Apostel

[612] Apostel (v. gr. Apostŏlos), 1) Gesandter; 2) besonders die 12 ausgewählten Jünger Jesu, die derselbe durch Umgang u. Unterricht zu Verkündigern des Evangeliums bildete. Die Zahl 12 bezog sich wahrscheinlich auf die 12 Stämme Israel. Ihre Namen sind: Simon Petrus, Andreas, Jacobus (Sohn des Zebedäus), Johannes, Philippus, Bartholomäus (wohl derselbe wie Nathanael), Thomas, Matthäus (Levi), Jacobus (Sohn des Alphäus), Lebbäus (Thaddäus, auch Judas, Jacobi Bruder), Simon der Kananit od. Eiferer, Judas Ischariot. Sie waren sämmtlich ungelehrte, einfache Männer aus dem Volke, meist Galiläer, zum Theil mit Jesu verwandt u. befreundet, einige vorher schon Schüler Johannis. Eine Rangordnung fand unter ihnen nicht Statt, indessen bildeten Petrus u. Johannes mit Jacobus einen engeren Kreis um Jesus, sie waren z.B. Zeugen seiner Verklärung. Die A. begleiteten Jesum als ihren Meister auf seinen Reisen, wohnten den Vorträgen an das Volk, den Unterredungen mit den Schriftgelehrten bei, unterhielten sich aber auch allein mit ihm über religiöse Gegenstände. Einmal verkündigten sie auf Jesu Befehl auch selbständig das Evangelium in Judäa. In nationalen Vorurtheilen befangen u. immer noch auf ein irdisches Messiasreich hoffend, für dessen König sie Jesum hielten u. worin sie für sich hohe Stellungen erwarteten, wurde ihnen schwer die Idee Jesu von dem Reiche Gottes zu fassen. Bei Jesu Tode flohen sie, nach seiner Auferstehung sah er sie wieder u. auf seine Weisung vereinigten sie sich wieder in Jerusalem. Hier harxten sie des verheißenen Heiligen Geistes, der ihnen am Pfingstfeste ertheilt wurde. Nun predigten sie das Evangelium, gründeten eine Muttergemeinde in Jerusalem u. breiteten bald auch das Evangelium nach Samaria u. Syrien, besonders in Antiochia aus; vgl. Aposteltheilung u. Apostelfasten. Statt des Judas Ischariot hatten die A. den Matthias erwählt; dazu kam bald Paulus, namentlich als Heidenapostel. Die besonderen Schicksale der einzelnen A. s. unter den einzelnen Namen. In der Katholischen Kirche gelten die A. alle für Heilige u. haben ihre Feste (Aposteltage); diese wurden in der Lutherischen Kirche noch längere Zeit gefeiert, aber allmählig aufgegeben, sowie sie in der neuesten Zeit hin u. wieder auch in der Katholischen Kirche, z.B. in Österreich, auf andere Festtage verlegt sind.[612] Seit dem 6. Jahrh. wurde in der Afrikanischen u. seit dem 7. in der ganzen Abendländischen (am 1. Mai), auch in der Griechischen Kirche (am 30. Juni) das Fest aller Apostel (Festum Apostolorum) gefeiert, das aber schon im 10. Jahrh. vergessen war, u. an dessen Stelle wurde seit dem 13. Jahrh. der Andreastag als Aller-Aposteltag begangen. Vgl. Cave, Antiquit. Apost., Lond. 1677 (deutsch Lpz. 1724); Wilhelmi, Christi Apostel, Heidelb. 1825. 3) Im weitern Sinne die 70 Jünger, die Jesus vor sich her sandte; 4) die, welche in der urchristlichen Zeit, auch die Missionäre, welche im Mittelalter unter den Heiden das Evangelium predigten u. welche nach dem Land od. Volk, wo sie wirkten, zubenannt wurden, so Bonifacius A. der Deutschen; Augustinus (s.d. 2), A. der Engländer; St. Patrik A. Irlands; St. Anschar 1) A. des Nordens; Eliot A. der Indianer; St. Adelbert 3) u. Bruno 6) A. der Preußen; Eligius A. von Seeland; St. Cyrillus u. St. Methodius A. der Slaven; Avila 1) A. von Andalusien etc. Auch Chlothilde, Gemahlin des fränkischen Königs Chlodwig I., welche diesen zur Annahme des Christenthums vermochte, erhielt daher den Namen Apostŏla Francorum. 5) Ehemals die Bischöfe der Griechischen Kirche; 6) (Apostoli, Literae dimissoriales. Rechtsw.), so v.w. Bericht an die höheren Behörden bei der Appellation, s. u. Appellation III. A) a) bb); 7) sonst die 12 angesehensten Familien Venedigs; 8) (Seew.), so v.w. Bughölzer; 9) Kanonen im Dreißigjährigen Kriege von dem protestantischen Heere aus den zu Münster erbeuteten Bildsäulen der 12 Apostel gegossen; 10) s. u. Apostelkeller.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 612-613.
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