[794] Kreta (a. Geogr.), größte griechische Insel, j. Candia (s.d.) od. Kirid, von Osten nach Westen etwa 36 geographische Meilen sich aussteckend (daher Makronesos [d. i. lange Insel] genannt) u.[794] von ungleicher Breite, 190 QM. groß u. sehr fruchtbar an Orangen, Oliven, Getreide, Baumwolle, Platanen, Ahorn, Eichen, Cypresse, Medicinalpflanzen, Honig, Eisen, Sandstein; in dem nach ihr genannten Kretischen Meere, einem Theile des Mittelmeeres; durchzogen von einer Gebirgskette, deren höchster, in der Mitte der Insel liegende Berg der Ida (s.d.) war; außerdem im Westen des Ida der Kadrisos, die Albi montes, hoch, fast das ganze Jahr mit Schnee bedeckt, mit den Zweigen Tityros, Kadistos, Diktynnäos, Korykos; im Osten des Ida der Argäos, Mons sacer u. Dikte (Diktäos); die vornehmsten Vorgebirge waren an der Nordküste von Westen nach Osten: Korykos, Psakon, Drepanon, Dion, Zephyrion, Ketia; an der Ostküste: Sammonion, Itanon, Ampelos; an der Südküste von Osten nach Westen: Erythräon, Matala, Hermäa, Kriumetopon; an der Westküste: Treton; die Flüsse waren nur klein, dazu gehörten der Jardanos, Pyknos, Oaxes, Amnisos, Käratos, Lethäos, Elektra, Massalia. An Städten u. Flecken war K. sehr reich, die bedeutendsten waren: Itanos, Leben, Phalasarna, Polyrrhenia, Lappa (Lampa), Kydonia, Gortyn, Phästos, Gnossos, Thenä, Pytna, Lyktos etc Die Hauptpunkte der Verfassung, welche dorisch u. deren Schöpfer der jüngere Minos (1280 v. Chr.) war, waren folgende: die Einwohner der einzelnen Gemeinden waren die unterworfenen Urbewohner; Hypekoen die tributbaren, freien Grundbesitzer, Mnoïtä Staatssklaven u. Aphamiotä od. Klarotä Privatsklaven; die herrschende Klasse bildeten die eingewanderten Dorier. Die Knaben wurden bis zum 17. Jahr zu Haus erzogen, dann traten sie in eine Agele, eine Genossenschaft, wobei sie gemeinschaftlich unter dem Agelates, dem Vater desjenigen Jünglings, welcher die einzelne Agele gestiftet hatte, lebten, in Jagd u. Spielen im Gymnasium (Dromos) sich übten; in der Agele blieb der junge Kreter bis zu seiner Verheirathung. Freie hatten allein Ansprüche auf Ämter u. Würden; Landeigenthum u. Steuern gehörten dem Staate, wovon für einen gemeinschaftlichen Unterhalt der Bürger (Andreia) gesorgt wurde. Anfangs standen Könige an der Spitze, nachher 10, jährlich aus den edelsten Geschlechtern gewählte Kosmoi, welche bes. auf die Erhaltung der Verfassung sahen u. sich mit 28 lebenslänglichen Gerontes (d.i. Mitglieder des Rathes [Gerusia, Bule]), in die Staatsverwaltung theilten; ihre gewöhnlichen Vorschläge erhielten durch die Bestätigung der Volksversammlung (Agora, Ekklesia), zu der alle eigentlichen Bürger gehörten, gesetzliche Kraft. Da die Bevölkerung eine gemischte war (s. Candia, Gesch.), so war auch der Cultus auf K. ein gemischter; in den dorischen Niederlassungen herrschte der Apollodienst, u. da Zeus auf K. erzogen worden sein sollte, so herrschte hier auch dessen Dienst. Die Sprache war früher eine gemischte, später sprach man den Dorischen Dialekt. Sonstige Sitten waren, daß man beim Essen saß; beim Tanz drehten sich Jünglinge u. Jungfrauen gemischt im Reihen; gerungen wurde nackt u. dabei auch Jungfrauen (aber keine Weiber) als Zuschauer zugelassen. Auf K. herrschte auch die Knabenliebe, aber edle u. unschuldige; der Liebhaber (Philetor) raubte seinen Geliebten, dessen Eltern er drei Tage vorher den bevorstehenden Raub meldete, dann führte er den Knaben mit sich ins Gebirg u. jagte mit ihm; nach höchstens zwei Monaten entließ ihn der Philetor wieder, beschenkt mit einem Rind (welches der Knabe dem Zeus opferte), einem Kriegskleid u. Becher. Fortan war Freundschaft auf immer zwischen ihnen, welche bes. im Kriege durch gegenseitigen Schutz u. Aufopferung bewiesen wurde. Einen solchen Philetor zu haben galt für ehrenvoll, u. ein so Geliebter hieß Kleinos. Zur Zeit der Ausartung galten übrigens die Kreter als Lügner u. faule Bäuche. Vgl. Meursius, Creta, Amst. 1675; K. Höck, Versuch zur Aufhellung der Mythologie u. Geschichte der Religion u. Verfassung Kretas, Gött. 182329, 3 Bde.
DamenConvLex-1834: Kreta · Kandia (Kreta)
Pierer-1857: Kreta [2]