Verwaltung

[530] Verwaltung (Administratio), 1) die wirthschaftliche Fürsorge für ein Vermögen (s.d.); derjenige, welcher die V. ausübt, heißt Verwalter (Administrator); 2) bes. die wirthschaftliche Fürsorge für ein fremdes Vermögen od. fremde Vermögenstheile. Der Grund einer solchen V. kann entweder schon in gesetzlichen Vorschriften, od. in richterlicher Anordnung, od. auch in dem Willen einer Privatperson beruhen. So hat schon nach dem Gesetz der eheliche Vater neben dem Nießbrauch auch die V. über das Vermögen seiner Kinder, sofern es ihm nicht ausdrücklich entzogen ist, der Ehemann da, wo Gütergemeinschaft od. das System des Usus fructus maritalis (s.u. Ehe) besteht, über das Vermögen seiner Frau; durch den Richter erhält der bestellte Vormund die V. über das Vermögen seiner Mündel, der Gütervertreter (Curator bonorum) die V. über das Vermögen eines in Concurs verfallenen Cridars, der Sequester (s. Sequestration) die Verwaltung eines streitigen Gutes; eine Privatverwaltung kann theils durch Vertrag, theils durch letzten Willen angeordnet od. auch in Folge von Negotiorum gestio (s.u. Mandat 2), in Folge freiwilliger Übernahme im Interesse eines Andern herbeigeführt werden. In der Regel sind die Rechte u. Verbindlichkeiten des Administrators bei solchen V-en fremder Vermögenstheile nach den Grundsätzen des Mandats (s.d.) zu beurtheilen. Der Verwalter hat daher überall möglichen Fleiß anzuwenden; dieser genügt aber auch, so daß er für einen etwa ohne sein Verschulden eingetretenen casuellen Verlust nicht einzustehen hat. Die ihm übergebenen Sachen hat er gehörig in Verwahrung zu halten, ihm ertheilten Instructionen genau nachzugehen u., wo solche nicht vorliegen, allenthalben dem Zwecke der V. gemäß zu handeln. Empfangene Gelder muß er alsbald verzinslich anlegen; es gereicht ihm zur eignen Schuld, wenn er dies unterläßt, u. er hat deshalb nöthigenfalls sie selbst zu verzinsen. Nach der Auflösung des Verhältnisses hat er Alles, was er von der V. in Händen hat, herauszugeben u. auf Verlangen Rechnung zu legen. Seinerseits hat der Verwalter Anspruch auf ein ihm zugesichertes Honorar u. Entschädigung, wenn er wegen der V. Ausgaben od. Verläge gehabt od. Schaden erlitten hat. Modification dieser Grundsätze treten bei denjenigen V-en ein, welche unmittelbar auf dem Gesetz beruhen, wie z.B. bei dem Ehemann wegen des concurrirenden eignen Nießbrauchrechts. Civilprocessualisch erzeigt eine solche V., mag sie sich auf öffentliche od. Privatgeschäfte bezogen haben, in Folge eines Auftrags od. ohne einen solchen geführt worden sein, einen besondern persönlichen Gerichtsstand (Forum gestae administrationis) bei dem Untergerichte, in dessen Sprengel die Geschäfte geführt wurden. Der Gerichtsstand bildet eine Unterart des Gerichtsstandes der vertragsmäßigen Verpflichtungen (Forum contractus). Der Verwalter muß sich an dem Orte der V. belangen lassen, wenn er auch vielleicht sein Domicil nicht daselbst hat; doch erstreckt sich der Gerichtsstand nur auf solche Klagen, welche auf Rechnungsablage od. auf Berichtigung bestrittener Rechnungsverhältnisse hinsichtlich der bereits geführten Verwaltung gerichtet sind. 3) (Staatsverwaltung), im Allgemeinen die Administration von öffentlichen Angelegenheiten eines Staates. In einem engeren Sinne wird aber der Ausdruck hierbei gebraucht, wenn er a) im Gegensatz zu dem Regierer gesetzt wird. Hier dient derselbe alsdann dazu, um den Unterschied zwischen der Stellung des Regenten u. seiner Beamten in der repräsentativen Monarchie zu bezeichnen. Unter dem Regieren begreift man dann nämlich die persönliche, mit voller Unverantwortlichkeit auszuübende, freie Selbsttätigkeit des Souveräns in der obersten Leitung des Staatswesens, also namentlich auch in der Wahl unter den möglichen Systemen der Verwaltung u. der Anordnung ihrer Durchführung; unter V. dagegen wird dann nur die beamtenmäßige Thätigkeit in dem vom Souverän bestimmten Systeme unter persönlicher Verantwortlichkeit der Beamten gegen den Fürsten u. die Landesvertretung verstanden. Die Trennung der V. u. Regierung in diesem Sinne gehört wesentlich zu den Grundideen der repräsentativen Monarchie. b) Im Gegensatz zur Justiz begreift V. diejenige Thätigkeit des Staatsorganismus, welche, abgesehen von der Entscheidung streitiger Rechtshändel, das allgemeine Beste durch Beobachtung des gesammten inneren Staatslebens, vorbauende Maßregeln gegen drohende Calamitäten, Beförderung nützlicher Einrichtungen u. Verhinderung von Rechtswidrigkeiten zu unterstützen, so wie die vorhandenen Staatskräfte in gedeihlichem Wesen zu erhalten bestrebt ist. In diesem Sinne gehört daher zur V. auch die Fürsorge für das gesammte Staatsvermögen, für Cultus u. Unterrichtswesen, Handel, öffentliche Arbeiten, öffentliche Sicherheit. In einem noch engeren Sinne begreift man aber unter V. nur die Thätigkeit der Staatsgewalt, welche sonst auch wohl als Polizei bezeichnet wurde u. gegenwärtig in ihren höheren Stufen auch als Regierung des Innern von anderen Verwaltungszweigen abgesondert wird. Auch in dieser Bedeutung ist der Kreis der V. ein sehr ausgedehnter; er umfaßt die Sicherheits- einschließlich der Fremdenpolizei, die Bevölkerungspolizei einschließlich des Ein- u. Auswanderungswesens, die Aufsicht über die Medicinalanstalten, das Gemeindewesen, die Straßen- u. Wasserpolizei, die Aufsicht über die Gewerbe, über das Forst- u. Jagdwesen etc. In der Regel ist die oberste Leitung dieser ganzen inneren V. einem besonderen Ministerium, dem sogenannten Ministerium des Innern, als Centralstelle zugewiesen; in den größten Staaten bestehen aber auch für einzelne Branchen noch besondere Ministerien, wie z.B. für den Handel, die öffentliche Sicherheit, die Medicinalangelegenheiten etc. In den unteren Stellen war früherhin die V. von der Justiz keineswegs immer getrennt, vielmehr meist die Fürsorge für die V. zugleich mit der Entscheidung streitiger Rechtsangelegenheiten denselben Behörden anvertraut. Die neuere Zeit hat jedoch fast überall nicht blos in der Theorie den Grundsatz der Trennung der Justiz von der V. auch in den unteren Instanzen aufgestellt, sondern auch in praktischer Ausführung zu verwirklichen gesucht. Dieser Grundsatz rechtfertigt sich einestheils dadurch, daß es nach der heutigen Ausbildung des Staatslebens fast unmöglich erscheint,[530] daß ein Beamter zugleich alle die Kenntnisse in sich vereinige, welche die Übung des Richteramtes u. die Leitung der Verwaltungsangelegenheiten voraussetzt, anderntheils auch durch die Rücksichten auf die Unabhängigkeit des Richterstandes, mit welcher die Vereinigung von Verwaltungsgeschäften in vielen Beziehungen nicht verträglich erscheint. Die Leitung der V. erheischt eine strengere Subordination der unteren Beamten unter die Befehle der oberen; die Rücksichten, nach welchen die V. zu handeln hat, u. die Ziele, denen sie zustrebt, befinden sich oft in Widerspruch mit den Grundsätzen, an welche der Richter bei Ausübung der Rechtspflege gebunden ist. Deshalb sind in neuerer Zeit die Verwaltungsgeschäfte regelmäßig eigenen, von den Justizbehörden völlig gesonderten Behörden, u. zwar sowohl in der untersten Instanz, wo sie den Namen Landrathsämter, Amtshauptmannschaften, Bezirksämter führen, als in der zweiten Instanz, wo sie die Bezeichnung Regierungen, Kreisdirectionen etc. führen, übertragen. Ein großer Theil der V. pflegt überdies den Gemeindebehörden überlassen zu sein. Über Lösung von Competenzconflicten zwischen V. u. Justiz vgl. Administrativjustiz.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 530-531.
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