Wallfahrten

[817] Wallfahrten (Peregrinationes religiosae), in der Katholischen Kirche Reisen meistens zu Fuß, od. auch kürzere Gänge unter Gebet u. Gesang mit od. ohne Begleitung eines Geistlichen zum Besuche solcher Orte od. Kirchen (Wallfahrtskirchen), woran sich fromme Erinnerungen knüpfen, od. wo Reliquien od. Bilder von Heiligen verehrt werden. Wegen der an solchen Orten stattgefundenen Gebetserhörungen u. Gnadenerweisen werden diese auch Gnadenorte u. die betreffenden Bilder, bes. von der heiligen Jungfrau, Gnadenbilder genannt. Die W. stammen aus dem Alterthum. Die Juden, wenigstens die Männer, hatten die Pflicht, jährlich nach Jerusalem zum Osterfest, zu wallen; häufig folgten auch Weiber u. Kinder, Im Christenthum kamen schon früh die W. nach dem Heiligen Lande, zu den durch das Leben u. Sterben Jesu geheiligten Orten, Bethlehem, Nazareth, Jerusalem, bes. zum Heiligen Grabe, in Aufnahme. So wallte schon um das Jahr 200 Bischof Alexander aus Kappadocien nach Jerusalem, um die heiligen Stätten zu besuchen, u. schon im 4. Jahrh. kamen Pilger aus Gallien, Britannien u. aus dem ganzen Oriente dorthin. Im Mittelalter herrschte ein durch die Kreuzzüge noch vermehrter Drang nach dem Heiligen Lande. Im Jahre 1064 kam aus Deutschland ein Zug von mehr als 7000 Personen an, darunter Bischöfe, Mönche u. Nonnen. Eine ähnliche Anziehungskraft übten früh auch Rom mit den Gräbern der Apostel Petrus u. Paulus, das Grab des St. Jacobus zu Compostella in Spanien, die Grabstätten u. Reliquien der Märtyrer. Jedoch behaupteten die W. mach den beiden eisten Orten u. nach dem Heiligen Lande den Vorrang u. hießen daher Hauptwallfahrten (P. primariae), während die übrigen später noch hinzugekommenen Nebenwallfahrten (P. secundariae) den zweiten Platz einnehmen. Zu den letzteren gehören das heilige Haus zu Loretto u. viele andere in verschiedenen Ländern. Diesseits der Alpen werden Einsiedeln in der Schweiz jährlich am Fest der Engelweihe, Altötting in Bayern, Kevelaer, Trier bei Ausstellung des heiligen Rockes, Aachen alle sieben Jahre, wenn die sogenannten Heiligthümer gezeigt werden, von vielen Tausenden besucht. Die W. werden aus freien Stücken übernommen, können jedoch auch in der Beichte als Buße aufgegeben werden. Im Mittelalter dienten bes. die nach den Hauptorten häufig dazu, große Verbrechen zu sühnen. Die Pilger (Pilgrime, Waller) trugen dann eine eigene Kleidung, lange wollene Kutten u. Kragen mit Muscheln verziert, Hut u. Stab, während jetzt die gewöhnliche Kleidung beibehalten wird. Nicht selten sieht man jetzt Leute, bes. Frauen, barfuß, mit Steinen beschwert, Kinder tragend od. auf Wasser u. Brod fastend die ganze Fahrt machen. Neuerdings sind solche W., als zu allerhand Unstatthaftigkeiten Anlaß gebend, beschränkt worden. Griechen u. Muhammedaner wallfahrten auch, Letztere bes. nach Mekka, s. Islam S. 86. Vgl. Benzel, De peregrinationibus relig.; Heidegger, Zür. 1670; Förtsch u. Selig, De peregrin. relig. judaico-ethnico-pontificiis, Jena 1705; P. Lazari, De sacra veterum Christianorum peregrinatione, Rom 1774.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 817.
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