phokas eroberte C. 962 von den Sarazenen wieder u. gab der Insel eigene Herren; der letzte war Bonifacius, Markgraf von Montferrat, der es 1204 an die Venetianer verkaufte. Diese ließen C. von einem Generalproveditor verwalten, unter welchem ein Herzog u. noch ein Proveditor stand. Die Candioten machten wiederholt Versuche zu Empörungen gegen dieselben. 1364 wollten sie Genueser einführen, die sie befreien sollten. 1645 begannen die Kriege mit den Türken. Die Malteser hatten eine türkische Sultanin aufgegriffen u. in einen candiotischen Hafen gebracht; der Kapudan Pascha, Jussuf, ein venetianischer Renegat, führte die Expedition, landete u. eroberte nach langer Belagerung Canea, 1647[629] auch Retimo; die Hauptstadt hielt sich u. die Türken verloren auch Alles wieder bis auf Canea. 1667 griffen die Türken die Insel aufs Neue an, aber erst 6. Septbr. 1669 nahmen sie die Stadt C. u. somit die Insel, die nun dem Türkischen Reiche einverleibt wurde. Über den Aufstand C-s 1828 in dem Griechischen Freiheitskriege u. wie durch den Londoner Beschluß C. unter türkischer Botmäßigkeit blieb, s.u. Griechischer Freiheitskampf. Nach dem Frieden 1830 besetzte Mehmed Ali, Vicekönig von Ägypten, C., das demselben vom Sultan als Entschädigung für die Kriegskosten bei Unterstützung im Griechischen Kriege überlassen war, u. 1833 wurde ihm C. förmlich übergeben. Die Candioten, von allerlei Volk, befanden sich unter dieser Herrschaft gut, u. ein Aufstand von 5000 Griechen 1835 wurde bald unterdrückt. Aber da in Folge des letzten Türkisch-ägyptischen Krieges C. 1841 wieder an das Türkische Reich kam, u. die Türken die Candioten sofort sehr übel behandelten, so machten Letztere einen Aufstand, worin sie von den Griechen, jedoch ohne ausdrückliche Bewilligung der Regierung, unterstützt wurden u. die Türken in ihren festen Plätzen belagerten. Aber sowohl diese Hülfe wurde ihnen bald entzogen, als auch die gehoffte Verwendung der Großmächte blieb aus, u. Tahir Pascha unterwarf, nach kurzer Gegenwehr der Candioten, die Insel noch 1841, s.u. Türkisches Reich. Vgl. Churmuzu, Κρητικά, Athen 1842.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 629-630.
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