Codification

[239] Codification (v. lat., Staatsw.), ein zunächst von I. Bentham (s.d.) erfundener Name für die Zusammenfassung aller einen gewissen Rechtstheil betreffenden Vorschriften in ein einziges systematisch gegliedertes Gesetz, ein Gesetzbuch. Wegen der den Einflüssen der Zeitverhältnisse mehr unterworfenen Wandelbarkeit von Verwaltungseinrichtungen denkt man dabei gewöhnlich nur an öffentliches u. Privatrecht; allein die C. läßt sich ebenso auch bei ersteren ausführen. Die C. ist seit dem Ende des vorigen Jahrhunders oft als das Ziel der ganzen Gesetzgebungskunst betrachtet worden, indem man vermeinte, durch Aufstellung eines umfassenden, geschriebenen Rechtes alle möglichen Zweifel u. Differenzen über das bestehende Recht u. dessen Anwendung abschneiden zu können. Um dies Ideal zu erreichen, hat man sogar zuweilen die ganze Rechtswissenschaft zum Opfer bringen wollen u. nach der Erlassung größerer Gesetzbücher jede Auslegung der Gesetze mit Herbeiziehung anderer Hülfsmittel als des Gesetzes selbst verbieten wollen. Daß Versuche dieser Art mißglücken mußten, liegt indessen auf der Hand, da sich das Recht seiner Natur nach weder für ewige Zeiten unwandelbar feststellen läßt, noch auch dem scharfsinnigsten Gesetzgeber es je gelingen wird, nur das gerade geltende Recht ganz vollständig u. mit Berücksichtigung aller möglichen Fälle in geschriebene Worte zu bannen. Die C. wird daher nur da ihren Zweck erfüllen, wo sie sich bemüht, die geltenden Rechtsnormen zu größerer Klarheit, Schärfe u. Consequenz zu erheben, indem sie die vielleicht nur auf Gewohnheit beruhenden Sätze in bestimmte Worte faßt, die zerstreuten sammelt u. sichtet, auch im Einzelnen dann bessert u. nachhilft; dagegen hat sie oft auch einen entschieden schädlichen Einfluß da geübt, wo man die stete Fortbildung des Rechtes dabei außer Acht ließ, in dem Streben, das absolut Beste zu leisten, die hergebrachten Rechtsüberzeugungen gering achtete u. dadurch das geltende Recht in ein bedenkliches Schwanken brachte. Die natürliche Folge solcher C-en ist dann meist gerade das directe Gegentheil des Erstrebten gewesen, indem dem neuen Gesetzbuch dann schnell eine Menge von abändernden u. ergänzenden Nachträgen (Novellen) gefolgt ist. Die neuere Zeit war dem Streben nach C. auf fast allen Rechtsgebieten sehr geneigt. Auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts gehören dahin die Verfassungsurkunden, auf dem Gebiete des Privatrechts die neuen Civilgesetzbücher, Hypotheken-, Vormundschafts-, Wechselordnungen, Handelsgesetzbücher, Proceßordnungen etc., auf dem Gebiete des Strafrechts die neuen Criminalgesetzbücher u. Strafproceßordnungen. Indessen hat man dabei die Ansicht, daß das Recht sich durch eine solche C. erschöpfen lasse, mehr u. mehr aufgegeben. Eine allgemeine Regel ist deshalb geworden, sich möglichst auf die Feststellung der Grundlinien zu beschränken u. der Rechtswissenschaft die weitere Ausbildung zu überlassen, da das entgegengesetzte Streben nach Aufstellung eines möglichst speciellen allumfassenden Gesetzbuches, wie erz.B. bei den preußischen Gesetzbüchern zu Grunde lag, sich keineswegs bewährt hat. Als ein Muster der C. kann in dieser Beziehung das österreichische u. französische Civilgesetzbuch gelten.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 239.
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