Durazzo [1]

[415] Durazzo (von den Türken Dratsch, von den Slawen Durtz genannt), 1) Stadt an der gleichnamigen weiten Bucht des Adriatischen Meeres, im oberalbanischen Bezirk Kajawa des Sandschaks Skutari (Skodra) in der Europäischen Türkei, griechischer Erzbischof, römisch-katholischer Bischof, fester, aber in neuester Zeit versandeter Hafen; von einer jetzt ziemlich verfallenen Mauer umgeben, byzantinische Citadelle, jetzt Ruine; Gerbereien (Saffian), Handel mit Holz, Tabak, Öl, Tüchern. Der sich unterhalb der Festungswerke ausbreitende, gewerb- u. handeltreibende Stadttheil führt den Namen Warosch; 9000 (meist katholische) Einw. 2) (Gesch.). D., bei den Alten Epidamnos, war eine Colonie von Korinthern u. Korkyräern u. 627 v. Chr. unter Führung des Herakliden Phalios angelegt, anfangs mit aristokratischer Verfassung, dann mit einer demokratischen Bule, doch blieb ein Archont an der Spitze der Regierung; 437 entstand zwischen den Demokraten u. Machthabern ein Streit, worin die Korinther den Ersteren halfen, u. dieser Streit war Veranlassung zum Peloponnesischen Kriege (s.d.). Als Landungsplatz der aus Italien nach Macedonien Schiffenden war D. früh eine große u. wichtige Stadt. Wichtiger wurde sie noch, seitdem die Bürger aus Furcht vor dem neu entstandenen Reiche Illyrien sich den Römern in die Arme warfen, die hierher eine Legion u. Besatzungsflotte legten u. die Stadt Dyrrhachion nach der Halbinsel, worauf sie lag, nannten. Nach Andern war Dyrrhachion der eigentlich alte Ort, von Dyrrhachios, Sohn des Poseidon u. der Melissa, gegründet u. Epidamnos wurde von den korinthisch-korkyräischen Colonisten in einiger Entfernung angelegt, u. allerdings finden sich jetzt noch Spuren von 2 Städten. Im Bürgerkrieg war D. Hauptwaffenplatz des Pompejus, u. 49 v. Chr. belagerte ihn hier Cäsar; da aber die beiden Gallier Roscillus u. Ägus zu Pompejus übergingen u. demselben die schwachen Stellen des Cäsarischen-Lagers verriethen, wurde Cäsar zweimal hier geschlagen. Seine höchste Blüthe erreichte D., als es zu Ende des 4. Jahrh. n. Chr. Hauptstadt der Provinz Epirus nova wurde; deshalb war es auch lange der Zankapfel zwischen Griechen, Bulgaren u. Serbiern. Endlich beim Oströmischen Reiche geblieben, wurde es dessen wichtigste Festung im Westen. Michael Dukas gab D. dem Nikephoros Bryennios als ein Herzogthum; Nikephoros griff von da aus die benachbarten Slawen oft an u. sagte auch endlich dein Kaiser den Gehorsam auf; gefangen, wurde er vom Kaiser Nikephoros Botoniates geblendet u. ihm Nikephoros Bakilakios zum Nachfolger gegeben; auch dieser empörte sich gegen den Kaiser u. ward 1079 ebenfalls geblendet. 1081 wurde D. von Robert Guiscard belagert u. nach der Schlacht bei D. am 18. Oct. eingenommen. Nach Roberts Tode kam D. wieder an die Byzantiner; 1108 wurde es von Boemund erobert; 1185 vom König Wilhelm dem Guten von Sicilien genommen, aber dann wieder an das Byzantinische Reich abgetreten. 1205, bei der Theilung des Byzantinischen Reiches, kam D. an die Venetianer, denen die Stadt aber bald wieder von den Epirern entrissen wurde. 1273 von einem Erdbeben zerstört, wurde es von Albanesern aufgebaut u. stand im 14. Jahrh. unter einem serbischen Prinzen. 1315 kam es als ein Herzogthum an den Fürsten Philipp von Tarent u. nach dessen Tode 1332 an seinen Bruder Johann; 1335 folgte diesem sein Sohn Karl, u. da dieser 1348 vom König Ludwig von Ungarn ermordet worden war, so erhielt seine Tochter Johanna das Herzogthum D. u. vermählte sich 1366 mit dem Prinzen Ludwig von Navarra. Als dieser 1372 starb, verkauften die Navarresen in D. die Stadt an den Grafen Georg Balsa von Zenta. Das Herzoggeschlecht von D. kam mit Karl III., einem Neffen des Herzogs Johann, 1381 auf den Thron von Neapel, u. seine Enkel von Ladislaus führten den Namen als Herzöge von D. noch fort. 1502 wurde D. von den Türken unter Muhammed-Bey erobert u. ist türkisch geblieben. Man findet hier viel Alterthümer. Wegen türkischer Verfolgungen mußte der lateinische Erzbischof seine Residenz nach Corbina verlegen. Alte Münzen von D. zeigen eine Kuh mit säugendem Kalbe im Gepräg.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 415.
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