[635] Nachtwandeln (Somnambulismus), eigner Lebenszustand, in welchen manche Personen, bes. in den Jugendjahren, periodisch versetzt werden, u. über dessen eigentliches Wesen allein die Erscheinungen des Thierischen Magnetismus einigen Aufschluß geben könnten. Der Nachtwandler nimmt, nachdem er einige Stunden geschlafen hat, ohne Erinnerung davon zu behalten od. mit nur dunkel nachbleibender Erinnerung, durch anscheinend willkürliche u. gewöhnliche Bewegungen, meist schweigend, Handlungen vor, die in sich Zusammenhang haben u. meist auf, im Leben gewohnte, od. auch neue Verhältnisse sich beziehen, aber damit nicht in nächster Verbindung stehen, sondern einen Kreis für sich bilden. Er steigt von seinem Lager auf, wandelt, bald mit offnen, aber nicht sehenden, gegen Lichtreiz unempfindlichen Augen, bald aber auch mit völlig verschlossenen Augenlidern, in beiden Fällen aber meist mit einer unerklärten, die Unthätigkeit des Auges ersetzenden, selbst im Dunkeln wirkenden Sehkraft begabt, umher, geht in den leichtesten Fällen blos im Zimmer auf u. abu. begibt sich, ohne eine gewisse Absicht verrathen zu haben, bald wieder ins Bett, od. er nimmt die complicirtesten Verrichtungen, u. zwar nicht nur solche, die er am Tage zu thun gewohnt war, sondern auch neue u. ungewöhnliche vor, bleibt dabei im Zimmer od. verläßt dieses, begibt sich sogar an gefährliche Orte, z.B. auf Dächer der Häuser, wo er jedoch alle Vorsicht anwendet, um nicht zu straucheln, od. sich zu beschädigen, u. auch gewöhnlich keinen Schaden erleidet; fügt dabei nicht leicht Jemand einen Nachtheil zu, wird aber auch bisweilen gewaltthätig. Am Ende des bald nur Minuten, bald mehre Stunden dauernden Anfalls begibt sich der Kranke wieder in's Bett u. verfällt in Schlaf. Die Rückkehr dieses Zustandes erfolgt entweder nur nach mehren Monaten od. ein- od. mehrmals in einem Monate, in schlimmern Fällen selbst mehrmals in einer Woche. Der Kranke zeigt überhaupt in Allem, was er betreibt, eine sehr große Bedachtsamkeit, aber oft auch eine unruhige Haft. Bisweilen ist die Thätigkeit desselben auf[635] bloßes Sprechen (Schlafreden), od. pathetische Vorträge beschränkt. Die Sinne sind entweder unempfindlich od., wie insbesondere das Gehör, nur für gewisse Wahrnehmungen (Rufen des Namens) empfänglich, od. unterliegen Täuschungen, wie bisweilen auch die Sehkraft. Wird er durch Anrufen, Schütteln u. dgl. aus seinem Schlafe erweckt, so nimmt er mit Befremden wahr, daß er sich außer seinem Bette befindet u. Handlungen verrichtet hat, von denen man ihm die Spur zeigt; ja, wenn er sich dabei noch an bedenklichen Orten od. in einer gefährlichen Lage befindet, wird er zaghaft u. kann dabei in wirkliche Gefahr kommen, zuverunglücken od. Schaden zu leiden. Meist tritt dieser Zustand bei zunehmendem Monde od. bei Vollmond ein; daher auch die gewöhnliche Bezeichnung des N-s als Mondsucht. Bei sehr großer Empfänglichkeit wird auch wohl ein Mensch im Wachen davon befallen, welcher Zustand selbst aber dann dadurch ein unterbrochener wird. Personen von lebhafter Einbildungskraft, welche häufig angeregt wird, so wie überhaupt mit nervoser Reizbarkeit begabte, sind dem N. vornehmlich unterworfen; daher verliert es sich gewöhnlich in spätern Jahren; zuweilen ist es erblich. Die Anfälle dürfen nicht füglich gewaltsam gehemmt werden.