Staatsrath

[638] Staatsrath, 1) in größeren Staaten eine dem Staatsoberhaupt zur Seite stehende berathende Behörde, welche im Allgemeinen die Bestimmung hat die Erzielung fester, gereifter u. übereinstimmender Grundsätze über die Staatsverwaltung zu erzielen u. neben den wechselnden Ministerien, welche die Chefs der Verwaltung sind, eine blos berathende Behörde ohne Verwaltungsbefugniß zu bilden. Eine besondere Wichtigkeit hat das Vorhandensein eines S-s in der absoluten Monarchie, indem derselbe dort zum großen Theil zugleich die Stellung einer Kammer übt u. eine Garantie dafür bietet, daß der absolute Monarch die Gesetze mindestens nach reiflicher Erwägung hervorragender Capacitäten erlasse. Aber auch in den constitutionellen Staaten bietet der S., ungeachtet der hier nothwendigen Genehmigung der Gesetze durch die Kammern u. der Verantwortlichkeit der Minister, mindestens eine verstärkte Sicherheit dafür, daß die Entwürfe der Gesetze u. Verordnungen nicht ohne genügende Überlegung u. unter Berücksichtigung aller einschlagenden Verhältnisse an die Kammern gelangen, so wie daß den wechselnden Parteiströmungen in den Ministerien u. Kammern eine festere Einsicht in die wahren Bedürfnisse des Staates zur Seite bleibe. Die Zusammensetzung des S-s ist daher darauf berechnet in demselben solche Kräfte zu vereinigen, welche sich durch umfassende Geschäftskenntniß, einen freien Überblick über die Gesetzgebung u. Verwaltung, so wie durch eine gesicherte, dem Parteigetriebe entrückte Lebensstellung auszeichnen. Über die Zusammensetzung der S-e in den einzelnen Ländern s. die bezüglichen Artikel. Die Hauptaufgabe des S-s besteht in der Begutachtung der Gesetzentwürfe u. sonstiger allgemeiner Normativen; indessen sieht es dem Monarchen frei auch andere Gegenstände dem S. zur Begutachtung zu überweisen, z.B. wenn sehr eingreifende Entschlüsse im Interesse der Staatssicherheit zu fassen, wichtige Streitfragen zu entscheiden sind. Zuweilen ist dem S. als. eine eigene Befugniß auch die Entscheidung von Competenzconflicten (s.d.) zwischen den einzelnen Ministerien zugewiesen. 2) Bloßer Titel für obere Staatsbeamte, namentlich vortragende Röthe in den Ministerien; 3) in Rußland ein bloßer Ehrentitel, wie in Deutschland z.B. Hofrath.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 638.
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