Antonius

[579] Antonius. I. Römer: A) aus der Antonia gens. Die Antonia gens, ein altes, ausgebreitetes römisches Geschlecht, zerfällt in 2 Zweige: a) die patricische Familie mit dem Beinamen Merenda, zu dieser gehören: 1) Titus A. Merenda, der 450 v. Chr. Dictator war; 2) Aulus A. Merenda, 422 v. Chr. Trib. mil. cum consul. potest.; 3) Marcus A. Merenda, 334 Magister equit. unter dem Dictator P. Cornelius Rufinus; b) die (ursprünglich) plebejische Familie, deren Glieder durch den Triumvir M. Antonius (s. unten) in den Patricierstand erhoben wurden, weshalb sie auch gewöhnlich als Patricier aufgeführt werden. Der erste Consul aus dieser Familie war: 4) Marcus A. der Redner, geb. 143 v. Chr., ward Quästor in Asien u. Prätor mit dem Range eines Proconsuls, Consul 99 v. Chr., 97 Censor; wurde im Kriege zwischen Marius u. Sulla, wo er zu des Letzteren Partei gehörte, 87 v. Chr. ermordet u. sein Haupt auf der Rednerbühne aufgestellt; einer der berühmtesten alten römischen Redner, der sich frei von griechischem Wesen hielt. 5) Marcus A. Creticus, Sohn des Vorigen, erhielt 74 v. Chr. den Befehl gegen die Piraten im Mittelmeere, führte den Krieg aber sehr lässig u. st. auf Kreta. 6) Cajus A. Hybrida, Bruder des Vorigen, stand auf der Seite des Sulla, kehrte mit demselben aus Asien zurück u. plünderte Griechenland bei dieser Gelegenheit; er wurde 65 Prätor u. begünstigte insgeheim die Catilinarische Verschwörung; 64 wurde er mit Cicero Consul u. mußte gegen Catilina das Heer führen, aber weil er in den Engpässen von Pistoja eingeschlossen u. ihm die Flucht nach Gallien abgeschnitten war, übergab er den Oberbefehl seinem Legaten M. Petrejus u. ging dann in seine Provinz Macedonien, wo er unglücklich gegen die Dardaner u. Bastarner kämpfte, aber sich durch Erpressungen in der Provinz bereicherte. Deshalb u. wegen der Theilnahme an der Catilinarischen Verschwörung 59 v. Chr. angeklagt, wurde er verurtheilt u. lebte dann auf Kephalonia. 7) Marcus A. der Triumvir, Sohn von A. 5) u. der Julia, geb. 83 v. Chr., seinen Ruf als Jüngling befleckte er durch den Umgang mit Curio u. Clodius (s. b.). Unter dem Proconsul Gabinius befehligte er 58 v. Chr. die Reiterei im Syrichen Kriege gegen Aristobulus u. 55 v. Chr. in Ägypten zur Wiedereinsetzung des Königs Ptolemäos Auletes. Nachdem er nach seiner Rückkehr nach Rom sich nur kurze Zeit daselbst aufgehalten hatte, ging er im Jahr 54 zu Cäsar nach Gallien; im Jahr 50 wurde er Volkstribun, u. als solcher Anfangs 49 mit den cäsarischen Tribunen aus der Curie gewiesen, floh er, nachdem er gegen das Decret des Senats protestirt hatte, welches I. Cäsar zur Niederlegung seiner Ämter nöthigen wollte, in Cäsars Lager; er wurde von diesem zum Oberbefehlshaber in Italien ernannt, kämpfte 48 v. Chr. mit in der Schlacht bei Pharsalos u. kehrte dann nach Rom zurück, wo er die berüchtigte Fulvia, Wittwe des Clodius, heirathete. Obgleich aus Cäsars Gunst gefallen, blieb er doch steter Beförderer von dessen Planen, ward 44 v. Cor. dessen Mitconsul u. überreichte ihm kurz vor seiner Ermordung am Feste der Lupercalien das königliche Diadem; nur Brutus, der ihn für ein nützliches Werkzeug der Absichten seiner Partei hielt, rettete ihn vom Tode, aber A. verband sich mit Lepidus, Cäsars Legaten, reizte das Volk zur Rache Cäsars an seinen Mördern auf u. machte sich zum Haupt der Partei Cäsars. Octavian entfernte ihn dadurch aus Rom, daß er ihm die Statthalterschaft in Gallien erteilen ließ. Während er aber deshalb mit Decius Brutus in Krieg kam, hielt Cicero die berühmten Philippischen Reden gegen ihn, worauf der Senat ihn als Reichsfeind erklärte u. gegen ihn die Consuln Hirtius u. Pausa schickte, die ihn bei Mutina schlugen (43 v. Chr.). A. floh nach Gallien zu Lepidus, sammelte hier ein Heer, zog nach Italien, schloß mit Lepidus u. Octavian das [579] Triumvirat, schlug Brutus u. Cassius bei Philippi (42 v. Chr.) u. zog über Griechenland nach Kleinasien u. Ägypten, wo er sich in Kleopatra verliebte. Inzwischen war er mit Octavian zerfallen, doch versöhnte er sich wieder mit ihm u. nahm zur Besiegelung des Friedens dessen Schwester, Octavia, zur 3. Gemahlin. Zugleich wurde im Jahr 40 zu Brundisium das römische Reich zwischen den Triumvirn von Neuem getheilt, wobei A. den Orient bekam. Er kämpfte von 37–34, obgleich immer Schlachten gewinnend, Städte erobernd u. bis zur Hauptstadt Mediens vordringend, dennoch am Ende höchst unglücklich gegen die Parther, weshalb er sich endlich zurückziehen mußte. Es entstanden neue Mißverhältnisse zwischen ihm u. Octavian; A., der fortwährend Kleopatras Verehrer geblieben war, trennte sich jetzt auch öffentlich von der edeln Octavia; darauf wurde er von Rom aus seines Consulats u. seiner Statthalterschaft entsetzt u. an Ägypten der Krieg angekündigt. Er zog vor Actium, wurde dort im Jahr 31 geschlagen, floh nach Ägypten u. ermordete sich im Jahr 30 v. Chr. zu Alexandrien. Über das Alles s. ausführlich Rom (Gesch.) u. Ägypten (Gesch.). A. war ein schöner Mann, bis zur Verwegenheit tapfer u. nicht ohne Feldherrntalent, aber eitel, wollüstig, hochmüthig u. grausam. 8) Cajus A., Bruder des Vorigen, befehligte das Cäsarianische Heer auf der illyrischen Insel Curicta, 49 v. Chr. gegen die Pompejaner u. mußte sich, durch Hunger u. Verrath der Seinigen genöthigt, mit 15 Cohorten dem Feinde ergeben; im Jahre 44 ward ihm durch Senatsbeschluß die Provinz Macedonien übergeben, aber auch dort war er ohne Bedeutung für Cäsars Sache u. ward sogar nachher von Brutus gefangen u. hingerichtet. 9) Lucius A. Pietas, Bruder der 2 Vor., genannt der Asiatische Gladiator, nahm am Kriege seines Bruders in Asien Theil u. verfuhr als einer der Commissarien bei Vertheilung u. Schätzung der Ländereien mit größter Raubsucht. Im Bürgerkriege Octavians wüthendster Feind, versprach er den Italern, das Triumvirat gewaltsam zu trennen, verließ aber bei Octavians Ankunft Rom u. setzte sich in Perusia fest, mußte sich aber, nach mehreren Versuchen sich durchzuschlagen, durch Hunger genöthigt (im J. 40 v. Chr.) dem Octavian ergeben; er ward bei dem Frieden zwischen diesem u. seinem Bruder frei gegeben u. wurde Prätor in Spanien. 10) Marcus A. Antyllus, Sohn des Triumvirs von der Fulvia, sollte Ägypten bekommen, aber Octavian ließ ihn hinrichten; 11) Julius, Bruder des Vor., Consul 10 v. Chr.; 3 v. Chr. wegen Ehebruchs mit Julia, Octavians Tochter, u. zugleich angeklagt, daß er sich der Oberherrschaft habe bemächtigen wollen, zum Tode verurtheilt. 12) Lucius, Sohn des Vor., nach Massilia verwiesen, wo er 25 (26) n. Chr. st., mit ihm endigte das berühmte Geschlecht der Antonier. B) Andere Römer: 13) A. Natalis, römischer Ritter, Mitverschworener des Piso gegen Nero, wegen frühen Geständnisses begnadigt. 14) A. Novellus, unter Otho Anführer aufder Flotte gegen das Narbonensische Gallien (70 n. Chr.). 15) A. Becco, Feldherr des Vespasian, welcher den Cäcina in Cremona gefangen nahm, die Truppen des Vitellius vor Rom schlug u. Rom selbst für Vespasian in Besitz nahm. 16) Marcus A. Primus, aus Tolosa, geb. 24 n. Chr.; ward wegen eines, dem Domitius Balbus unterschobenen Testaments aus dem Senat gestoßen; diente dann unter Galba in Pannonien, dann für Otho gegen Vitellius, that viel für Vespasians Thronbesteigung, nahm Aquileja, schlug die Vitellianer bei Cremona u. eroberte Rom; durch Vespasians Eifersucht gekränkt, zog sich A. nach Tolosa zurück, wo er den Wissenschaften lebte u. 99 n. Chr. st. Der Dichter Martialis war sein Freund. Er schr. Mehreres (verloren).

II. Heilige: 18) Sct. A. (A. der Große, A. der Abt, A. von Theben), geb. 251 n. Chr. bei Herakleopolis in Mittelägypten, aus angesehener Familie; floh schon in seiner Jugend den geselligen Umgang, schenkte seine Habe den Armen u. lebte seit 285 als Einsiedler in ascetischen Übungen in der Ägyptischen Wüste; sammelte seit 305 Schüler um sich, erregte durch Lehren, Wundercuren u. Visionen Aufsehen u. stiftete 2 klösterliche, in Hütten lebende Vereine; suchte bei der Christenverfolgung unter Maximian (311) vergebens den Märtyrertod u. st. in der Nähe des Rothen Meeres 356. Tag: 17. Januar. Sein Körper ward nach Constantinopel, 980 vom Grafen Jocelin nach St. Didier la Mothe gebracht u. seine Reliquien sind gegen das Antoniusfeuer (s.d.) berühmt, so wie auch Bilder von ihm (Antoniusbilder) in Häusern aufgehängt, als Schutzmittel gegen Feuersbrünste gelten. Aus Dankbarkeit für eine solche Cur wurde der Antoniusorden (s.d. 2) gestiftet. Die Legende seiner Versuchung durch viele, allerhand verlockende u. erschreckende Gestalten annehmende Teufel, ist vielfach von Malern behandelt worden. Die ihm beigelegten Schriften, z.B. Epistolae VII ad fratres Arsenoitas, sind unecht. 19) St. A. von Padua, geb. zu Lissabon 1195, erst Augustiner, seit 1220 Franziscaner, Schüler des St. Franz von Assisi; unternahm 1221 eine Bekehrungsreise nach Afrika, ward nach Sicilien verschlagen, lebte da als Einsiedler, predigte mit großem Beifall in Italien u. Frankreich, so daß sogar die Fische seiner Predigt lauschten (Gegenstand vieler Gemälde); st. 1231 zu Padua u. wurde 1232 heilig gesprochen; Tag: 13. Juni od. 20. März. Er ist Schutzheiliger von Padua u. auch bes. in Portugal verehrt. In Rom wird ihm das Fest der Thierweihe (s.d.) gefeiert. Seine Predigten, eine mystische Erklärung der h. Schrift u. a. mit denen des St. Franz v. Assisi herausg. von la Haye, Antw. 1623.

III. Gelehrte u. Schriftsteller: 20) A. Diogenes, schrieb, wahrscheinlich unter Ptolemäos Philadelphos, einen griechischen Roman von der Liebe des Dinias u. der Derkyllis u. ihren Schicksalen auf Thule, wovon bei Photios ein Auszug. 21) A. Musa, Freigelassener u. Hausarzt des Kaisers Augustus, der denselben von einer Krankheit rettete, wofür ihn der Senat mit einer Statue u. ritterlicher Auszeichnung lohnte. Schr.: De compositione medicamentorum (verloren); zugeschrieben wird ihm: De betonica, herausgeg. von G. Humelberg mit Appulejus, Zür. 1537; ferner: Carmen de valetudine conservanda, in Marcellus Empiriens De medicamentis erhalten u. mit anderen Ärzten herausgeg.; Fragmenta, herausgeg. von Flor. Caldani, Bassano 1800. 22) A. Melissa, griechischer Schriftsteller des 8. Jahrh. (od. später), machte Auszüge (Έκλογαί) aus anderen Büchern, gewöhnlich mit Stobäos (s.d.) herausg. 23) A. Älius Nebrissensis aus Lebrija (sonst [580] Nebrissa), geb. 1444, auf italienischen Universitäten gebildet, gründete zu Sevilla eine Schule, lehrte an verschiedenen Orten Grammatik, Rhetorik etc., wurde Professor zu Alcala des Henares u. 1504 Historiograph Ferdinands des Kathol.; st. 1522. Mitarbeiter an der Complutensischen Bibelpolyglotte. Schr.: Dictionarium quadruplex, Alcala des Henares 1532, Fol.; Lexicon juris civilis, Antw. 1527; Lexicon artis medicamentariae, Alcala d. Hen. 1518; Quinquagena locorum S. Scripturae non vulgariter enarratorum, Paris 1520, Basel 1543 (in exegetischer Rücksicht vorzüglich merkwürdig, weil er sich an den Grundtext der Bibel hält). 24) A. de Ferrariis od. Galateus, geb. 1444 zu Galatina (Dorf in Neapel), Philosoph, Dichter, Geograph u. Leibarzt in Neapel, ging später nach Gallipolis; st. zu Lecce 1517; schr.: De situ Japygiae, Neapel 1624; Encomium podagrae u. m. a. 25) A. Nicolaus, geb. 1617 zu Sevilla, Benedictiner zu Sevilla; ging 1659 als Philipps IV. von Spanien Generalagent nach Rom, ward durch Papst Alexander VII. Kanonikus zu Sevilla, durch Karl II. Rath; st. 1684; schr.: Bibliotheca Hispana (nova), Rom 1672, 2 Bde., Fol., n. A. von A. Sanchez u. I. A. Pellicer, ebd. 1783 u. 88, Fol., 2 Bde.; Bibl. Hist. (vetus), Rom 1696, 2 Bde. 26) A. Amarius, so v.w. Barnes (Rob.). 27) A. Franz, s. Anthony.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 579-581.
Lizenz:
Faksimiles:
579 | 580 | 581
Kategorien:

Buchempfehlung

Musset, Alfred de

Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«

72 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon