[131] Lokomotive (locomotive engine; locomotive; locomotiva).
Inhaltsübersicht: I. Einrichtung und Aufgabe. II. Bezeichnung der L. III. Einteilung der L. 1. Allgemeines. 2. Schlepptenderlokomotiven 3. Tenderlokomotiven. 4. L besonderer Bauart. 5. Personenzuglokomotiven.[131] 6. Güterzuglokomotiven. 7. Verschiebelokomotiven. IV. Berechnung der L. 1. Bewegung, Zugkraft und Leistung. 2. Schienenreibung, Kupplung der Achsen. 3. Verteilung der Last auf die Achsen. 4. Raddurchmesser und Berechnung der Zylinder. 5. Beispiel einer Lokomotivberechnung. 6. Betriebsergebnisse. V. Geschichte und Entwicklung der Bauformen. A. bis 1831. B. 1831 bis zur Neuzeit. 1. England. 2. Amerika. 3. Frankreich. 4. Belgien. 5. Deutschland. 6. Österreich. 7. Italien. 8. Schweiz. 9. Rußland. 10. Nordische Länder. 11. Holland. VI. Lokomotivfabriken. VII. Neuere Bestrebungen im Lokomotivbau.
Die L. ist ein Fahrzeug mit Kraftquelle und Motor oder auch nur mit Motor (z.B. elektrische L.), das dazu bestimmt ist, nicht nur sich, sondern auch noch andere Fahrzeuge fortzubewegen (zu befördern).
Der Beförderung auf Spurbahnen dient die Eisenbahnlokomotive, auf gewöhnlichen Wegen die Straßenlokomotive (Trakteur); wird eine L. mit dem zu befördernden Wagen konstruktiv als Ganzes verbunden, so entsteht ein Triebwagen (s.d.).
Je nach der Art des zum Betrieb dienenden Kraftmittels unterscheidet man Dampf-, Druckluft-, Gas-, Benzin- und elektrische L.; eine Dampflokomotive ohne Feuerung heißt feuerlose L. (s.d.).
I. Einrichtung und Aufgabe.
Die Dampflokomotive ist eine auf einem Wagen (Laufwerk) angeordnete Dampfmaschine, die ihren Dampf aus einem auf dem gleichen Wagen mitgeführten Dampfkessel (s. Lokomotivkessel) entnimmt. Kessel, Maschine und Wagen bilden, zu einem Ganzen vereinigt, eine L.
Der Kessel ist der Krafterzeuger; die Maschine setzt die im Dampf aufgespeicherte Kraft in Zugkraft um; Kessel und Maschine sollen bei möglichst geringem Gewicht sehr leistungsfähig sein. Der Wagen, der beide trägt und auch die Zugkraft auf den Zug zu übertragen hat, muß den heftigen Stößen und den Beanspruchungen durch die getragenen Teile zu widerstehen vermögen, auch Kessel und Maschine zu einem widerstandsfähigen Ganzen verbinden. Taf. I zeigt eine L. in Grundriß, Längs- und Querschnitten mit Angabe der Bezeichnungen für die Einzelteile1. (Kesselteile s. Art. Lokomotivkessel, Taf. V.)
Die Bezeichnungen der Einzelteile sind auch auf Taf. I eingetragen.
Dem im Dampfkessel erzeugten Dampf bieten sich 2 Auswege:
»Durch die Zylinder, wenn die Maschine arbeitet, oder durch das Sicherheitsventil, wenn sie ruht. Es befindet sich im Zylinder ein Kolben, der vorwärts und rückwärts verschoben wird, wenn mittels des Regulators (vgl. Art. Dampfregulator) dem Dampf der Zutritt in den Zylinder gewährt wird.«
»Die L. ruht auf 4, 6 bzw. mehr Rädern, von denen die Leit- und Treibräder unterschieden werden müssen. Die ersteren sind kleiner und dienen nur dazu, die Last der Maschine zu tragen, die letzteren von bedeutend größerem Durchmesser sollen sie fortbewegen. Die Kolben in den Zylindern stehen mittels Stangen (Pleuelstangen) in Verbindung mit Kurbeln an den Treibrädern, so daß jede Bewegung, einmal rückwärts und einmal vorwärts, der ersteren eine volle Umdrehung der letzteren zur Folge hat. Die Treibräder erlangen das Bestreben, sich umzudrehen. Weil sie auf den Eisenschienen einen Widerstand finden, den man gewöhnlich Adhäsion (s.d.) nennt und der sie hindert, sich frei um ihre Achse zu drehen, so treiben sie diese Achse selbst vorwärts, d.h. sie rollen fort und ziehen die Last, die angehängt sein möchte, mit2.«
Wenn zur Überwindung des Nutzzugwiderstands und des Eigenwiderstands, zusammen also der Arbeitswiderstände der L., die von der Last eines Treibradpaares auf den Schienen erzeugte Reibung (Adhäsion) nicht ausreicht, so muß eine weitere Achse mit gleich großen Rädern mit der Kurbel- oder Treibachse durch Kuppelstangen verbunden werden. Die Achsen heißen dann gekuppelte, die mit der Treibachse verbundenen sind Kuppelachsen. Teilt man den größten Arbeitswiderstand durch den Reibungskoeffizienten zwischen Rad und Schiene bei normaler Witterung, so findet man das Gewicht, mit dem die gekuppelten Achsen mindestens die Schienen drücken müssen.
Wie bei den Eisenbahnwagen sind die Lager der Achsen, Achsbüchsen, nicht fest in dem Rahmen gelagert, sondern in den Achshaltern, Achsgabelbacken, beweglich und stützen sich gegen die an dem Rahmen befestigten Tragfedern (s. Federn).
An dem Endabschluß des Rahmens, Bufferbohle genannt, befinden sich die zur Verbindung mit anderen Wagen dienenden Einrichtungen, als Zughaken, Kupplung (s.d.), Buffer (s.d.); unterhalb der Bufferbohle liegen die zur Entfernung von fremden Körpern auf der Bahn dienenden Bahnräumer. Zur Vergrößerung der Reibung der Treibräder auf glatten oder nassen Schienen dienen Vorrichtungen zum Bestreuen der Schienen vor den Treibrädern mit Sand, Sandstreuer. Der Führerstand gewährt der Lokomotivmannschaft Schutz gegen die Witterung.
Die Kesselausrüstung ist im Art. Lokomotivkessel erläutert.
II. Bezeichnung der L.
Früher bezeichnete man die L. meist nur nach der Zahl der gekuppelten Räder, z.B. »Achtkuppler«, eine Methode, die in England auch[132] heute noch vielfach üblich ist. Dann führte sich, namentlich im Gebiete des VDEV., eine Bruchziffer ein, die als Zähler die Zahl der gekuppelten Achsen, als Nenner die Zahl aller Achsen aufwies, z.B. 3/4 gekuppelt (in Holland meist 4/3 geschrieben) für eine 4achsige L. mit 3 gekuppelten Achsen. 1908 nahm der VDEV. eine neue Bezeichnungsweise mit Buchstaben und Ziffern an, bei der die Zahl der gekuppelten Achsen durch die ersten Buchstaben des Alphabets in ihrer Reihenfolge die Zahl der vor oder hinter den gekuppelten Achsen befindlichen Laufachsen durch entsprechend gestellte Ziffern angegeben wurde; eine 3/4 gekuppelte L. mit vorderer Laufachse wird also 1 C genannt.
Diese Bezeichnungsweise ist auch im nachfolgenden Text beibehalten. Zur weiteren Abkürzung wird dahinter, soweit nötig, die Zahl der Zylinder als Exponent, die Verbundwirkung durch v, Heißdampfwirkung durch H bezeichnet werden.
Das Organ ergänzt die Bezeichnungsweise des VDEV. durch Angabe 1. der Zylinderzahl mit römischer Ziffer, 2. des Dampfzustandes mit t für Naßdampf, tt für Trockendampf und T für Heißdampf und 3. der Dampfdehnung, u.zw. mit für einstufige, für zweistufige Dampfdehnung (Verbundwirkung).
In Amerika waren seit Jahrzehnten Kennworte für die einzelnen Typen üblich, z.B. Mogul für eine 1 C-Lokomotive. Diese Bezeichnungsweise wurde jedoch Anfang dieses Jahrhunderts auf Vorschlag von Whyte durch ein Zahlenbild ersetzt, in dem die Zahl der vorderen Laufräder, der gekuppelten Räder und der hinteren Laufräder aneinander gereiht werden, also z.B. 260 für die 1 C-Lokomotive.
In Frankreich schlug Desmoulins eine aus Buchstaben und Zahlen zusammengesetzte Bezeichnung vor, in der P (porteur) eine Laufachse, B (bogie) ein Drehgestell und eine Ziffer die Zahl der gekuppelten Achsen angab, also z.B. P 3 für eine 1 C-Lokomotive.
Nachfolgende Liste (S. 134) gibt eine vergleichende Zusammenstellung der verschiedenen Bezeichnungsweisen. Die Bezeichnungen Baltic und Adriatic sind nicht amerikanisch, sondern nur nachgebildet (vgl. auch w. u. in den Tabellen: »Amerikanische Lokomotivtypen«, S. 134, bzw. 156).
Außer den vorerwähnten Bezeichnungsarten, die den Zweck haben, in technischen Schriften und im technischen Wortverkehr an Stelle langer Erläuterungssätze ein kurzes, die Bauart klar kennzeichnendes Symbol zu setzen, gibt es bei den einzelnen Bahnverwaltungen noch eine an den L. selbst angebrachte Bezeichnung zwecks Evidenzführung.
Diese Bezeichnung der L. erfolgt durch Ziffern oder durch Ziffern und Namen.
Die Bezeichnung durch Ziffern erfolgt entweder fortlaufend, so daß sie außer der Unterscheidung der einzelnen L. auch gleichzeitig den Bestand in Evidenz führt, oder durch Zifferngruppierung derart, daß aus der an der L. ersichtlich gemachten mehrstelligen Zahl auch gewisse Schlüsse auf Bauart oder Leistung gezogen werden können.
Oft sind diese mehrstelligen Zahlen durch einen Punkt unterteilt; dann geben die links vom Punkte stehenden Ziffern die »Serie« oder eine »Charakteristik der Bauart« an, während die rechts vom Punkte stehenden Ziffern die Ordnungsnummern in der Serie oder Bauart darstellen.
Die Bezeichnung der L. mit Namen zwecks Unterscheidung der einzelnen Individuen kommt immer mehr in Abnahme, da es bei der immer wachsenden Anzahl der L. schon schwer wird, passende Namen zu finden. In England ist es vielfach üblich, ganze Gruppen gleichartiger L. mit einem Namen zu bezeichnen, u.zw. mit dem Namen, den die ersterbaute L. der betreffenden Type führte, z.B. bei der Caledonien-Bahn, Dunalastair-Class, die Bezeichnung für eine Reihe unter sich gleicher 2 B-Schnellzuglokomotiven, von denen die erste den Namen »Dunalastair« führt.
Auch tragen in den meisten Staaten die L. eine Anschrift, die eine Charakteristik, bzw. einen Schlüssel für die Verwendung der betreffenden L. im Eisenbahnkriegsverkehr darstellt. Diese Anschrift gibt zumeist Angaben über die Leistungsfähigkeit, Übergangsmöglichkeit auf andere Strecken als die Heimatbahn u. dgl. Man bezeichnet diese gewöhnlich an der Führerhausseitenwand auf einer Tafel angebrachte Anschrift als »Kriegskategorie«.
Außerdem sind an den L. auch die zulässige Höchstgeschwindigkeit in km/Std. (zumeist im Führerhaus, in Rumänien an der Seitenwand außen), ferner die für die Evidenzführung der Revisionen der einzelnen Bestandteile der L. nötigen Daten auf Tafeln angeschrieben.
Für die Namen des Führerpersonals sind häufig an der Führerhausseitenwand kleine Einsteckrahmen vorhanden, in die die auf Blechstreifen geschriebenen Namen eingeschoben werden.
III. Einteilung der Lokomotiven.
1. Allgemeines. Nach der Spurweite sind zu unterscheiden:
Breitspurige L. (1600 und 1676 mm Spur, früher auch noch breitere Spurweiten bis 2134 mm);
normalspurige L. (1435 mm Spur, in Rußland 1524 mm);
schmalspurige L. (500 mm bis 1220 mm).
Nach der Bahnart:
Hauptbahnlokomotiven,
Nebenbahnlokomotiven,
Kleinbahnlokomotiven und
Straßenbahnlokomotiven;
hierzu kämen die L. für private Zwecke, d.h. Werklokomotiven, Baulokomotiven u.s.w.
Für die Erzielung der Lokomotivzugkraft wird ausgenutzt:
1. Die Reibung an glatten Schienen; diese L. heißen Reibungs- (Adhäsions-) Lokomotiven; es gibt:
a) gewöhnliche mit senkrechten Rädern für 2 Schienen,[133]
b) solche mit senkrechten und wagrecht oder geneigt liegenden Reibrädern (Paris-Limours, System Fell, System Hanscotte u.s.w.),
c) Einschienenbahnlokomotiven;
2. ein Druckwiderstand im Gleis;
3. Reibung an glatten Schienen und ein Druckwiderstand im Gleis; die L. zu 2. heißen Zahnradlokomotiven (s.d.), die zu 3. gemischte (Zahnrad- und Reibungs-) L.
Für die Unterteilung der hier ausschließlich zu besprechenden Reibungslokomotive gibt es[134] eine große Anzahl von Gesichtspunkten; geeignet für eine systematische Übersicht sind die Merkmale: Zahl der gekuppelten Achsen und Anordnung der Achsen im Gestell bewegliche Achsen, Drehgestelle (Dampfdrehgestelle), Lage der Achsen zur Feuerbüchse; Zahl und Lage der Zylinder (s. Dampfzylinder), geneigt oder wagrecht, innerhalb, außerhalb der Rahmen; Lage der Rahmen, innerhalb oder außerhalb der Räder u. dgl. Von den L., die nach diesen Gesichtspunkten besondere Systeme bilden, sind hervorzuheben: Beugniot, Behne-Kool, Engerth, Hall, Haswell, Meyer, Fairlie, Mallet-Rimrott (s. w. u.).
Je nach der Mitführung von Wasser und Brennmaterial sind die L. zu unterscheiden in:
a) Schlepptenderlokomotiven (tender engines) mit angekuppeltem, sog. Schlepptender;
b) Tenderlokomotiven (ohne Schlepptender) (tank engines), doch kommen auch, namentlich für wasserarme Gegenden, Tenderlokomotiven mit besonderem Tender vor.
Eine Einteilung nach dem Verwendungszweck ergibt folgende Gruppen:
α) Personen- und Schnellzuglokomotiven,
β) Güterzuglokomotiven,
γ) Rangier- (Verschiebe-) Lokomotiven,
δ) Eigenartige L.
Scharfe Grenzen lassen sich zwischen Gruppe α und β nicht feststellen; im allgemeinen besitzen die Güterzuglokomotiven mehr gekuppelte Achsen und kleinere Treibraddurchmesser als Personenzuglokomotiven; die Grenze liegt bei Lokomotiven für Flachlandstrecken etwa bei 1550 mm, bei Gebirgsstrecken etwa bei 1400 mm) beide Werte ermäßigen sich für Nebenbahn-, Kleinbahn- und insbesondere für Schmalspurlokomotiven; man findet aber auch Personenzuglokomotiven für Flachlandstrecken mit 1500 mm Raddurchmesser (3/4 gekuppelte Personenzugtenderlokomotive der preußischen Staatsbahn) und Güterzuglokomotiven mit 1600 mm Raddurchmesser (Amerika). Oft dienen auch ganz gleichartige L. im Flachland zum Güterzugdienst, im Gebirge aber zum Schnellzugdienst. Auch die Zahl der gekuppelten Achsen bietet keine scharfe Grenze, da es z.B. sowohl Personen- als auch Güterzuglokomotiven mit 3 und mehr gekuppelten Achsen gibt.
2. Die Schlepptenderlokomotiven werden verwendet, wenn große Vorräte an Wasser und Brennmaterial mitzuführen sind; die eigentliche L. ist dann hinsichtlich der Radbelastungen frei von den Schwankungen im Gewicht dieser Vorräte während der Fahrt.
Der Tender ist an der Führerhausseite mit der L. gekuppelt. Eine Brücke (Trittblechklappe) überdeckt den Spalt zwischen L. und Tender. Bei Schlepptenderlokomotiven ist die Handbremse meist auf die Tenderräder beschränkt.
Eine Schlepptenderlokomotive, deren Tender nur als Wasserwagen dient und an der Schornsteinseite angeschlossen ist (die L. soll Führerstand vorne fahren), wurde bereits 1891 von Bobertag vorgeschlagen, (s. Glasers Ann. 1891, Bd. XXIX, Taf. I) und seit 1900 für das Adriatische Netz, bzw. die italienische Staatsbahn mehrfach ausgeführt (vgl. Abb. 200).
3. Tenderlokomotiven als solche haben vor den Schlepptenderlokomotiven den Vorzug der freieren Verwendbarkeit in Vor- und Rückwärtsfahrt ohne Einschränkung der Geschwindigkeit und ohne Drehung, den Vorzug der geringeren Länge (für Drehscheiben, Schiebebühnen, Werkstätten und Lokomotivschuppen wichtig) und des geschlossenen Führerstandes, hingegen den Nachteil der schwierigeren Zugänglichkeit einzelner Teile, der geringen Vorratsmenge sowie, bei derselben Achsbelastung, der geringeren Heizfläche, da für den Kessel nicht so viel Gewicht übrig bleibt als bei L. mit Schlepptender.
Der Kohlenvorrat wird auf dem Führerstand an den Seiten der Feuerbüchse oder an der Führerhausrückwand in besonderen Behältern gestapelt, deren Füllöffnungen wegen Reinhaltung des Führerstandes außerhalb desselben angeordnet werden. Die Wasserbehälter werden entweder, nötigenfalls unter Wahrung freier Aussicht durch Abschrägung der vorderen Enden, zu beiden Seiten des Kessels aufgestellt oder dem Kessel aufgesattelt oder hinter dem Führerstande unter dem Kohlenraum angeordnet oder auch zwischen den Rahmen angebracht, diese gleichzeitig versteifend, aber auch als Gefäßwände benutzend. Bei letzterer Form wird neuerdings bei hoher Kessellage der Wasserkasten häufig über den Rahmen bis an das Umgrenzungsprofil verbreitert, so daß der Querschnitt eine -Form bildet.
Über den Achsen sind die Wasserkasten eingesattelt, die Einsenkungen zwischen den Achsen werden miteinander durch Rohre unterhalb der Achsen verbunden. Die Erhitzung des Wassers in den der Feuerbüchse nächst benachbarten Behältern tritt im Sommer störend auf, wenn aus diesen das Speisewasser abgesogen wird; es ist deshalb richtiger, die Absaugung aus den weiter abgelegenen Behältern zu bewirken.
Die Anordnung der Kohlen- und Wasserbehälter hinter dem Führerstande bedingt unter letzterem meist Laufachsen, bietet dann aber den Vorteil geringer Beeinflussung des Reibungsgewichts durch die Vorräte.
4. Besondere Bauarten. Die richtige Zuteilung der L. zu Tender- und Schlepptenderlokomotiven[135] ist bisweilen schwierig; so ist bei der Beugniotschen schweren Lastzuglokomotive der Tender zur Stützung des überhängenden Teils der Feuerbüchse nur behufs Minderung der Schwankungen benutzt. Anders bei Behne-Kool; die Tenderrahmen sind bis beinahe zur Feuerkastenmitte fortgesetzt und übertragen hier einen Teil des Lokomotivgewichts auf die erste, unter der Feuerbüchse liegende Tenderachse. Hier ist die Bezeichnung Tenderlokomotive mit gegliedertem Rahmen am Platz.
Auch die Engerthschen L., bei denen die Tenderrahmen bis vor die Feuerkiste reichen und sowohl die Feuerkiste stützen, als vor derselben eine Tenderachse umschließen, sind Tenderlokomotiven (s. Abb. 197).
Schneider in Creuzot hat abweichend von der Engerthschen Grundform bei den Lastzuglokomotiven für die französischen Nord- und Ostbahnen die Engerthsche Gestellkupplung für Lokomotiv- und Tenderrahmen (bei Engerth zwischen der letzten Lokomotivachse und der ersten Tenderachse an der Feuerkiste gelegen) beibehalten, jedoch die Tenderachse vor der Feuerkiste durch eine Lokomotivachse ersetzt und somit eine L. mit Schlepptender geschaffen.
Das gleiche gilt von den Klose-Engerthschen und den Kraußschen Stütztendern (Ztschr. dt. Ing. 1906, S. 2053).
Wird eine große Anzahl von gekuppelten Achsen notwendig, so muß man namentlich bei krümmungsreichen Strecken wenigstens ein Teil derselben an Drehgestellen anbringen; so entstanden die Bauarten Meyer, Fairlie, Mallet-Rimrott, du Bousquet und Garratt.
5. Personen- und Schnellzuglokomotiven. Die Grenze zwischen Personen- und Schnellzuglokomotiven ist nicht genau feststellbar.
Der Begriff Schnellzug steht für die Lokomotivleistung umsoweniger fest, als die Gesamtfahrzeit manchmal nur deshalb beim sog. Personenzug länger ist als beim Schnellzug, weil öfter gehalten und angefahren werden muß, während für die Fahrt im Beharrungszustand zwischen 2 Stationen derselbe Personenzug größere Geschwindigkeit fordern kann als der Schnellzug.
Die Treibraddurchmesser liegen bei Schnellzuglokomotiven meist über 1800 mm; die Zahl der gekuppelten Achsen beträgt für Flachlandstrecken meist 23, für Hügellandstrecken 3 und für Gebirgsstrecken bis zu 5, wobei jedoch der Durchmesser dann erheblich unter 1800 mm sinkt. Nur in England wurden noch bis Anfang dieses Jahrhunderts Lokomotiven mit nur 1 Treibachse, ungekuppelte Lokomotiven, gebaut; allerdings war diese Achse meist sehr hoch belastet (bis zu 18 t).
Ausnahmsweise wurde noch 1910 eine 2 A 1-Schnellzuglokomotive von der Shanghai-Nanking-Eisenbahn beschafft. Außerdem besitzt die österreichische Staatsbahnverwaltung auch eine im Jahre 1907 gebaute Tenderlokomotivtype (Serie 112) der Anordnung 1 A 1 mit 14∙3 t Treibachsbelastung für besondere Verwendung.
Die TV. (§ 102) empfehlen für die üblichen Bauarten der Schnellzuglokomotiven (2/4, 2/5, 3/5, mit 2achsigem Drehgestell) höchste Umdrehungszahlen von 320 bei Außenzylindern, bzw. 360 bei Innen- oder Innen- und Außenzylindern. Hieraus ergibt sich für 100 km Fahrgeschwindigkeit ein niedrigster Raddurchmesser von 1670, bzw. 1500 mm, also Werte, die meist erheblich überschritten werden.
Von Personen- und Schnellzuglokomotiven wird außer einem gewissen Überschuß an Zugkraft, der zu schnellem Anfahren nötig ist, vor allen Dingen ein leistungsfähiger Kessel gefordert. Von der Größe, bzw. Verdampfungsfähigkeit des Kessels hängt bei hoher Geschwindigkeit die Leistung der Lokomotive ab; eine Ausnutzung der aus der Reibung sich ergebenden Zugkraft findet fast nur beim Anfahren statt, so daß stets nur ein Teil der zur Aufnahme des Gewichts nötigen Achsen gekuppelt wird. Die übrigen Achsen, Laufachsen, werden möglichst vorn angeordnet und meist zu einem Drehgestell (s.d.) verbunden.
Die Möglichkeit, die namentlich bei hohen Umdrehungszahlen sich am stärksten bemerkbar machenden »Störenden Lokomotivbewegungen« (s.d.) zu mindern, hat für Schnellzuglokomotiven zur immer häufigeren Anwendung 4zylindriger Triebwerke geführt.
6. Güterzuglokomotiven. Der Dienst der Güter- und gemischten Züge fordert große Zugkraft beim Anziehen und während der Fahrt, bei geringer Geschwindigkeit. Die nach § 66 der deutschen BO. im allgemeinen höchstzulässige Geschwindigkeit der Güterzüge von 4560 km/Std. wird zurzeit im normalen Betrieb selten erreicht. Über die zulässige Anzahl der Radumdrehungen bei diesen Geschwindigkeiten vgl. TV. § 102.
Große Heizfläche des Kessels, große Zylinderabmessungen, niedrige Treibräder und Ausnutzung des gesamten Lokomotivgewichts oder doch des größten Teils für die Äußerung der Zugkraft, also Kupplung sämtlicher oder doch der Mehrzahl der Achsen, entsprechen obigen Anforderungen, desgleichen verhältnismäßig große Vorräte an Brennmaterial und Wasser, daher Schlepptenderanordnung, sofern es sich nicht um Güterzugdienst auf kurzen Strecken (Verbindungsbahnen) handelt.
Nach § 30 der Bau- und Betriebs-Ordnung ist der Radstand für Güterzuglokomotiven mit festen Achsen höchstens zu 4∙5 m anzunehmen.[136] Die TV. empfehlen mit Rücksicht auf die Bahnkrümmungen, bestimmte größte Radstände bei L. mit festen Achsen nicht zu überschreiten (§ 87) und bei 3- und mehrachsigen L. mit größerem Radstand (als nach § 87) Drehgestelle oder verschiebbare Achsen anzuwenden (§ 88). Infolgedessen haben die 3achsigen Güterzuglokomotiven von alters her auf dem Festland meist alle 3 Achsen vor der Feuerbüchse und deshalb bei größerer Geschwindigkeit einen unruhigen Lauf.
Seit den Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts haben deshalb hier 3/4 gekuppelte Güterzuglokomotiven mit vorderer Laufachse immer größere Verwendung gefunden. Infolge des langen Radstandes sind bei solchen L. mit 1350 mm Treibraddurchmesser Geschwindigkeiten bis über 60 km zulässig, so daß sie auch zur Beförderung von Eilgüterzügen und selbst langsam fahrenden Personenzügen namentlich im Gebirge benutzt werden können.
Zur Beförderung von Güterzügen im Gebirge sind seit den Fünfzigerjahren namentlich in Österreich 4/4 gekuppelte L. im Gebrauch, die mehr und mehr auch für Hügelland, ja selbst für Flachlandbahnen Verwendung finden. Gebirgsbahnen sind inzwischen vielfach zu 1 D- und schließlich zu E-, in manchen Fällen auch zu 1 E-Lokomotiven übergegangen. Die österreichischen Staatsbahnen besitzen bereits 1 F-Lokomotiven.
Die englischen Güterzuglokomotiven waren bis vor etwa 10 Jahren fast ausschließlich C-Lokomotiven, bei denen jedoch eine Achse unter oder hinter der Feuerkiste lag. Die Radstände erreichten und überschritten bisweilen das oben erwähnte Maß von 4∙5 m. Die Raddurchmesser waren ebenfalls größer als auf dem Festlande. 5' = 1∙524 m war ein ziemlich allgemein übliches Maß. Neuerdings finden auch D-Lokomotiven, meist mineral engines genannt, ausgedehnte Verwendung.
In Amerika erfolgt die Beförderung der Güterzüge fast ausschließlich durch 1 C- oder 1 D-Lokomotiven; auch bei L. mit noch mehr gekuppelten Achsen wird eine vordere Laufachse stets bevorzugt.
Das Verlangen nach Kurvenbeweglichkeit hat bei Güterzuglokomotiven mit vielen gekuppelten Achsen zur Teilung des Triebwerks veranlaßt. Die meiste Verbreitung hat hier zunächst in Europa die Bauart Mallet-Rimrott gefunden, bei der etwa die Hälfte der Achsen in einem vorderen Drehgestell gelagert und durch 2 Niederdruckzylinder angetrieben werden. Vor wenigen Jahren hat auch Amerika diese Bauart übernommen und namentlich in bezug auf die Größe weiter entwickelt. Einzelne Bahnen besitzen bereits 1 D-D 1-Malletlokomotiven von etwa 200 t Dienstgewicht ohne Tender. Sie werden meist als Schiebelokomotiven benutzt, um schwere, aus dem Flachland kommende Güterzüge ungeteilt über starke Steigungen zu bringen.
7. Verschublokomotiven. Der häufige Wechsel der Fahrtrichtung macht Tenderlokomotiven für den Verschubdienst besonders geeignet. Kräftiges Anziehen (daher niedrige Räder), kurzer Radstand, bequemer Führerstand und Handlichkeit der oft umzulegenden Steuerung sind besonderes Erfordernis. Der Bahnhofsdienst gestattet, Wasser- und Kohlenvorräte klein zu halten; niedrige Füllungsgrade werden wenig benutzt; für die hohen Füllungsgrade ist gleich gute Wirkung bei Vor- und Rückwärtsfahrt wesentlich. Meist begnügt man sich mit C-Lokomotiven, doch findet man auch vielfach D-Lokomotiven.
Abweichend von dem europäischen Gebrauch dienen in Amerika meist C-Lokomotiven mit Tender zum Verschubdienst, doch sind auch hier schon D-, vereinzelt auch E-Lokomotiven in Verwendung.
Nicht selten werden für den Verschubdienst die für den sonstigen Dienst unbrauchbaren älteren L. verwendet, meist mit geringem wirtschaftlichen Erfolg.
Vereinzelt sind die Verschublokomotiven besonders in industriellen Betrieben mit Drehkränen ausgestattet (vgl. Kranlokomotiven); in Frankreich wurden bisweilen Verschublokomotiven auf großen Bahnhöfen mit Spill für Heranholen der Wagen und Drehen der Drehscheiben durchs Seil versehen3.
Für industrielle Werke, die eigene Dampfanlagen besitzen, finden, namentlich bei schwachem Verkehr, häufig feuerlose L. (s.d.) Anwendung. Der Kessel besteht aus einer zylindrischen, etwa zu 2/3 mit Wasser gefüllten Trommel, die von Zeit zu Zeit durch Anschluß an die ortsfeste Kesselanlage wieder aufgefüllt wird.
L. bis herab zu den kleinsten Abmessungen finden ferner Verwendung auf Hüttenwerken, auf Industrie- und Feldbahnen und zum Treideln schwimmender Schiffe. Sie sind sämtlich Tenderlokomotiven und je nach der Spurweite und dem besonderen Zweck mehr oder weniger von den gebräuchlichen Tenderlokomotiven der Hauptbahnen verschieden. Um die Entwicklung der leichten schmalspurigen L. hat sich besonders Krauß in München verdient gemacht. Die Frage der Zweckmäßigkeit des Treidelbetriebs mit Dampflokomotiven ist noch nicht endgültig entschieden, bisher sind Treidellokomotiven meist als elektrische L. ausgeführt worden.
IV. Berechnung der L.
(Bezüglich der Berechnung des Lokomotivkessels vgl. Art. Dampfkessel.)
1. Bewegung, Zugkraft und Leistung der L. Der auf den Kolben übertragene Dampfdruck Pd hat während der ersten Hälfte des Kolbenhubs zunächst die Massen des Kolbens,[137] der Kolbenstange, des Kreuzkopfs und der Pleuelstange zu beschleunigen, in der zweiten Hälfte dagegen müssen die Massen verzögert werden. Zuerst wird daher nur ein Teildruck P auf den Kurbelzapfen fortgepflanzt; während der Verzögerung erhöhen die Massen den Treibdruck.
Beim Vorwärtsfahren wird von dem Kolbendruck P bei der Stellung nach Abb. 174 P/cos β auf das Rad, dessen Stützpunkte A und C sind, übertragen, während P tg β den Kreuzkopf gegen die Gleitbahn aufwärts preßt, also auf Entlastung der Vorderachse hinwirkt.
Mit Bezug auf C als Momentenpunkt ergibt sich die Kraft S in der Richtung der Schienen zu:
Ebenso ist der Druck F gegen die Achsgabel bei Wahl von A als Momentenpunkt:
1)
Die Vertikalkomponente P tg β, die durch die schiefe Richtung von P/cos β gegen AC entsteht, wird vom Treibrad auf die Schiene übertragen und vergrößert die Pressung zwischen beiden.
Von der gegen den vorderen Zylinderdeckel in der Richtung nach rechts wirkenden Dampfkraft Pd bleibt nach Abzug von F, das entgegengesetzt gerichtet ist, als den Rahmen nach rechts (vorwärts) bewegende Kraft:
2)
Für die zweite halbe Umdrehung (in Abb. 174 ist eine Stellung punktiert gezeichnet) ergibt sich ebenso
3)
als vorwärtstreibende Kraft.
Die Kraft S hält das Rad in A fest und so kommt bei der Verschiebung des Rahmens Drehung um A zu stande.
PdP stimmt der Größe nach mit dem Beschleunigungsdruck der Kolbenmassen u.s.w. überein; auf die Bewegung des Lokomotivschwerpunkts haben die Kräfte ± (PdP) keinen Einfluß.
Für die Rückwärtsfahrt tritt nur eine Umkehrung der Kraftrichtungen und damit eine Belastung der Vorderachse um den Kreuzkopfdruck P tg β, bzw. eine gleich große Verminderung des Treibachsdrucks ein.
Der mittlere Wert Z der Zugkraft in kg ergibt sich aus:
4)
(Arbeit am | (Arbeit der | |
Treibradumfang für | = | mittleren Kolbenkräfte |
eine Umdrehung) | für einen vollen Hub) |
mit
5)
Hierin ist l der Kolbenhub = 2 r und der Durchmesser des Treibrads = 2 .
Da P bei einer mittleren Dampfspannung pi und einem Güteverhältnis gm unter Beachtung der Reibungsverluste zu
(d = Zylinderdurchmesser in cm) anzunehmen ist, so ist ferner:
6)
Zu großer Zugkraft sind daher große Zylinder, kleine Treibräder nützlich.
Die Abweichungen der Zugkraft von ihrem mittleren Wert während einer Treibradumdrehung treten ebenso wie beim gewöhnlichen Schwungrad auf und werden durch die lebendige Kraft der L. bei der bedeutenden Masse derselben leicht ausgeglichen, so daß die Bewegung der L. im Beharrungszustand als gleichförmig anzusehen ist. Während des Anfahrens muß zwecks Beschleunigung der Zugmasse die Zugkraft stets größer bleiben als der Zugwiderstand.
Im Beharrungszustand ist
Z = (T + Q) z 7)
wenn Q das Gewicht der L., T das des Zugs, je in Tonnen, und z der Zugwiderstand für die Tonne Zuggewicht ist; z und Z sind in kg ausgedrückt.
Auch ist
8)
Um anhaltend den Zug vom Gewicht T + Q befördern zu können, muß also dauernd der mittlere Dampfdruck pi im Zylinder zur Verfügung stehen, d.h. entsprechend der Geschwindigkeit v (m/Sek.), mit welcher gefahren wird, muß der Zylinder aus dem Kessel mit der erforderlichen Dampfmenge nachgefüllt werden können.
Dies vorausgesetzt, äußert die L. eine Leistung E = Z ∙ v = (T + Q) z ∙ v in mkg oder in PS.
9)
[138] Die Kolbengeschwindigkeit c ergibt sich aus der Fahrgeschwindigkeit v nach der Formel:
10)
Der Dampfverbrauch für die Pferdestärke ist nach untenstehender Tabelle, bzw. nach S. 140 zu ermitteln.
Der stündliche Dampfverbrauch für eine Pferdekraft ist für eine Füllung von etwa 0∙15 bis 0∙30 am geringsten; er nimmt mit kleiner oder größer werdender Füllung zu. Je größer die Dampfspannung ist, desto kleiner ist die wirtschaftlichste Füllung. Der Dampfverbrauch sinkt mit steigender Dampfspannung, jedoch nicht proportional, sondern nur etwa im Verhältnis des Wurzelwertes der verglichenen Dampfspannungen, also bei Steigerung von 12 auf 14 at nur etwa wie
Ist H die Heizfläche in Quadratmetern, so liefert ein Quadratmeter Heizfläche N/H Pferdekräfte. Ist das stündlich verbrauchte Dampfgewicht = D, so entfällt auf eine Pferdekraft D/N kg Dampf und 1 m2 Heizfläche hat zu erzeugen: D/H kg Dampf. D/H nennt man die Verdampfungsstärke für den Quadratmeter Heizfläche. Bei einem stündlichen Brennmaterialverbrauch B ist B/N der stündliche Brennmaterialverbrauch für eine Pferdestärke.
Mit wachsender Beanspruchung der Heizfläche nimmt der Brennmaterialverbrauch zu. Da nun Vergrößerung der Leistung, der wachsenden Füllung entsprechend, größeren Dampfverbrauch bedingt, so folgt mittelbar Vergrößerung der Verdampfungsstärke, also auch des Brennmaterialverbrauchs.
Mittlere Werte für vorstehende Verhältnisse sind etwa bei Steinkohle von 7500 Kalorien.
D/H = 4065 kg
D/N = 139 kg
D/B = 68∙5 kg
N/H = 37 kg.
(Ausführlichere Werte über Berechnung des Brennstoffverbrauchs vgl. Dr. Sanzin, Verkehrstechn. W. 1909/10, S. 701.)
Werden die Lokomotivgattungen nach der meist vorkommenden Füllung l1/l gruppiert, so ergeben sich bei Zwillingswirkung für die Dampfspannungen p von 12 at Überdruck im Kessel folgende mittlere Zahlen, unter denen der in obiger Leistungsformel angewendete mittlere Dampfdruck pi im Zylinder nebst der Güterzahl gm aufgeführt ist:
Die wichtigste Verhältnisziffer für die Berechnung der Leistung ist der Wert N/H. Er ist abhängig von der Bauart des Kessels, insbesondere dem Verhältnis der Rostfläche zur Heizfläche, dem Dampfdruck der Bauart der Dampfmaschine (Zwilling oder Verbund), dem Verhältnis der Zylinder zur Heizfläche (weil hiervon das Füllungsverhältnis abhängt) und ganz besonders von der Anzahl der Umdrehungen. Überschlagswerte geben die Formeln von Frank und Meier; genauer sind die von Richter und die Tabellen von v. Borries. Alle 4 Angaben folgen; zu beachten ist bei Benutzung derselben, daß für die Ermittlung der Zugwiderstände die gleichen Formeln benutzt werden, die bei Aufstellung der Formeln u.s.w. für N/H benutzt wurden.
Es ist N/H
nach | für Personenzug- | für Güterzugloko- |
lokomotiven | motiven | |
Frank | 1∙17 √v | 0∙6 + √v |
Meier | 1∙75 + 0∙18 v | 2∙0 + 0∙18 v |
N/H nach v. Borries (vgl. Eis. T. d. G., Bd. I, 1. Aufl., S. 51):[139]
hiervon ist n Umlaufzahl der Triebräder für die Minute
a = 6∙0 für Naßdampfzwilling
6∙5 für Naßdampfzweizylinderverbund
7∙0 für Heißdampfzwilling
7∙5 für Naßdampfvierzylinderverbund
8∙0 für Heißdampfvierzylinderverbund.
Letztere beiden Angaben stimmen jedoch bei Anwendung der Frankschen Widerstandsformeln nicht. Verwertbar ist dabei aber die Richtersche Formel, wenn man sie umändert in
und dabei wählt: 11)
a = 5∙8 für Naßdampfzwilling
6∙2 für Naßdampfzweizylinderverbund
6∙9 für Heißdampfzwilling
7∙2 für Naßdampfvierzylinderverbund
7∙5 für Heißdampfvierzylinderverbund
(vgl. Nordmann, Die Leistungsfähigkeit der Lokomotiven u.s.w. Glasers Ann. 1911, Bd. II, S. 237).
Unter Benutzung des Werts N/H aus obigen Angaben kann bei bekannter Heizfläche H in den Fällen, für die die Tabellenwerte zutreffen, die Leistung der L. nach folgender Formel bestimmt werden:
12)
Bei gegebenem H und dem Zuggewicht T kann hiernach auch die erreichbare Geschwindigkeit ermittelt werden oder umgekehrt, wenn diese gegeben, das Zuggewicht T in t, wobei natürlich auch das Gewicht Q der L. als bekannt vorausgesetzt ist.
Vorstehende Rechnungen stützen sich auf Werte von N: H, d.i. auf die Dampferzeugung von 1 m2 Heizfläche. Letztere ist sehr schwankend und ändert bei sonst gleichen Verhältnissen schon durch Abweichungen des Verhältnisses R: H sehr stark. Strahl geht nun von der sehr richtigen Erwägung aus, daß die Dampferzeugung für den m2 Rostfläche viel geringer schwankt und berechnet zunächst die erzeugte Dampfmenge aus
Hierin ist
D = erzeugte Dampfmenge,
H = gesamte feuerberührte Heizfläche, eventuell einschließlich Überhitzer,
a = 3800 für Heißdampflokomotiven,
a = 4250 bei Naßdampflokomotiven.
Zu grunde gelegt wird ein Dampfverbrauch von
1112 | kg/PSi/Std. | für Naßdampfzwilling, |
9∙510 | kg/PSi/Std. | für Naßdampfverbund, |
6∙57 | kg/PSi/Std. | für Heißdampfzwilling, |
6∙06∙4 | kg/PSi/Std. | für Heißdampfverbund. |
Für das wirtschaftlichste pi = 3∙6 kg/cm2 bei 1 stufiger Dampfdehnung und pi = 3∙4 kg/cm2 bei 2stufiger Dampfdehnung ergibt sich eine bestimmte wirtschaftlichste Geschwindigkeit V', bei der die Leistung
Bei kleinerer oder größerer Geschwindigkeit Vkl bzw. Vgr ist dann
2. Schienenreibung, Kupplung der Achsen. Der nach den Witterungseinflüssen sehr verschiedene Reibungskoeffizient f zwischen Rad und Schiene kann zu 1/51/7 angenommen werden; wird ferner das Verhältnis der während des Anfahrens oder auf Steigungen geäußerten größeren Zugkraft Z1 zur normalen Zugkraft Z : [140] Z1/Z = m gesetzt, so ist für mittlere Verhältnisse das Reibungsgewicht in t
Qr größer zu wählen als 0∙006 m Z 13)
alsdann wird auch bei der größten, im Verlauf einer Treibradumdrehung geäußerten Zugkraft Z1 max kein Gleiten eintreten.
Da die Kupplung der Achsen zu bedeutenden Reibungen Anlaß gibt, so wird man von derselben nur dann Gebrauch machen, wenn ohne sie der Treibraddruck unzureichend ist.
Zur Vermehrung der Reibung an besonders glatten Stellen der Schienen oder beim Anfahren dient Sandstreuen von der L. aus oder durch die Bahnwachmannschaft.
3. Die Verteilung der Last auf die Achsen soll nach § 90 der TV. derart erfolgen, daß die gekuppelten Achsen möglichst gleichmäßig belastet sind; vorangehende (führende) Achsen sind weniger zu belasten als die folgenden Achsen; die Berechnung der Gewichtsverteilung erfolgt, nachdem die Lage des Schwerpunkts ermittelt ist, am besten zeichnerisch (s. Glasers Ann. 1897, Bd. I, S. 166).
Die durch Unebenheiten des Oberbaues entstehende ungleiche Belastung benachbarter Achsen wird durch Hebelverbindung der Federgehänge ausgeglichen.
Nach den übereinstimmenden Vorschriften der TV. (§ 64), den österreichischen Bestimmungen über die Vorlage der Typenpläne (§ 3) und der EBBO. für die Haupteisenbahnen Deutschlands (§ 29) darf der Druck eines Rads auf die Schiene bei stillstehendem Fahrzeug 7 t nicht übersteigen, doch sind nach den TV. und der BO. auf Strecken mit genügend tragfähigem Oberbau (so z.B. auf den meisten deutschen Hauptbahnen) 8 t zulässig.
In Belgien und Frankreich sind auf den großen Hauptstrecken 18 t, in England 20 t, in den Vereinigten Staaten von Amerika bis zu 28 t Achsdruck üblich.
Für fahrende Lokomotiven gestatten die technischen Vereinbarungen die Überschreitung obiger Werte durch überschüssige Fliehkräfte im Triebwerk bis zu 15%.
4. Der Durchmesser der Räder und die Abmessungen der Zylinder sind begrenzt durch die in den TV. § 102 gemäß nachstehender Angabe empfohlenen höchsten Umdrehungszahlen, die jedoch bisweilen, namentlich bei 4zylindrigen Lokomotiven mit 3 und mehr gekuppelten Achsen bis zu 20% überschritten werden.
A. Mindestens eine Achse unter oder hinter der Feuerbüchse:
B. Feuerbüchse überhängend und beliebige Zylinderlage:
1. 2 oder 3 gek. Achsen mit vorderer Laufachse, vorderem Dreh- oder Deichselgestell 240
2. 2 oder 3 gek. Achsen ohne vordere Laufachse, vorderes Dreh- oder Deichselgestell 220
3. 4 oder 5 gek. Achsen mit und ohne vordere Laufachsen 180
C. Triebdrehgestelle, mit oder ohne überhängende Feuerbüchse und beliebige Zylinderlage 200
Für Lokomotiven mit 2 Fahrrichtungen gelten jeweils die Ziffern, welche der Radfolge in der betreffenden Fahrrichtung entsprechen.
Meist werden die durch diese Tabelle gegebenen Umdrehungszahlen nicht erreicht. Ist V die Geschwindigkeit in km/Std., so kann man den Treibraddurchmesser in cm etwa zu
D = 80 + 1∙1 V 14)
wählen.
Für die Zylinderabmessungen gab noch v. Borries bestimmte Verhältnisse des Zylinderinhalts zur Heizfläche an. Solche Ziffern haben aber nur für ganz bestimmte Geschwindigkeiten Wert; soll z.B. die gleiche Zugkraft bei höherer Geschwindigkeit geleistet werden, so sind keine größeren Zylinder, wohl aber ein größerer Kessel nötig.
Bei größeren L. wählt man meist den Kolbenhub zu 600660, vereinzelt auch bis zu 720 mm, bei kleineren L. meist gleich oder etwas kleiner als den halben Raddurchmesser (maßgebend ist das Berühren des Profils durch die Stangenköpfe). Zu berechnen bleibt dann lediglich der Durchmesser. Es empfiehlt sich zunächst, den kleinsten zulässigen Durchmesser aus der größten geforderten Zugkraft (Zmax, am Radumfange) entsprechend Formel 6 zu berechnen aus:
15)
[141] Hierin ist p der Kesseldruck in at, α ein Koeffizient, der den Abfall des Drucks vom Kessel, den Gütegrad der Maschine und die bestimmten Füllungen entsprechenden Werte pi : p umfaßt.
Wird die größte Zugkraft nur während ganz kurzer Zeit gefordert, also z.B. nur beim Anfahren, so kann α = 0∙754 gewählt werden. Die L. ergibt dann die verlangte Leistung bei ausgelegter Steuerung, also unter unwirtschaftlichem Arbeiten. Wird die größte Zugkraft auf kurzen oder längeren Steigungen verlangt, so wird man je nach der Länge der Steigung mit Rücksicht auf wirtschaftlicheres Arbeiten mit α auf 0∙60∙55, bei Verbundlokomotiven auf 0∙500∙45 zurückgehen.
Für die normal erforderliche Zugkraft Z wird man ein wirtschaftliches Arbeiten mit möglichst ökonomischen Füllungen erstreben und den wünschenswerten Zylinderdurchmesser d aus der Formel
15a)
bestimmen.
Für Verbundlokomotiven ergibt
15b)
den Durchmesser des Niederdruckzylinders. Für 4zylindriges Triebwerk ergeben sich die Durchmesser zu ∾ 0∙7 d bzw. 0∙7 dn.
Die Werte von β können aus nachfolgender Tabelle entnommen werden.
Werte von β = N ∙ pi/p.
Diese Ziffern sind jedoch, namentlich für die höheren Umdrehungszahlen, nur als gute Mittelwerte zu betrachten. Sie können durch reichliche Schieberabmessungen etwas erhöht, durch knappe Abmessungen aber erheblich verschlechtert werden, u.zw. naturgemäß mehr bei den niedrigen als bei den hohen Füllungsgraden.
Bei Benutzung der Tabelle für β dürfen die Zugkräfte Z nicht nach den zu hohe Werte ergebenden Clarkschen oder Erfurter Formeln berechnet werden, sondern nach den von Frank gegebenen; für schnelle überschlägige Rechnung geben meist auch die Formeln von Troske
Z = 2∙5 + V2/1300 für Güterzüge,
Z = 2∙5 + V2/2300 für Personen- und Schnellzüge brauchbare Werte.
5. Beispiel einer Lokomotivberechnung.
a) Eine 4zylindrige Naßdampfverbundlokomotive soll auf wagrechter Strecke D-Züge von 10 Wagen zu 40 t, ausnahmsweise auch solche von 6 Wagen (6achsig) zu 48 t und 4 Wagen zu 40 t mit 100 km Geschwindigkeit dauernd befördern und letztere Züge auch mit verringerter Geschwindigkeit auf kurzen Steigungen von 1 : 180 noch fördern können.
Erfahrungsgemäß reicht eine 2 B-Lokomotive für solche Leistungen nicht aus, es wird vielmehr eine 2 B 1- oder 2 C-Lokomotive nötig werden, deren mittleres Dienstgewicht mit Tender auf 110 t geschätzt sei.
Z3 (wie Z2 berechnet) = 3490 kg.
Treibraddurchmesser:
Die Formel 14): D = 80 + 1∙1 V ergibt 190 cm. Ausgeführt sei D mit 200 cm, mit Rücksicht auf längere Dauerfahrten mit V = 100 km.
Leistungen:
Nach Formel 11) wird
[142] Für die Heizung des Zuges ist ein Zuschlag von etwa 20 m2 für Fall 2 zu machen, so daß mindestens 198 m2 Heizfläche nötig sind. Ausgeführt sollen werden mit Rücksicht auf Fall 3 etwa 215 m2, bei H : R = 55 würde eine Rostfläche von etwa 3∙9 m2 nötig.
Gewicht, Zahl der Achsen:
Ein Vergleich mit ausgeführten Abmessungen (Abschnitt V B) ergibt ein ungefähres Dienstgewicht von 72 t, das bei 16 t Achsdruck 5 Achsen erfordert. Als Reibungsgewicht wird nach Formel 13) nötig
Qr = 0∙006 ∙ 5600 = 33∙6 t.
Mit Rücksicht darauf, daß die Zugkraft von 5600 kg nur ausnahmsweise verlangt wird, also hierfür notfalls der Sandstreuer mit zu Hilfe genommen werden kann, da ferner 4zylindrige Lokomotiven infolge des gleichmäßigeren Drehmomentes weniger leicht schleudern, sollen nur 2 Achsen gekuppelt werden. Der Reibungskoeffizient wird dann
μ = 32000/5600 = 1/5∙7.
Es ergibt sich also eine 2/5 gekuppelte Lokomotive mit Achsenanordnung 2 B 1.
Zylinderabmessungen:
Angenommene Kesselspannung p = 14 at
und Kolbenhub l = 600 mm.
Kleinste Abmessungen aus Formel 15 b)
bei f = 50/60, n = 1∙4, β = 0∙405 (nach S. 142), dn1 = 81 cm (für 2zylindrige Lokomotive) oder 0∙7 ∙ 81 = 56∙7 cm für 4zylindrige Lokomotive. Für die normale Fahrt mit V = 100 km, also n = 4∙5 ist die wirtschaftlichste Füllung von etwa f = 40/50 anzunehmen, also β = 0∙21 zu nehmen; dann wird dn2 = 0∙7 ∙ 85∙5 cm = 57∙8 cm für 4zylindrige Lokomotive.
Die für Fall 3 erforderliche Zugkraft Z3 = 3490 ist rd. 17% größer als Z2, erfordert also ein β3 = 1∙17 ∙ 0∙21 = 0,245; dieses ist, wie Tabelle S. 142 erkennen läßt, mit f < 50/60 erreichbar.
Als Zylinderdurchmesser sei daher dn = 580 mm und bei einem Raumverhältnis 1 : 2∙5 dh = 370 mm gewählt.
b) Eine 2zylindrige Verbundlokomotive soll auf Steigung 1 : 40 Güterzüge von 280 t mit V = 20 km befördern. Die höchste Geschwindigkeit auf der Flachlandstrecke sei 45 km.
Dienstgewicht mit Tender geschätzt 90 t.
Zugwiderstand:
Z = (90 + 280) (2∙5 + V2/1300 + s) = 10.290 kg.
Raddurchmesser:
D = 80 + 1∙1 V = ∾ 130 cm.
Leistung:
H = 765/4∙3 = 178 m2, genommen 180 m2.
R = 180 : 60 = ∾ 3m2.
Gewicht, Zahl der Achsen:
Dienstgewicht etwa 66 t.
Qr = 0∙006 ∙ Z = ∾ 62 t.
Bei 14 t Achsdruck also 5achsige Lokomotive nötig, deren sämtliche Achsen zu kuppeln sind.
Zylinderabmessungen:
Gewählt: Kesseldruck p = 14 at
Kolbenhub l = 630 mm.
Für Füllung f = 50 60 wird bei n = 1∙4 etwa β = 0∙405. Unter Umständen wird man bei schweren Gebirgslokomotiven f noch etwas größer wählen müssen, weil sonst der Niederdruckzylinder im Profil nicht mehr unterzubringen ist.
dh = 54∙5 cm bei Raumverhältnis 1 : 2∙5.
6. Betriebsergebnisse. Zur Beurteilung der verschiedenen Verhältnisse ist nachstehend eine Reihe von Versuchsergebnissen zusammengestellt. Es sind hierbei möglichst nur solche Versuche berücksichtigt, die mit gut unterhaltenen L. im Betriebe gemacht sind oder doch normalen Betriebsverhältnissen entsprechen.
v hinter der Typenbezeichnung = Verbund.
2, 4 als Exponent geschrieben = Zahl der Zylinder.
= Heißdampf.
Tr = Triebwerk: Durchmesser der Zylinder, Kolbenhub und Raddurchmesser.
T = Tender, Zahl davor: Achsenzahl; Zahl dahinter: Wasserraum in m3.
R = Rostfläche.
H = Heizfläche (eventuell einschl. Überhitzer), stets feuerberührt gemessen.
Qr = Reibungsgewicht.
Qd = Dienstgewicht.
Td = Dienstgewicht des Tenders.
PSi = Indizierte Leistung.
Zi = Indizierte Zugkraft.
Zz = Zugkraft am Tenderzughaken.
V = Geschwindigkeit in km/St
a) 2/4 S2 v 3 T 14 der österreichischen Staatsbahn (vgl. Verkehrstechn. W. 1909/10, S. 702).
R = 3∙0 | H = 142 | p = 13 |
Qr = 28∙8 | Qd = 55∙6 | Td = 36∙7 |
Brennstoff: Ostrauer Kohle von etwa 6250 WE.
Verbrennung und Verdampfung:
[143] Normale Dauer-Beanspruchung:
Indizierte Zugkräfte:
Dampfverbrauch für die PSi-Stunde:
Widerstand der L. (mit Tender) W:
Schleppleistung:
b) 2 C 14 v 3 T 20 der Paris-Orléansbahn (Abb. 191) (vgl. Rev. gén. 1909, Bd. I, S. 180).
R = 4∙27 | H = 257∙3 | p = 16 |
Qr = 52.300 | Qd = 90.000 | Td = 46.000 |
Brennstoff: 50% Briketts, 50% Cardiff- oder Carmaux-Stückkohle.
Mittelwerte aus einer Reihe von Versuchsfahrten:
Zuglast | t | 380 |
Mittlere Geschwindigkeit | km/Std. | 57∙7 |
Leistung am Radumfang | PS | 1240 |
Leistung am Tenderzughaken | PS | 856 |
Brennmaterial pro km | kg | 39∙5 |
Verbrennung auf 1 m2 | ||
Rostfläche und Stunde | kg | 532 |
Verdampfung auf 1 m2 | ||
Rostfläche und Stunde | kg | 3860 |
Verdampfung auf 1 m2 | ||
Heizfläche und Stunde | kg | 62 |
Dampfverbrauch für 1 | ||
PSi stdl. | kg | 13∙3 |
Kohlenverbrauch für 1. | ||
PSi stdl. | kg | 1∙84 |
Kohlenverbrauch von 8 bzw. 9 in Limoges stationierten L. im März bis Mai 1908 für 192.990 Zug km, für 100 t km 4∙66 kg.
Indizierte Leistungen PSi:
c) 2 D 4 v 2 T 15 der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn (Taf. II, Abb. 12) (vgl. Rev. gén. 1910, Bd. II, S. 246).
R = 3∙08 | H = 247∙18 | (Serverohre) p = 16 |
Qr = 56.560 | Qd = 72.500 | Td = 39.206 |
Versuchsfahrten mit Güterzügen von 918, 1211 und 15031510 t Gewicht ausschließlich L. auf Flachlandstrecke Montereau-St. Julien du Sault, Länge 55∙8 km, Höhenunterschied 27∙4 m.
Brennmaterial: Förderkohle.
[144] Indizierte Leistungen PSi:
Schieberkastendruck 12 at.
d) 5/5 G2 v 3 T 14 der österreichischen Staatsbahn (vgl. Verkehrstechn. W. 1909/10, S. 199).
R = 3∙0 | H = 184 | p = 14 |
Qr = Qd | = 66∙93 | Td = 32∙7 |
Widerstand der L. (mit Tender) W:
Leistung und Zugkraft:
Schleppleistung:
V. Geschichte und Entwicklung der Bauformen.
A. Abschnitt bis 18315.
Der erste rohe Entwurf zur Anwendung der Dampfkraft für den Verkehr zu Lande rührt von Isaac Newton her, der 1680 einen kugelförmigen Kessel auf einen Wagen setzte; der aus einem rückwärts gerichteten Rohr austretende Dampf trieb den Wagen durch Rückdruck vorwärts.
An der Vervollkommnung der Straßenlokomotive arbeiteten mit Entwürfen und Ausführungen in den nachfolgenden Jahren:
Edgeworth (1768), Cugnot (1769), Watt & Murdock (1784), Read (1790), Evans (1784 bis 1804). Letzterer sagte im Hinblick auf seine Erfindung einer Straßenlokomotive mit Hochdruckdampfmaschine, der eine praktische Anwendung zu geben ihm trotz vieler Bemühungen nicht gelang:
»Es wird eine Zeit kommen, wo man im Dampfwagen von einer Stadt zur andern fast mit derselben Geschwindigkeit wie der Flug der Vögel reisen wird. Am Morgen wird ein Wagen von Washington abgehen, dessen Passagiere an demselben Tag in Baltimore frühstücken, in Philadelphia zu Mittag und in New-York zu Abend speisen werden.«
Rich. Trevithick und Andrew Vivian bauten 18026 einen Dampfwagen, der nach London zur Schau gebracht wurde, aber keinen rechten Erfolg hatte.
Dieser Straßendampfwagen hatte einen wagrechten Zylinder, der auf eine mit der Treibachse durch Zahnräder gekuppelte Blindachse einwirkte. Zur Anfachung des Feuers wurden von der Treibachse Blasebälge angetrieben. Am Räderrand vorspringende Bolzen sollten das Ausgleiten verhindern. Andere Verwendung als zu einer gelungenen Probefahrt vom Erbauungsort Camborne nach Plymouth und zu einer öffentlichen Ausstellung in London fand nicht statt.
Walter Hancock verbesserte die Dampfwagen am nachhaltigsten. Ende 1833 waren in und um London 20 Dampfwagen und Straßenlokomotiven in Betrieb, bzw. im Bau begriffen. 1834 führte Hancock auf österreichische Bestellung eine Zugmaschine aus, die 10 Personen trug und einen Wagen mit 6 Reisenden zu ziehen hatte.
Die erste in Gebrauch genommene Eisenbahnlokomotive u.zw. mit glatten Treibrädern wurde 1804 im Februar von Trevithick vollendet[145] und auf der Merthyr-Tydvil-Bahn, einer der vielen für Pferdebetrieb hergerichteten Schienenbahnen in Wales, zur Roheisenbeförderung verwendet (Abb. 175).
Am vorderen Kesselende lag ein wagrechter Zylinder von 102 mm Durchmesser und 1370 mm Hub, der auf eine mit den Treibrädern durch Zahnräder gekuppelte Schwungradwelle einwirkte. Der Abdampf strömte feueranfachend in den Schornstein und machte Blasebälge überflüssig. Der Betriebsdruck betrug nur 2∙8 at. Diese erstmalige Anwendung des Lokomotivblasrohrs wird durch eine Gilbertsche Mitteilung in the 12th volume of Nicholsons Journal 1805 bestätigt.
1808 setzte Trevithick eine ähnlich gebaute L. »catch me who can« in London mit 10 t Gewicht, 370 mm Zylinderdurchmesser und 1∙2 m Hub für kurze Zeit in Betrieb.
1811 nahm Blenkinsop ein Patent auf eine L. mit Zahneingriff in eine längs der Schiene gelegte Zahnstange; die Ausführung einer solchen L. erfolgte 1812 durch Murray für die Middleton-Kohlenbahn; sie wog 5 t und beförderte 15 t auf Steigung 1 : 15.
1812 machten Gebrüder Chapmann den Vorschlag, das Feuer durch einen Ventilator anzufachen und die L. durch eine über die Bahn gespannte Kette fortzubewegen, die um eine auf der L. stehende, zu drehende Trommel geschlungen war (später bekannt als sog. Lebretscher Entwurf). Eine L. dieser Art wurde auf der Hetton-Eisenbahn bei Newcastle probiert.
1813 versuchte Brunton auf den Butterley-Eisenwerken die Adhäsion der Räder durch 2 Gelenkbeine am hinteren Ende, welche von der Dampfmaschine abwechselnd wie Pferdebeine geknickt und gestreckt wurden, zu ersetzen.
Blackett und Hedley hatten inzwischen an einem von Hand bewegten Wagen mit Kurbelachsen eingehende Versuche über die Schienenreibung angestellt, dabei glatte Treibräder als ausreichend befunden. Blackett selbst bemühte sich wiederholt, aber vergeblich, einen Dampfwagen herzustellen. Hedley dagegen führte einen solchen nach mancherlei Versuchen und Änderungen für die Wylam-Kohlenbahn auf Grund eines ihm 1813 erteilten Patents aus. Es ist dies die erste brauchbare L., zugleich auch die erste mit schmiedeeisernem Kessel. Zu beiden Seiten des Kessels befindet sich ein senkrechter Zylinder mit 230 mm Durchmesser und 914 mm Hub. Die Bewegung wird mittels Schwinghebel und Lenkstange auf eine Blindachse unter dem Kessel und von dort durch Zahnräder auf die beiden Triebachsen übertragen. Eine gleiche L., Puffing Billy, tat bis 1862 Dienst und steht im Original im South Kensington-Museum in London und in naturgetreuer betriebsfähiger Nachbildung im deutschen Museum in München.
1814 baute George Stephenson, der eigentliche Begründer der Lokomotiveisenbahnen (am 9. Juni 1781 als Sohn eines armen Kohlenarbeiters im Dorf Wylam geboren), seine erste L. »Blücher« für das Kohlenbergwerk Killingworth bei Newcastle. Der Kessel war schmiedeeisern; die 2 in den Kessel eingebauten senkrechten Zylinder mit 202 mm Durchmesser und 609 mm Hub trieben einen Satz Räder, die miteinander durch ein zwischengelagertes Zahnrad und mit Zahnrädern auf den beiden Treibachsen in Eingriff standen. Die Hinterachse war mit der Tendervorderachse zur Adhäsionsvermehrung durch eine Kette ohne Ende gekuppelt; die Anordnung bewährte sich nicht.
1815 baute Stephenson eine zweite L., bei der die beiden Treibräder derselben Maschinenseite mit rechtwinklig zueinander stehenden Kurbeln durch Ketten gekuppelt waren. Stephenson & Dodd erhielten dann am 28. Februar 1815 ein Patent, nach dem die rechtwinklige Kurbelstellung der beiden Treibräder durch eine Kuppelstange mit Angriff an einer rechtwinklig abgekröpften Gegenkurbel des einen Räderpaars oder durch die in Abb. 176 gezeichnete Kette ohne Ende erhalten blieb.
Bei der dritten Bauart vom Jahre 1816 (Abb. 176) stützten kleine Dampfzylinder die L. und dienten als Federn (hierauf hatten Losh & Stephenson ein Patent erhalten); diese Federung bewährte sich wegen der Undichtigkeiten und der Abhängigkeit vom Kesseldruck nicht; an ihre Stelle traten Stahltragfedern.
Unter den 1816 und 1817 von Stephenson gebauten L. war eine solche für den Herzog von Portland im Preis von 15.000 M., die erst 1848 ausgemustert wurde.[146]
1822 wurden auf der Hetton-Bahn unweit Sunderland 5 Stephensonsche L. ähnlich den vorigen, im Volksmund Iron horses geheißen, in Betrieb genommen. Bis 1825 hatte Stephenson bereits 16 L. gebaut.
1823 wurde er Ingenieur der Stockton-Darlington-Bahn, 1824 gründete er mit Unterstützung des Mr. Edward Pease die von seinem Sohn Robert betriebene Lokomotivfabrik in Newcastle, in der die erste L. zur Eröffnung der Stockton-Darlington-Bahn »Locomotion« am 27. September 1825 fertig wurde, an welchem Tag sie nach »Thurston« eine Zuglast von 90 t mit 19, zuweilen sogar 24 km/Std. befördert haben soll. Bei ihrer Bauart waren die unpraktischen Ketten durch die oben beschriebenen Kuppelstangen ersetzt. Die Leistungsangabe klingt sehr unwahrscheinlich; es dürfte Verwechslung mit den Leistungen der L. »Planet« (s.u.) vorliegen. Sie entspricht der Bauart von 1815; die Kupplung erfolgte durch Kuppelstangen; noch ist das einfache Flammrohr vorhanden. Auch diese L. ist erhalten; sie steht vor dem Bahnhofe in Darlington.
Die 1825 auf der Wylam-Eisenbahn angewendeten L. waren wegen großen Gewichts auf 2 besondere Gestelle (bogies) mit je 4 Rädern gesetzt; das war die erste Anwendung der Bogies, welche schon 1812 im Chapmannschen Patent vorgeschlagen worden waren.
1826 wurden die bis dahin gußeisernen Räder von Wood mit schmiedeeisernen Radreifen versehen, deren Bewährung 1827 die Bedlington-Eisenhütte zur Anlage des ersten Reifenwalzwerks veranlaßte.
1827 brachte Tim. Hackworth als Betriebsleiter der Stockton-Darlington-Bahn zuerst an einer L. »Royal George« die Zylinder auf beiden Seiten des Kessels, jedoch wie bisher stehend, an und ließ beide auf dieselbe Treibachse wirken, deren Kurbeln rechtwinklig versetzt und mit den Kurbelzapfen der gekuppelten Achsen durch Kuppelstangen mit nachstellbaren Lagern verbunden waren.
Hackworth wendete auch bei dieser L. als erster ein richtig angeordnetes, kräftig wirkendes Blasrohr im Schornstein an. In der Rauchkammer befand sich ein durch Abdampf zu heizender Speisewasserbehälter, durch Exzenter wurde eine kurzhubige Speisewasserpumpe angetrieben, die Gewichte der Sicherheitsventile waren durch Federn ersetzt.
1828 baute R. Stephenson für die Bolton-Eisenbahn eine 2fach gekuppelte L. mit Angriff der Kuppelstangen nach Hackworths Art, aber geneigt neben der Feuerung am Kessel befestigten Zylindern; diese L. bildete den Übergang zu der Preislokomotive »Rocket«.
Die beschriebenen L. wurden infolge der schwachen Dampferzeugung und der sich daraus ergebenden geringen Geschwindigkeit ausschließlich für die Kohlenbeförderung verwendet. Obgleich die Fortschritte der Hackworthschen L. den Bau von kräftigen schnellfahrenden L. zur Personenbeförderung anregten und obwohl G. Stephenson, der als ausführender Ingenieur zum Bau der Liverpool-Manchester-Eisenbahn übergetreten war, im Interesse dieser Bahn für den Ersatz des Pferdebetriebs durch L. mit seinem ganzen Einfluß auftrat, so fand sich doch zunächst in England wenig Stimmung hierfür.
Wie wenig einsichtige Ingenieure Englands an eine Zukunft der L. glaubten, erhellt aus einem Ausspruch von Ellijah Galloway in seinem 1828 in London in zweiter Auflage erschienenen Werk: History of the steam engine:
»Die L. sind lange in den Killingworth-Kohlenwerken bei Newcastle und in denen von Hetton (Wear) benutzt worden, so daß Vor- und Nachteile sorgfältig haben studiert werden können; trotzdem und trotz der großen Anstrengungen des Erfinders Stephenson, sie bei den bestehenden, im Bau begriffenen Eisenbahnen einzuführen, entsprechen sie nach Ansicht der angesehensten Ingenieure nicht den vom Erfinder in Aussicht gestellten Vorteilen; es gibt in der Tat keinen besseren Beweis für die in Hinsicht ihrer Nützlichkeit bestehenden Zweifel, als die Tatsache, daß auf der zwischen Newcastle und Carlisle zu erbauenden Eisenbahn keine L. benutzt werden sollen; denn, wären ihre Vorzüge einleuchtend, so würden sie den unmittelbar am Benutzungsort Newcastle wohnenden Personen bekannt geworden sein.«
Galloway erblickte (wohl mit Recht) einen großen Fehler darin, daß der Zylinder infolge der senkrechten Lage, die den damals bekannten Ausführungen eigen war und erst von Stephenson 1828 bei der L. für die Bolton-Eisenbahn vermieden wurde, ober- und unterhalb des Kolbens einen der Federung der Achsen entsprechenden, ziemlich beträchtlichen Spielraum haben mußte, der den Dampfverbrauch ungünstig beeinflußte und auch nicht selten zu Zylinderbrüchen führte.
Die Direktoren der Liverpool-Manchester-Eisenbahn zogen noch in dem Eröffnungsjahr 1829 ernstlich in Erwägung, den Betrieb der 48 km langen Bahn mit stationären Dampfmaschinen zu führen.
Inzwischen 1829 waren jedoch zwei L. von G. Stephenson für die Bahn Lyon-St. Etienne nach Frankreich geliefert worden; die ersten, die überhaupt Frankreich besaß7. Diese erreichten bei den Probefahrten nur 67 km Stundengeschwindigkeit; Séguin, Direktor der[147] Bahn, erkannte die Notwendigkeit der Steigerung der Dampfentwicklung und wendete daher auf die nach Stephensons Modell im Bau begriffenen L. die ihm bereits am 22. Februar 1828 für stationäre Kessel patentierten engen Heizrohre an, indem er den dadurch unentbehrlich gewordenen stärkeren Zug der Feuerluft durch einen Zentrifugalventilator ergänzte. In einer Patentschrift Séguins vom 23. März 1830 ist ein Lokomotivkessel gezeichnet mit unter dem Zylinderkessel liegender Feuerung, die von einem Ventilator angefacht wird, während die Feuergase nach Umspülung des unteren Langkessels ihren Rückweg zu dem am Feuerende liegenden Schornstein durch ein Bündel Heizrohre nehmen. M.. Pelletan verbesserte diese Anordnung durch Einführung des Auspuffdampfs in den Schornstein, indem er das in England durch Trevithick 1804 bekanntgewordene und durch Hackworth brauchbar gemachte Blasrohr angeblich erneut erfand.
Diese Entwicklung der L. in Frankreich hatte einen namhaften Einfluß auf den Erfolg der Bemühungen G. Stephensons um Veranstaltung eines Wettbewerbs für L. durch die Liverpool-Manchester-Eisenbahn.
Es wurde ein Preis von 10.000 M. für die beste L. ausgesetzt; diese sollte ihren eigenen Rauch verbrennen, auf der Horizontalen und bei 3∙5 kg Dampfspannung das 3fache ihres Eigengewichts mit 16 km/Std. befördern, bis Schornsteinoberkante nicht über 4∙5 m hoch sein, bei 3achsiger Ausführung nicht mehr als 6 t, bei 2achsiger nicht mehr als 41/2 t wiegen und auf Federn ruhen. Der Kessel sollte 2 Sicherheitsventile, davon eines außerhalb des Führerbereichs besitzen.
Die L., deren Preis 10.000 M. nicht übersteigen durfte, sollte spätestens am 1. Oktober 1829 in Liverpool fertig vorgeführt werden.
Bei der Probe auf der Ebene von Rainhill (3218 m wagrecht) vom 6. bis 8. Oktober 1829 erschienen 3 L.:
1. »Novelty« von Braithewaite & Erikson in London;
2. »Rocket« von Rob. Stephenson & Co. in Newcastle (nach Plänen von George und Rob. Stephenson);
3. »Sanspareil« von Timothy Hackworth in Shildon.
Zum Versuch war ferner außer einer ungenannt gebliebenen fünften L. angemeldet:
4. »Perseverance« von Burstall.
Alle 4 L. waren Reibungslokomotiven.
Nr. 3 und 4 entsprachen den Bedingungen nicht.
Die »Novelty« (Abb. 177) machte einen sehr guten Eindruck. A ist der im Artikel Lokomotivkessel (s.d.) beschriebene Kessel (vgl. S. 194 und Taf. VI, Abb. 2). Das Brennmaterial wird durch den Stutzen L der Feuerbüchse S zugeführt; unter dem Rost mündet ein Rohr vom künstlichen Gebläse C. Vom Kolben D aus wird die Bewegung durch Punkt G des Winkelhebels auf die Pleuelstange übertragen, die die rechts gezeichnete Achse antreibt, mit der die andere durch Kettenrad und Kette gekuppelt werden kann. B dient als Wasserbehälter. Koks wurde in Körben mitgeführt. Das Gewicht der »Novelty« betrug etwas über 3 t. Die »Novelty« fuhr zwar zeitweilig mit 45 km pro Stunde, mußte jedoch wegen Versagens des Gebläses der »Rocket« das Feld allein überlassen.
»Rocket« (Abb. 178 a), deren Kessel im Artikel Lokomotivkessel in Taf. VI, Abb. 3, dargestellt ist, hatte nach beistehendem Querschnitt (Abb. 178 b), u.zw. auf Empfehlung des Sekretärs Henry Booth der Liverpool-Manchester-Eisenbahn (s. Bd. II., S. 460), den man in England nach obigem irrtümlich für den Erfinder der Feuerrohre hält, 25 Stück 76 mm weite kupferne Feuerrohre zwischen der wasserumspülten Feuerbüchse und der Rauchkammer.
Die Auspuffrohre ließen ursprünglich den Dampf frei entweichen; Vorversuche zeigten[148] große Überlegenheit der »Sanspareil« mit ihrem Blasrohr hinsichtlich der Dampfentwicklung und am Abend des ersten Versuchstags wurden die Ausströmrohre der »Rocket« als Blasrohr in den Schornstein geleitet.
Die »Rocket« wog mit Wasser im Kessel 4∙5 t; der angekuppelte Tender nebst Wasserfaß etwas über 3 t; am zweiten Versuchstag wurde ein Wagen mit 30 Reisenden bei 40 bis 48 km/Std. Geschwindigkeit befördert; 2 beladene Wagen, über 9 t wiegend, mit 38 km. Die größte, beim Wettbewerb überhaupt und auf kurze Zeit erreichte Geschwindigkeit soll 46∙5 km/Std. betragen haben. Ein am Schornstein angebrachter siphonartiger Wasserdruckmesser zeigte während der Fahrten des zweiten Versuchstags einen Luftzug von 76 mm Wassersäule an.
Nur Stephensons L. hatte vermocht, den vorgeschriebenen Weg von 112 km zurückzulegen; der Erfolg war ein glänzender. Für die Liverpool-Manchester-Eisenbahn wurden sofort 8 L. nach Art der »Rocket« bestellt, deren letzte den Namen »Arrow« erhielt (s. nachfolgende Tabelle).
Die »Rocket« steht jetzt im South Kensington-Museum in London. Sie ist als die Stammutter der heutigen L. zu bezeichnen, da sie die Zeit der Lokomotivbahnen einleitete und auch bereits die wichtigsten Bauteile der heutigen L. enthielt.
Ein Gesamtbild über Art und Leistungen der besprochenen L. gibt nachfolgende Tabelle:
Die Änderung bei »Rocket« bestand in Anbringung des Blasrohrs. »Sanspareil« hatte an einem Zylinder einen Gußfehler, der beim ersten Versuch schon zum Zylinderbruch führte. Das Fahren mit einem Zylinder und die Vergeudung des frei abströmenden Dampfes verursachten den großen Brennmaterialverbrauch.
An der »Novelty« bestand die Änderung in der Anbringung eines besonderen Zylinders für die Blasebälge.
Abb. 179 zeigt die Anordnung der L. »Northumbrian«, eine der nach Muster der »Rocket« für die Liverpool-Manchester-Eisenbahn gebauten 8 L. Bei diesen L. wurde die Zahl der Feuerrohre allmählich von 25 auf 92 Stück (»Arrow«) von 51 mm Durchmesser erhöht. Alle L. der »Rocket«-Klasse zeigten bei großer Geschwindigkeit unruhigen Lauf. Inzwischen hatte Hackworth 1830 auch 2 L. für die Liverpool-Manchester-Eisenbahn entworfen, von denen die erste als zu schwer verworfen wurde, während die zweite sehr brauchbar war; als Neuerungen wies sie 2 innenliegende wagrechte Zylinder und eine doppeltgekröpfte Treibachse auf; die Schieber wurden je durch ein besonderes Exzenter angetrieben, das auch für die Pumpen diente.
Die neunte, von Stephenson für die Liverpool-Manchester-Eisenbahn gebaute L. »Planet« vereinigte in sich alle bis dahin bekanntgewordenen Verbesserungen: Röhrenkessel, Blasrohr, innenliegende wagrechte Zylinder (in die Rauchkammer verlegt) und doppelt gekröpfte Treibachse. Diese L. hatte 129 Rohre von[149] 41 mm Durchmesser; der Kesseldurchmesser betrug 0∙914 m bei 1∙98 m Länge, die Heizfläche 3∙46 m2 in der Feuerbüchse und 34∙34 m2 in den Röhren. Die L. soll am 4. Dezember 1830 einen gemischten Zug von 77 t in 2 Stunden 39 Minuten von Liverpool nach Manchester gefahren haben, mit 24 km Höchstgeschwindigkeit pro Stunde auf wagrechter Strecke bei ungünstigem Wind.
Abb. 180 zeigt eine nach der L. »Planet« von Stephenson 1830 gebaute L. »Mercury«, die sich von der »Planet« durch wesentliche Einzelverbesserungen unterschied.
Das Steuerungsgetriebe war noch wenig entwickelt; 2 miteinander verschraubte Exzenter (je für 1 Zylinder) wurden auf der Treibachse zwischen den Kurbelarmen durch einen Trethebel vom Führer hin- und hergeschoben und so je nach Vor- oder Rückwärtsgang mit dem einen oder andern Kurbelarm durch Stifte gekuppelt. Die Gabeln zum Anschluß der Exzenterstangenenden an den Schieberstangen konnten durch 2 besondere Handhebel vom Führer ausgelöst werden, wenn, was beim Anfahren meistens nötig war, die Schieber von Hand bewegt werden mußten, wozu abermals 2 Handhebel auf dem Führerstand vorgesehen waren. Der Führer hatte sonach beim Anfahren außer dem Regulatorgriff 4 Handgriffe und einen Trethebel für die Steuerung zu bedienen. (Die Entwicklung der Steuerung ist eingehend in Clark, Railway machinery, und Heusinger v. Waldegg und Clauß, Lokomotivmaschine, behandelt.)
B. Abschnitt: 1831 bis zur Neuzeit.
Aus dem ersten Abschnitt sind schon die wichtigsten Grundlagen der modernen L. bekannt: Die wasserumspülte Feuerbüchse als Verbrennungsherd mit dem Rohrbündel im Langkessel; das den Auspuffdampf zur Feueranfachung ausnutzende Blasrohr und die zu beiden Seiten der Längsachse wagrecht oder schwach geneigt angeordneten Zylinder mit unmittelbarer Einwirkung auf die Räder ein und derselben Achse.
Die weitere Entwicklung wendet sich hauptsächlich der Steigerung der Leistungsfähigkeit von Kessel und Maschine, der Steuerung der Dampfzylinder und dem Gestell der L. dem Rahmen nebst Achsen und Federn zu sowie auch der Vervollkommnung aller Einzelteile. Neben England erlangte Amerika zunächst eine namhafte Einwirkung. Sehr bald aber setzte der Lokomotivbau auch in den übrigen Kulturländern ein. Ein gewisser Stillstand in der Weiterentwicklung trat Ende der Sechzigerjahre ein, bis etwa 20 Jahre später durch die Einführung der Verbundwirkung, der bald die des 4zylindrigen Triebwerks und des Heißdampfes folgte, ein neuer Aufschwung begann.
1. In England nahmen Vignoles und Erikson am 7. September 1830 ein Patent auf eine L. zum Betrieb starker Steigungen, bei der, zur Erhöhung der Reibung, an eine erhöhte Mittelschiene beiderseits wagrecht gelagerte kleine Räder angepreßt wurden. Segnier schlug nach dem Unglück auf der Versailler Eisenbahn, am 8. Mai 1842, dieselbe Einrichtung zur Verhinderung der Entgleisung vor. Auch Krauß, Fell und Hanscotte (s. w. u.) kamen bei ihren Gebirgslokomotiven auf diesen Vorschlag zurück.
Die L. der »Mercury«-Klasse wurden mit 51/2 t Treibachsdruck und 48 km Geschwindigkeit sehr bald den Schienen von 35 lbs (18 kg pro 1 m) so verderblich, daß zur Lastverringerung durch Anwendung einer dritten Laufachse geschritten wurde. Die Treibachse blieb dafür in der Mitte liegend flanschlos.
Um die Maschinenteile zugänglicher zu machen, bauten Forrester & Co. in Liverpool 1834 eine 3achsige L. mit außenliegenden Rahmen, Zylindern und Schieberkasten, deren Steuerungsgetriebe außen oberhalb der Treibachse angeordnet war. Die ganz vorn liegenden Zylinder verursachten aber unruhigen Gang.
Hawthorn in Newcastle führte 1837 für jeden der 2 Zylinder 2 feste Exzenter ein, deren Verbindung mit dem Schieber aber noch sehr umständlich war. Obwohl abgesehen von der »Novelty« die erste Tenderlokomotive »Eclipse« bereits 1837 von Dr. Church in Birmingham entworfen und ausgeführt wurde, so gelangten solche erst von 1847 ab zur häufigeren Anwendung. »Eclipse« war 4rädrig und hatte nach Art der »Rocket« die Treibachse mit 1∙890 m Raddurchmesser vorn; die Zylinder von 300 × 610 mm lagen außerhalb der Rahmen hinten wagrecht unter dem Führerstand.
Der 1839 gemachte Versuch, Kohle statt Koks zu feuern, scheiterte an der Rauchentwicklung.[150]
Stephenson stellte vor 1840 die Lokomotivräder mit gußeiserner Nabe und Felge und umgossenen röhrenförmigen schmiedeisernen Speichen her; die aus Schmiedeisen geschweißten Radreifen waren nur durch Aufschrumpfen befestigt.
Mit dem Bedürfnis, schwere L. zu beschaffen, wuchs die Schwierigkeit, die Dampfmaschine zwischen den Rahmen bei 1∙435 m Spurweite unterzubringen, umsomehr, als die Steuerung sehr sperrig war. Braithwaite sah sich allein hierdurch veranlaßt, bei der Eastern-Counties-Eisenbahn, 1839 eröffnet, 1∙524 m Spurweite anzuwenden.
Brunel ging bekanntlich in der Spurweite für die Great Western-Eisenbahn bis zu 7' (2∙134 m). Die 40 L., die 1840 auf dieser Bahn in Betrieb gesetzt wurden, waren bis auf eine 3achsig und hatten bei 65 m2 Heizfläche 1∙82 m Treibraddurchmesser und darüber, bei einer Versuchslokomotive sogar 3∙05 m.
Bury, später Superintendent der 1837 eröffneten London-Birmingham-Eisenbahn, hatte von 1830 ab für Einführung, bzw. Beibehaltung 4rädriger L. gewirkt. Als er 1845 ausschied, waren bei der London-Birmingham-Eisenbahn eine 6rädrige und 89 4rädrige L. in Dienst; deren Zylinder hatten 304354 × 556 mm; 1∙671∙82 m Treibraddurchmesser bei der ungekuppelten Personenzuglokomotive, 1∙52 m bei der gekuppelten Güterzuglokomotive. Die schwerste 2achsige Burysche L. wog leer 13∙5 t.
1842 hatte sich R. Stephenson seine ungekuppelte 3achsige L. mit langem Kessel patentieren lassen. Durch Verlängerung des Kessels von 2∙44 auf 4∙26 m wurde die Rauchkammertemperatur von 410° auf 230° C herabgezogen. Alle Achsen lagen bei 3∙65 m Radstand vor der Feuerkiste. Ohne Gegenstand des Patents zu sein; waren die Schieberspiegel der außenliegenden Zylinder einander zugekehrt, standen also senkrecht; hierdurch war direkter Anschluß zwischen Exzenterstangen und Schieberstangen möglich; vermittelt wurde dieser durch die nachmals berühmt gewordene, noch heute in Anwendung stehende sog. Stephensonsche, wahrscheinlich aber von Howe, einem Angestellten Stephensons, erfundene Kulisse. Vorläufer dieses Steuerungsgetriebes waren die von John Gray und Williams 1839 und 1840 in England und die von Cabry in Belgien 1841 ersonnenen Steuerungen mit veränderlicher Expansion durch Anwendung kulissenartiger geschlitzter Hebel. Schon 1843 trat Gooch mit seiner Kulissensteuerung, die 1856 von Allan überholt wurde, in Wettbewerb. Mit seiner »Long boiler«-Lokomotive erbrachte Stephenson den Beweis, daß die normale Spur durchaus genüge, die Leistungsfähigkeit nach Erfordernis zu steigern. 1846 sollen mindestens 150 dieser L. in Betrieb gewesen sein.
Die überhängenden Massen ergaben bei 7080 km Geschwindigkeit derart störende Bewegungen, daß sich der Erfinder 1844 entschloß, die Treibachse aus der Lage zwischen den Laufachsen als letzte vor die Feuerbüchse zu verlegen und die Zylinder zwischen den Laufachsen anzuordnen. 1846 fügte er eine vierte Achse als hintere Laufachse zu.
Das 1846 an Crampton erteilte Patent, die Treibachse mit Rädern größten Durchmessers hinter die Feuerbüchse zu legen, um die Kesselunterkante bis auf die Laufachsen senken und so niedrigste Schwerpunktlage erzielen zu können, enthielt folgerichtig ferner den Vorschlag, das gesamte Gewerk außen anzubringen. Erst 1847 wurden die ersten L. dieser Art für die Eisenbahn Namur-Lüttich gebaut Abb. 181 zeigt eine L. dieser Bauart. (F. Gaiser, Die Crampton-Lokomotive. 1909.)
In dem Bestreben, die Überlegenheit der breiten Spur darzulegen, führten Brunel und Gooch 1850 für die Great Western-Eisenbahn die »Great-Britain«-Lokomotivklasse, eine 2 A 1-Lokomotive mit Tr = 456/610/2438, R = 1∙95, H = 181, Qd = 34 ein. Die Heizfläche verteilte sich mit 14∙2 m2 auf die Feuerbüchse und 167∙1 m2 in den 305 Rohren von 50 mm Durchmesser.
Die Antwort der Anhänger der normalen Spur auf diese Herausforderung der breitspurigen war eine 3 A-Lokomotive »Liverpool« Cramptonscher Bauart von Tr = 456/610/2438, R = 2, H = 213, Qd = 36∙8, Qr = 12∙2 für die London and North Western-Eisenbahn von Bury, Curtis und Kennedy. Bei der Beförderung der Eilzüge London-Wolverton beförderte sie einst einen Zug von 40 Achsen, die 3fache Leistung anderer L., in der fahrplanmäßigen Zeit; sie mußte jedoch bald aus dem Dienst zurückgezogen werden, weil sie infolge ihres Gewichts und Radstands (5∙64 m) den Oberbau zu arg gefährdete.
Geringer Treibachsdruck war infolge der Achsenanordnung ein schwerer Fehler der Crampton-Lokomotiven;[151] sie blieben daher nur für sehr leichte Züge geeignet.
Auf der Weltausstellung in London 1851 war eine der 8 von Stephenson für die South Eastern-Eisenbahn gebauten Crampton-Lokomotiven »Folkestone« ausgestellt. Eine L. dieser Klasse beförderte 44 t mit 104∙8 km/Std. und erreichte im Gefälle eine Geschwindigkeit von 117∙6 km.
Die über das Ziel hinausschießenden Bestrebungen im Bau schwerer L. hatten den nicht zu unterschätzenden Vorteil, daß der Oberbau beizeiten sich den schwersten Anstrengungen anpassen mußte.
W. B. Adams verfocht mit vielem Geschick die Anwendung leichterer Betriebsmittel; von ihm rührte die 1848 in Betrieb gesetzte, 2achsige, mit Sitzen für 7 Personen versehene Revisionslokomotive der Eastern Counties-Eisenbahn her, deren gute Bewährung Anlaß zur Einführung des Omnibusbetriebs mit ähnlichen L. und Dampfwagen leichtester Bauart auf kurzen Zweigbahnen gab.
Während in den Vierzigerjahren noch ein großer Teil der L. für das europäische Festland von England geliefert worden war, entwickelte sich hier der Lokomotivbau bald vollkommen selbständig, so daß nur noch einzelne Vorgänge Englands auf dem Gebiet der Gestaltung der Einzelteile einen namhaften Einfluß übten.
Bemerkenswert ist die 1860 von Ramsbottom angegebene Art, den Tenderwasserkasten durch Schöpfrohre während der Fahrt aus Wasserrinnen zu füllen, die in der Gleismitte angeordnet sind; dieses Mittel, den Aufenthalt schnellfahrender Züge zum Wassernehmen zu umgehen, fand auf dem Festland nur ganz vereinzelt, in Amerika häufiger Aufnahme; ganz allgemein werden dagegen die Sicherheitsventile desselben Erfinders benutzt.
Aus England stammt ferner die in den Siebzigerjahren in Aufnahme gekommene Joysche Steuerung, der Gresham-Dampfsandstreuer und die Feuerbrücke in der Feuerbüchse; auch die Anregungen zur Anwendung selbsttätiger Luftdruck- und Luftleerbremsen sind nicht zum geringsten Teil englischen Ursprungs.
Die weitere Entwicklung der Typen ist für England durch die allmähliche Vermehrung der gekuppelten Achsen, also bei den Personenzuglokomotiven etwa durch die Typenreihe: 1 A 1, 2 A 1, 2 B, 2 B 1, 2 C gekennzeichnet. In den übrigen Ländern ist meist die 2 A 1-Type fortgefallen, dagegen die 2 C 1-Type hinzugekommen.
Die bekannteste Vertreterin der älteren englischen 1 A 1-Lokomotiven ist die Jenny-Lind-Type (Abb. 182). Die erste L. dieser Bauart wurde im Jahre 1847 nach Entwürfen von Joy durch E. B. Wilson & Co. in Leeds für die London-Brighton-Bahn gebaut. Viele englische Bahnen haben diese und ähnliche Lokomotivtypen in großer Zahl beschafft. Auch auf dem Festlande ist sie später mehrfach nachgebaut worden, so bis zu Anfang der Siebzigerjahre von Egestorff, später Hannoversche Maschinenbau-Aktiengesellschaft, Hannover-Linden für die Altona-Kieler- und die Braunschweigische Bahn. Noch im Jahre 1891/92 baute Dean für die Great Western-Bahn 30 L. der Type 1 A 1, die jedoch sehr bald durch Einbau eines vorderen Drehgestelles in die 2 A 1-Type umgebaut wurden. Auch die 2 A 1-Lokomotive kann schon auf eine lange Reihe von Jahren zurückblicken, denn im Jahre 1847 baute die Great Western-Bahn in ihren Werkstätten in Swindon eine solche L. mit Namen »Iron Duke«. Bekannter ist diese Type durch die 1851 in London ausgestellte genau gleiche L. »Lord of the Isles« der Great Western-Bahn. Ähnliche L. sind, wenn auch natürlich in immer mehr verstärkter Ausführung, bis zum Schluß des vorigen Jahrhunderts in England gebaut worden. Sie haben ausgedehnte Verwendung gefunden auf der North Eastern-, Great Eastern-, Midland- (vgl. Abb. 1, Taf. II), Great Western- und Great Northern-Bahn. Letztere hat unter Ivatt noch im Jahre 1895 solche L. mit Tr 483/660/2337 gebaut8. Vielfach wurden Außenzylinder angewendet, um die Kessellage namentlich bei hohen Treibraddurchmessern nicht zu groß werden zu lassen.
Für Personen- und schwerere Schnellzüge wurden zunächst durchweg 1 B-Lokomotiven meist mit Innenzylindern verwendet. Nur auf der London-Brighton- und South Coast-Bahn hat die Anordnung B 1, u.zw. gerade für Schnellzugverkehr, ausgedehnte Verwendung gefunden in der bekannten »Gladstone«-Type[152] Stroudleys (Abb. 183). Schon in den Siebzigerjahren wurde auf vielen Bahnen die 2 B-Type (Abb. 2, Taf. II) allgemein. Sie wird auch heute noch in England viel gebaut.
Erst im Jahre 1900 ist sie für mittelschwere Züge durch die 2 B 1- und für schwere Züge durch die 2 C-Type abgelöst worden, die beide nunmehr auf zahlreichen englischen Bahnen Eingang gefunden haben. Beide Typen haben fast stets Außenzylinder, weil der Raum zwischen den Rahmen meist für die notwendigen großen Zylinder nicht mehr ausreicht. Mehrfach sind auch diese Typen als Vierlingslokomotiven ausgeführt. Abb. 184 zeigt eine solche 2 C-Lokomotive der Great Western-Bahn. Eine 2 C 1-Lokomotive ist bisher nur ein einziges Mal, u.zw. 1908, von Churchward für die Great Western-Bahn als Nr. 111 »The Great Bear« gebaut worden.
Die Gründe dafür, daß England so lange an den Lokomotiven mit 1 bzw. 2 gekuppelten Achsen festgehalten hat, liegen darin, daß alle großen Bahnen schon seit langem Achsdrücke von 1820 t zulassen, so daß mit gleicher Achsenzahl erheblich höhere Reibungsgewichte als auf dem Festlande erzielt werden konnten.
Im Güterzugbetriebe verwendet England schon seit den Vierzigerjahren die C-Type mit Innenzylindern, die auch heute noch die übliche Güterzuglokomotive ist (vgl. Abb. 185). Abweichend vom Festlande haben aber diese L. fast durchweg über 1500 mm Raddurchmesser, meist 1524 mm (5'), und einen sehr großen festen Radstand, häufig über 4∙5 m. Einige Bahnen, z.B. die London- und North Western-Bahn, Great Northern, Lancashire und Yorkshire, North Eastern und andere sind in den letzten Jahren zu D-Güterzuglokomotiven gekommen. Auch diese L. besitzen fast stets Innenzylinder. Sie finden nur in einzelnen Bezirken für die Beförderung besonders schwerer Erz- und Kohlenzüge Verwendung und heißen daher allgemein »mineral engines«. Abb. 186 zeigt die L. der Lancashire- und Yorkshire-Bahn.
Als Tenderlokomotiven werden mit Vorliebe B 2- und C 1-Typen mit Innenzylindern verwendet (Abb. 3 u. 4, Taf. II), die man fast auf allen Bahnen findet. Daneben laufen aber auch viele 1 B 1-, ferner auf der Great Northern-, Great Central-, der London- und Tilbury- und Southendbahn 2 B 1- und besonders auf der Great Western-Bahn 1 C 1- und 1 D-Typen. Auf[153] kurzen Strecken werden auch Tenderlokomotiven für die Beförderung von Schnellzügen benutzt, so z.B. auf der London-Brighton- und South Coast-Bahn 2 B 1-Lokomotiven. Neuerdings sind fast gleichzeitig 4 Bahnen, u.zw. die North Eastern-, die London-Brighton- und South Coast-, die London und North Western- und die Great Central-Bahn zu 2 C 1-Tenderlokomotiven übergegangen. Die North Eastern-Lokomotive hat 3 gleiche Zylinder, während die übrigen Typen nur 2 Zylinder besitzen, u.zw. hat die L. der London-Brighton- und South Coast-Bahn außenliegende, die anderen beiden L. innenliegende Zylinder. Die L. der London- und North Western-Bahn (s. Art. Heißdampflokomotiven, Bd. VI, Taf. V), die ebenso wie die der London-Brighton- und South Coast-Bahn für Personenzugverkehr bestimmt sind, ist in Abb. 5, Taf. II, dargestellt. Während früher namentlich die B- und C-Tenderlokomotiven, die auch seinerzeit zu Verschiebezwecken gebraucht wurden, mit sattelförmigem Wasserbehälter ausgeführt wurden, verwendet man jetzt ziemlich allgemein seitliche Wasserbehälter.
Gemeinsam ist allen englischen L. die außerordentlich tiefe Feuerkiste und der Kessel mit vorgesetzter Rauchkammerrohrwand, wie sich dies aus Abb. 3 u. 4, Taf. II und Abb. 186 ergibt. Ziemlich allgemein ist die Anwendung der Belpaire-Feuerkiste und messingener Siederohre. Die bis Anfang dieses Jahrhunderts übliche Verankerung der Feuerkistendecke durch Barren ist jetzt größtenteils verlassen. Auffällig sind die immer noch recht kleinen Führerhäuser, nur die North Eastern-Bahn macht mit ihren geräumigen Führerhäusern mit großen Seitenfenstern eine Ausnahme. Im allgemeinen ist die englische L. schwer gebaut; sie enthält bei gleichem Gewicht erheblich weniger Heizfläche als z.B. die deutschen L.
Die Verbundwirkung hat in England nur wenige Vertreter gefunden. Worsdell (North Eastern-Bahn) wandelte in den Bahnen von v. Borries, mit dem er gemeinsam arbeitete. Er bevorzugte die 2zylindrige Verbundanordnung. Webb (London- und North Western-Bahn) baute nach einem versuchsweisen Umbau im Jahre 1878 131 3zylindrige L., ging aber im Jahre 1898 zur Vierzylinderanordnung über. Sein Nachfolger Whale änderte indessen die Verbundlokomotiven allmählich wieder in Zwillingslokomotiven um.
Besser als die Verbundwirkung scheint das Vierlingssystem in England Fuß zu fassen. Die Gründe hierfür liegen vielleicht darin, daß die englischen Bahnen auch auf Flachlandstrecken vereinzelt starke Steigungen aufweisen, die man mit der Zwillingslokomotive bzw. Vierlingslokomotive besser überwinden kann als mit einer Verbundlokomotive. Vierlingslokomotiven laufen auf der Great Western-, der Great Northern-, der London- und South Western-, der Great Central- und der Lancashire- und Yorkshirebahn. Die Zylinder sind teils in einer Ebene, teils versetzt angeordnet, doch treibt man meist 2 verschiedene Achsen an.
2. In Amerika hatte nach Evans Mißerfolgen mit Dampfwagen John Stevens 1825 eine kleine Modellokomotive mit 2 Wasserröhrenkesseln, deren lotrechte Röhren kreisförmig rings um den Feuerraum angeordnet waren, gebaut, auch auf einer kurzen Versuchsstrecke in Hoboken vorgeführt.
1829 wurde dann die erste wirkliche L. »Stourbridge Lion« (Abb. 187) durch Horatio Allen, damals Oberingenieur der Delaware and Hudson Canal Co. in England, angekauft, in New York zwar auch in Betrieb gesetzt, aber wegen zu leichter Bauart des Gleises nicht verwendet. Nach 1829 wurden zwar noch einige L. von England geliefert, in rascher Folge entstanden jedoch in Amerika selbst viele neue Lokomotivbauarten, die auch mit Englands L. auf dem europäischen Festland in Wettbewerb traten.
Die ersten amerikanischen L. wurden mit stehendem Röhrenkessel als sog. grass hopper engines von Davis & Gartner in York, Pennsylvanien, für die Baltimore-Ohio-Bahn gebaut, die eine Reihe von Jahren nach 1832 mit 3∙5 at Dampfdruck damals auch in England allgemein üblich in Betrieb waren; das Feuer wurde durch einen Ventilator angefacht; die Steuerung erfolgte durch Hebedaumen.
Eine L. »Best Friend«, ähnlich der »Novelty«, von Miller für die Charleston-Hamburg-Bahn 1830 in der Eisengießerei von West Point[154] bestellt, explodierte infolge Unachtsamkeit des Heizers schon im Juni 1831.
Das drehbare Vordergestell (s. Drehgestelle), dessen Einführung vielfach William Norris in Philadelphia zugeschrieben wird, ist in Amerika zuerst in der Eisengießerei von West Point nach Zeichnungen von John B. Jervis für die Mohawk-Hudson-Bahn an der L. »American Nr. 1« ausgeführt worden, nachdem Ross Winans bereits 1831 Personenwagen mit Drehgestell ausgeführt hatte (Brown, History of the First Locomotive in America). Die Dampfzylinder hatten 240 × 406 mm, die beiden gekuppelten Treibräderpaare, von denen das angetriebene hinter der Feuerbüchse lag, 1∙5 m Durchmesser, die 4 Drehgestellräder 838 mm. Die Feuerrohre hatten 76 mm Durchmesser; die Feuerbüchse war 1∙5 m lang und 863 mm breit. Der Lauf dieser Maschine, nach deren Modell auch Stephenson für dieselbe Bahn eine Ausführung bewirkte, ist angeblich sehr ruhig gewesen; dieselbe soll zuweilen 96 km Geschwindigkeit und einmal auf kurze Zeit die Geschwindigkeit von 128 km/Std. (!?) erreicht haben, s. Ross Winans, The Eastern Railroad Company-Evidence (Boston 1854).
Die weitere Entwicklung des Drehgestells blieb vorwiegend in amerikanischen Händen, da es wegen der scharfen Krümmungen und der ursprünglich schlechten Gleislage kaum an einer L. fehlen durfte, während es in England hier und da angewendet, auf dem europäischen Festland aber bis in die Neunzigerjahre wenig beachtet wurde. 1858 nahm der Amerikaner Levi Bissel ein englisches Patent auf ein Drehgestell, dessen Drehbolzen etwas hinter dem Räderviereck rückwärts unter dem Kessel angebracht wurde; später wendete Bissel ein Drehgestell mit 2 Rädern und rückwärts gelegenem Drehpunkt an (s. VI, 2).
Aus der Baldwinschen Lokomotivfabrik ging 1834 eine 3achsige L. mit vorderem Drehgestell (Abb. 188) hervor, deren Kessel die in Deutschland später weit verbreitet gewesene Form der runden Feuerbüchse mit hohem Dampfraum hatte. Die 1836 und 1837 von Baldwin gebauten L. (etwa 80 Stück) wogen 9121/2 t und hatten 89 at Betriebsdruck (in England waren 3∙54∙2 at üblich) und innenliegende Zylinder, die später in Amerika durch außenliegende vollkommen verdrängt worden sind. Die Treibachse lag jedoch meist vor der Feuerbüchse.
Baldwin war es auch, der 1834 die in England üblichen, zum Zweck der Umsteuerung durch Betätigung eines Trethebels auf der Achse zu verschiebenden Exzenter durch feste ersetzte, in deren Stangengabeln die an den Schieberstangen befestigten Hebel für Vor- und Rückwärtsgang eingelegt wurden. Bei Baldwinschen L. waren damals schon alle Rohrverbindungen und Dichtungsflächen nur durch Einschleifen und ohne Kitt oder Liderung gedichtet.
Der Ruf der amerikanischen L. war ein derartiger, daß 1839 bis in die Vierzigerjahre viele nach England und dem europäischen Festlande geliefert wurden.
Hinckley & Drury bauten 1840 die erste L. mit Außenzylindern. Kurze Zeit nach Aufnahme des Lokomotivbaues bildeten sich bereits in Amerika die noch heute den dortigen L. eigentümlichen äußerlichen Merkmale in vollkommener Unabhängigkeit von England heraus. Scharfe Krümmungen, mangelhafte Gleislage, Durchquerung der Viehweiden, starke Steigungen, verschiedenartiges, darunter leichtes Brennmaterial (Holz) und rauhes Klima gaben den Anlaß zur Einführung der drehbaren Vordergestelle, der stark belasteten Treibräder mit kurzem Radstand und äußerst gelenkiger Verbindung durch Balanciers sowie der Kuhfänger vor den L. (cow-catcher), der Glocken und scharf tönenden Dampfpfeifen, der großen Signallaternen vor dem Schornstein, der Sandstreuer und Funkenfänger sowie der geräumigen Führerhäuser, die bis in die Achtzigerjahre wie das übrige Fahrzeug in bunten Farben bemalt wurden.
Die bei den nordamerikanischen Eisenbahnen allgemein üblichen, vorerwähnten »Kuhfänger« (Abb. 6, 8 u. 9, Taf. II) werden aus Rund- oder Flacheisen gitterartig, in der Form eines Keiles den Vorderteil der L. deckend, ausgeführt. Sie werden gewöhnlich am Hauptrahmen oder an dessen vorderer Querverbindung oder auch an der Brust der L. mit Schrauben befestigt.
L., die das gesamte Gewicht zur Reibung ausnutzen, finden nur zu Verschiebezwecken Verwendung. Im Zugverkehr besitzt auch die schwerste Güterzuglokomotive mindestens eine verschiebbare Laufachse (pony truck). Die aus der Achsenanordnung sich ergebenden Typen erhielten in Amerika allgemein gewordene Bezeichnungen[155] durch Kennworte, deren Ursprung vielfach überhaupt nicht mehr festzustellen ist. Nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über diese verschiedenen Typen.
Amerikanische Lokomotivtypen.
Heute können 2 C 1-Schnellzuglokomotiven von etwa 110120 t und 1 D-Güterzuglokomotiven von 110 t Dienstgewicht (ohne Tender!) als normale L. für die großen Bahnen betrachtet werden. Sehr häufig werden im Güterzugverkehr neben den 1 D-Lokomotiven 1 D 1- und 1 E-Lokomotiven verwendet. Aber selbst für den Schnellzugverkehr, namentlich auf gebirgigen Strecken, ist man schon bis zu 4 gekuppelten Achsen gelangt. Im Jahre 1911 führte die Cheasepeake und Ohio-Bahn 2 D 1-H-Lokomotiven mit folgenden Hauptabmessungen ein: Tr = 737/711/1575, 13∙6 at, R = 6 2, H = 416, Qd = 141, Qr = 108 (vgl. Railw. Age Gaz. 1911, S. 555). Abb. 6, Taf. II, stellt eine moderne Schnellzuglokomotive, Abb. 7 u. 8, Taf. II, stellen moderne Güterzuglokomotiven dar.
Auch bezüglich der Ausbildung der Einzelteile haben sich die amerikanischen L. erheblich anders entwickelt als die europäischen. Der Rahmen ist niemals als Platten-, sondern stets als Barrenrahmen ausgeführt. Ursprünglich stellte man ihn durch Zusammenschweißen einzelner Schmiedeeisenstücke her, allmählich hat jedoch die Anwendung des Stahlformgußrahmens die des geschweißten und geschmiedeten Rahmens überflügelt.
Im Kesselbau ist die allgemeine Anwendung der stählernen Feuerkiste hervorzuheben; sie ist zwar von kürzerer Lebensdauer, aber erheblich billiger als die kupferne Kiste. Für[156] den Mantel hat selten die Belpaireform Anhänger gefunden. Um jedoch trotzdem große Dampfräume zu gewinnen, machte man häufig den zweiten oder auch bereits den ersten Kesselschuß kegelförmig, legte aber die untere Kante wagrecht und gewann so an Dampfraum. Der Feuerkistenmantel besitzt eine zylindrische Decke, die an den letzten Schuß anschließt. Diese allgemein verwendete Kesselbauart führt den Namen »wagon top« bzw. »extended wagon top«. Dampfzylinder und Schieberkästen liegen stets außen, die Steuerung selbst aber innen. Die Übersetzung der Schieberbewegungen von innen nach außen erfolgt durch einen 2armigen Übersetzungshebel, sog. rocking shaft. Seit etwa 1910 findet die Heusinger-Steuerung Eingang; sie wird jetzt bereits ziemlich allgemein verwendet und liegt, wie bei den europäischen Ausführungen, stets außen. Bemerkt sei ferner, daß besonders die Güterzuglokomotiven höhere Triebräder besitzen als in Europa. So sind bei den 1 D-Lokomotiven Raddurchmesser bis zu 1600 mm durchaus üblich; auch weisen die 2 C-Lokomotiven, sofern sie für Schnellzüge bestimmt sind, meist Raddurchmesser von 20072032 mm auf, also auch etwas mehr als in Europa üblich.
Ein weiterer Zug des amerikanischen Lokomotivbaues ist, wie oben schon angedeutet, die durch schwierige Terrainverhältnisse, besonders aber durch schwere Massentransporte und Konkurrenzkämpfe zwischen den einzelnen Bahnen geförderte Sucht, stets die größte L. zu besitzen. Oberbauverstärkungen ließen allmählich Achsdrücke von 16, 18, 20, ja bis zu 25 t zu. Schon 1899 besaß die Lehigh-Valley-Bahn 1 D-Lokomotiven von 102 t Dienstgewicht und 92 t Reibungsgewicht. 1902 beschaffte die Atchison Topeka- und Santa Fé-Bahn 1 E-Lokomotiven von 118 t Dienstgewicht. Wie schnell die Abmessungen der amerikanischen L. gewachsen sind, ergibt sich aus der nachstehenden Zusammenstellung von Gewicht, Dampfdruck und Zugkraft der typischen L. der Pennsylvaniabahn (vgl. Railw. Age Gaz. 1911, S. 587):
Namentlich die große Entfernung der Erzlager an den oberen Seen von den Kohlenlagern in Pennsylvanien hat besonders große geschlossene Massentransporte auf langen Strecken zur Folge, so daß Züge von 3000 bis 4000 t keine Seltenheiten sind. Für solche Züge reichen selbst bei den Achsdrücken von 2025 t 5 gekuppelte Achsen nicht mehr aus, sobald Steigungen von etwa 1 : 100 zu überwinden sind. Es hat daher seit etwa 1904 plötzlich die Mallet-Lokomotive, während sie in Europa mehr in den Hintergrund trat, in den Vereinigten Staaten ein weites Verbreitungsfeld unter einer erheblichen weiteren Entwicklung gefunden. Kannte man bis dahin höchstens C-C-Lokomotiven, so entstanden in Amerika bald 1 C-C 1-, D-D-, 1 D-D 1- und schließlich 1 E-E 1-Lokomotiven. Abb. 9, Taf. II, zeigt die 1 D-D 1-Lokomotive der Atchison Topeka- und Santa Fé-Bahn. Ähnliche L. sind auch für verschiedene andere Bahnen, so die Norfolk und Western-, San Louis und San Francisco- und die Northern Pacific-Bahnen gebaut worden. Die außerordentliche Länge des Kessels führte neben der Anwendung langer Heizrohre bis zu 7000 mm zu Verbrennungskammern, die an die Feuerbüchsen anschlössen, und schließlich zu Überhitzern, Zwischenüberhitzern und Speisewasservorwärmern, die man in den vorderen, bisweilen lösbaren Kesselteil legte. Die Atchison Topeka- und Santa Fé-Bahn hat auch versuchsweise die Mallet-Lokomotive durch Schaffung einer 2 B-C 1- und einer 1 C-C 1-Type mit 1753 mm Raddurchmesser für Personenzüge nutzbar gemacht. Erwähnt sei auch der Versuch der Baldwin-Werke, die starke Verschiebung des Langkessels gegenüber dem vorderen Drehgestell dadurch zu umgehen, daß der vordere Rundkesselteil durch Kugelflächen, ähnlich den Kugelgelenken in Dampfleitungen, an den hinteren Rundkesselteil angeschlossen wird.
1914 ist die Eriebahn (Maschinendirektor Schlafge) in der Ausbildung der Mallet-Lokomotive noch einen Schritt weiter gegangen, indem sie auch den Tender, wie seinerzeit Sturrock in England, mit Triebwerk versah und so eine 1 D-D-D 1-Mallett-Lokomotive schuf. Das D-Triebwerk am Hinterrande des Kessels bildet die Hochdruckmaschine; alle 3 Triebwerke haben gleich große Zylinder, so daß das Zylinderraumverhältnis 1 : 2 beträgt. Ausführliche Beschreibung s. Die Lokomotive, 1914, S. 213. Hauptabmessungen: Tr = 6 × 914/813/1600; 14∙7 at; R = 8∙4, H = 683, Qd = 387 t, Qr = 345 t.
Tenderlokomotiven haben in den Vereinigten Staaten nur ganz geringe Verbreitung gefunden.[157] Zu Verschiebezwecken benutzt man ausschließlich C-, D- oder E-Lokomotiven mit besonderem Tender, dessen Wasserkasten allerdings nach hinten stark abgeschrägt ist. Auf Stadtbahnen waren früher B 2-Tenderlokomotiven, sog. Forney-Type, viel üblich. Sie sind mit der Einführung des elektrischen Betriebs auf den meisten Stadtbahnen völlig verschwunden.
Die Tender baut man stets mit 2 Drehgestellen. Erwähnt sei die zylindrische Form des Wasserbehälters, sog. Vanderbilt-Tender, die aber nur wenig Anwendung gefunden hat, da sie kaum bauliche oder wirtschaftliche Vorteile bietet.
Da in den Vereinigten Staaten die Kohlenpreise niedrig sind (viele Bahnen besitzen eigene Zechen), so lag weniger als in anderen Ländern Anregung zur Anwendung von Verbundlokomotiven. Die europäische 2zylindrige Anordnung (cross compound) wurde bald durch die 4zylindrige Bauart Vauclain, bei der Hoch- und Niederdruckzylinder parallel übereinander lagen und gemeinsamen Kreuzkopf besaßen, überholt. Daneben ist auch die Tandemanordnung (Atchison Topeka-Bahn) und die nach v. Borries und de Glehn angewendet worden. Seit etwa 1910 werden jedoch kaum noch Verbundlokomotiven gebaut, man glaubt, gleiche Ersparnisse mit sonstigen geringeren Nachteilen durch die Anwendung des Heißdampfes erreichen zu können. Als Überhitzer werden neben den Schmidtschen eine Reihe mehr oder weniger abweichender Bauarten ausgeführt, doch sind alle wichtigeren Patente seit wenigen Jahren in einer Hand.
3. In Frankreich wurde schon frühzeitig der wissenschaftlichen Behandlung des Lokomotivbaues besonderes Augenmerk zugewendet.
1834 stellte Graf P. M. G. de Pambour auf der Liverpool-Manchester Bahn eine Reihe von grundlegenden Versuchen über Verdampfungsfähigkeit und Leistung der L. an, deren wichtigste Ergebnisse er nebst einer Theorie der L. in seinem Handbuch über Dampfwagen veröffentlichte. Auf der Pariser Ausstellung 1839 wurden zwar L. von Schneider frères in Creuzot und Stehlin Huber in Thann vorgeführt; auch traten bald darauf André Köchlin in Mühlhausen, die Pariser Mechaniker Cavé, Cail und Gouin, sowie Buddicom in Rouen als Lokomotivbauer auf, die namentlich auf die Ausbildung der Steuerung großen Einfluß nahmen, doch datiert der Aufschwung des französischen Lokomotivbaues erst von 1845. Clapeyron (von der Bahn Paris-St. Germain) erreichte 1839 durch Einführung der Voreilung und Oberdeckung zuerst beträchtliche Expansionswirkung. Pauwels in Lille war der erste, der 1840 die Schiebergleitflächen senkrecht anordnete, was sich Stephenson 1842 zunutze machte. Auch die Expansionssteuerung von Meyer sowie die von Gonzenbach sind in Frankreich 1842 und 1843 erfunden.
Von 1849 ab blieb die Crampton-Lokomotive (vgl. Abb. 181) bis in die Siebzigerjahre die bevorzugte Schnellzuglokomotive; dann wurde sie von den 2fach gekuppelten L. verdrängt. Unter diesen ist die 1 B 1-, sog. Orléanstype (Abb. 189) zu erwähnen, die 1873 von der Orléansbahn geschaffen, auch von der Staatsbahn und von der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn, hier allerdings mit Innenzylindern, dann aber auch von österreichischen und rumänischen Bahnen viel beschafft wurde. Solche L. mit 20002130 mm Raddurchmesser beförderten die »trains rapides« nach Bordeaux mit 200 t Gewicht bei V = 80 km/Std. und den Südexpreß mit 125 t Gewicht, V = 95 km. Die Ostbahn baute von 18821886 viel B 1-Schnellzuglokomotiven (Tr = 430/610/1820, 10 at, R = 1∙71, H = 103, Qd = 37, Qr = 27), die Midibahn 18851890 1 B-Schnellzuglokomotiven mit Zylindern zwischen Lauf- und vorderer Kuppelachse (Tr = 440/600/2000, 10 at, R = 1∙71, H = 115, Qd = 45, Qr = 31). In großem Umfange ist natürlich auch die 2 B-Lokomotive von 'allen Bahnen verwendet, u.zw. in allen Bauarten bis zur 4zylindrigen Verbundlokomotive.[158]
Bereits in den Neunzigerjahren tauchen aber schon die Schnellzuglokomotiven mit 3 gekuppelten Achsen auf, 1896 bei der Midibahn, 1897 bei der Nordbahn, 1898 bei der Ostbahn, 1899 bei der Westbahn.
Für den Güterzugdienst hat in Frankreich von jeher Vorliebe für schwere Lokomotiven bestanden; 1855 wurden die 50 t schweren Engerth-Lokomotiven mit 200 m2 Heizfläche, später, 1860, die von Gouin in Paris herrührende Bauart Petiet eingeführt, eine Tenderlokomotive mit 200300 m2 Heizfläche, 4 Zylindern und 6 Kuppelachsen, sowie die Meyersche L.
D-Güterzuglokomotiven mit Schlepptender, zuerst mit 70 t Gesamtgewicht ausgeführt, sind auf den französischen Bahnen in großer Zahl vorhanden.
Von 1858 datiert die Erfindung des Injektors (s. Dampfstrahlpumpen, Bd. III, S. 248) durch den Franzosen Giffard, ein in der Geschichte der L. um so wichtigeres Ereignis, als die bis dahin angewendeten Speisepumpen von der Treibachse getrieben wurden, beim Stillstand der L. also nur dann arbeiteten, wenn diese Achse (was auch in Deutschland in Gebrauch stand) auf eine Blindachse über der Feuergrube aufgefahren war, auf der sie sich zu drehen vermochte, ohne die L. fortzubewegen. Neben dem Injektor dienten zum Ersatz solcher Laufpumpen auch die Pumpen mit besonderen kleinen Dampfmaschinen (Dampfpumpen), die jedoch seit den Siebzigerjahren durch die Injektoren vollkommen verdrängt worden sind.
1865 wurden von Le Chatelier auf der spanischen Nordbahn die ersten Versuche mit seiner Gegendampfbremse ausgeführt.
Während anfänglich Zylinder und Steuerungen (nach Gooch und Stephenson) bald außen, bald innen lagen, mehrten sich in den Sechziger- und Siebzigerjahren die Ausführungen mit Innenzylindern. Die Rahmen liegen vorherrschend innen.
Viel geleistet wurde im französischen Lokomotivbau auch auf dem Gebiete der Steuerungen. Ricour führte 1884 auf der Staatsbahn einen brauchbaren Kolbenschieber ein; auf seinen Ausführungen fußten wohl alle weiteren Ausbildungen von Kolbenschiebern. Bonnefond trennte bei seiner Steuerung, die an einigen L. der Staatsbahn ausgeführt, Ein- und Auslaßorgane. Die Steuerung der Auslaßschieber blieb für alle Füllungsgrade unverändert, während die Einlaßschieber durch eine Präzisionssteuerung und mit Federwirkung gesteuert wurden. Die an einigen L. der Orléans-Bahn angewendete Steuerung von Durant-Lencauchez besaß 4 Corlißschieber, durch die eine Verkleinerung der schädlichen Räume auf 4∙5% erreicht wurde. Die Bewegung der Einlaßschieber wurde hierbei von einem tieferen Punkte des Schwingensteins abgenommen als die der Auslaßschieber so daß sich eine Verlängerung der Dampfdehnung und eine Verkürzung der Kompression ergab. Näheres über beide Steuerungen, die sich nicht einzuführen vermochten, siehe Organ 1890, S. 143, 1894, S. 78 u. Ztschr. dt. Ing. 1889, S. 251 u. 1899, S. 720.
Den größten Einfluß auf die Entwicklung des französischen Lokomotivbaues nahm die Einführung der Verbundwirkung, die ja von Frankreich ausging. 1876 baute Schneider in Creuzot die ersten 3 brauchbaren Verbundlokomotiven nach den Patenten von Mallet für die Bayonne-Biarritz-Eisenbahn, kleine B 1-Tenderlokomotiven. Die weitere Entwicklung ist eng mit den Namen de Glehn, Direktor der Société Alsarienne in Belfort, du Bousquet und Henry, Chefingenieuren der Nord-, bzw. Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn, verknüpft. 2zylindrige Verbundlokomotiven und 4zylindrige mit Tandemanordnung sind in Frankreich nur in geringer Anzahl gebaut. 1885 baute du Bousquet und 1889 Henry die erste 4zylindrige Verbundlokomotive. Schon in den Neunzigerjahren ähnelten sich beide Bauarten bis auf geringe Einzelheiten. Zwei außenliegende Hochdruckzylinder treiben die hintere, 2 innenliegende, mehr oder weniger weit nach vorn geschobene Niederdruckzylinder treiben die vordere der gekuppelten Achsen an. Von nun an vollzieht sich die weitere Entwicklung auf allen großen französischen Bahnen unter Beibehaltung dieses 4zylindrigen Triebwerks fast gleichmäßig nur durch Vergrößerung der Zahl der Achsen, während die Abmessungen der Typen mit gleicher Achsenanordnung bei den einzelnen Bahnen kaum wesentlich voneinander abweichen. Der 2 B-Lokomotive, wie sie in Abb. 10, Taf. II, dargestellt ist und die bereits in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre von den meisten französischen Bahnen beschafft wurde, folgte aber zunächst nicht die 2 B 1-, sondern in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre die 2 C-Lokomotive, Abb. 190. 1900 beschaffte dann die Nordbahn die von der Pariser Ausstellung und durch ihre Leistungen vor den Schnellzügen Paris-Calais u.s.w. rühmlichst bekannte 2 B 1-Type, Abb. 11, Taf. II. Trotzdem inzwischen auf den meisten Bahnen der zulässige Achsdruck auf 18 t erhöht war und demgemäß die Rostfläche über 3 m2, die Heizfläche (bei Serverohren) beinahe 250 m2 betrug, genügten diese L. von 1906 an oft nicht mehr. 1907[159] nahm daher die Paris-Orléans-Bahn als erste europäische Verwaltung 2 C 1-Lokomotiven, Abb. 191, in Betrieb (die 2 C 1-Lokomotiven der badischen Staatsbahn, Gattung IV f, waren zwar früher bestellt, wurden aber erst später geliefert). Ende 1911 waren bereits 400 2 C 1-Lokomotiven in Frankreich im Betrieb, die sich auf die Paris-Orléans-Bahn, die Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn, die Midibahn und die Staatsbahn verteilen.
Die 4zylindrige Anordnung blieb aber nicht auf die Personenzuglokomotiven beschränkt, sondern fand sehr schnell und in viel größerem Umfange als in irgend einem anderen Lande auch bei den D-, 1 D-, 2 D- und 1 E-Güterzuglokomotiven Anwendung. In den letzten 8 Jahren dürften, abgesehen von einigen L. für besondere Zwecke, von den großen französischen Bahnen kaum andere als 4zylindrige L. beschafft worden sein. Frankreich besaß Ende 1911 bereits weit über 4000 4zylindrige L. Eine neuere 2 D-Lokomotive der Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn und eine 1 E-Lokomotive der Paris-Orléans-Bahn sind in Abb. 12, Taf. II, und Abb. 192 dargestellt.
Abgesehen von der Nordbahn finden auch im Vorortverkehr 4zylindrige Verbundlokomotiven Anwendung. So besitzt hierfür die Weststaatsbahn 1 C 1-, die Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn und die Ostbahn 2 C 2-Tenderlokomotiven, Abb. 13, Taf. II. Die Nordbahn bewältigt ihren Verkehr durch Zwillingstenderlokomotiven, u.zw. der 2 B 2-Type, Abb. 14, Taf. II, und seit 1910 auch solche der 2 C 2-Type.
Eine besonders bemerkenswerte Type hat du Bousquet 1905 für den schweren Kohlenverkehr der Nordbahn geschaffen, nämlich eine der Meyer-Lokomotive ähnelnde C 11 C-Tenderlokomotive, Abb. 15, Taf. II.
Allgemein üblich sind in Frankreich sehr hohe Dampfdrücke, meist 1516 at, ferner Belpaire-Feuerkiste, Manganbronzestahlbolzen und Serverohre, die man erst bei neueren Kesseln bei Rohrlängen von etwa 4 m an wieder verläßt. Die Feuerkiste ist stets sehr tief gehalten; auch bei den 2 C 1-Lokomotiven hat man darnach gestrebt, sie vorn so schmal zu halten, daß sie zwischen die Rahmen reicht. Hinten mußte man sie aber, um ohne Überschreitung einer Rostlänge von etwa 3∙1 m wenigstens 4 m2 Rostfläche zu erhalten, über die Rahmen verbreiten, so daß eine eigentümliche Form, in Frankreich »à violon« genannt, entstand. Einige Bahnen (Staatsbahn, Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn) verwenden aber die auch sonst übliche Form der Feuerkiste und stellen diese ganz auf den Rahmen.
Auch der Heißdampf (s.d.) findet in Frankreich Eingang, doch ist bemerkenswert, daß man fast überall an der Verbundanordnung auch für Heißdampf festgehalten hat. Für gewöhnlich vergrößert man gegenüber Naßdampflokomotiven nur den Durchmesser der Hochdruckzylinder und versieht diese mit Kolbenschiebern. Die Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn ist nach eingehenden Versuchen mit Vierlings-Heißdampflokomotive[160] zur Vierzylinder Verbund Heißdampflokomotive übergegangen.
Lebhaft sind auch die Versuche, Wasserrohrkessel einzuführen. Die Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn besitzt bereits seit Jahren einige Roberts-Kessel, die jedoch offenbar keine zufriedenstellenden Ergebnisse zeitigten. Später versuchte die Nordbahn im Verein mit der Firma Schneider die Anwendung des du Temple-Kessels. 1910 wurde in Brüssel eine 2 B 2-Schnellzuglokomotive mit einer aus diesen Studien entstandenen Wasserrohrfeuerbüchse ausgestellt. Inzwischen hat die Nordbahn damit auch eine 2 C 2-Schnellzuglokomotive, Abb. 16, Taf. II, ausgerüstet. Die Ergebnisse scheinen aber nicht zu befriedigen. Bei dieser L. liegen die beiden Niederdruckzylinder nicht in einer Ebene, sondern sie sind in der Längsrichtung der L. gegeneinander versetzt.
4. In Belgien lieferten vor 1843 bereits 3 Fabriken L.: John Cockerill in Seraing bei Lüttich, Société de Saint Léonard in Lüttich und die Société du Renard in Brüssel.
Der belgische Ingenieur De Ridder brachte 1840 auf der Bahn Antwerpen-Gent (1 m Spur) kleine Tenderlokomotiven zur Anwendung, bei welchen unter anderm der entweichende Dampf durch Wärmröhren zur Vorwärmung des Speisewassers in die Wasserbehälter geführt wurde. Später hat diese Vorwärmung auch auf dem europäischen Festland Verbreitung gefunden, wird aber heute nur noch in England bei L., die viele Tunnels zu durchfahren haben, angewendet, bis sie etwa 1911/12 von der preußischen Staatsbahn, allerdings in etwas anderer Weise, erfolgreich durchgeführt wurde.
Dem belgischen Ingenieur und Generaldirektor der Staatsbahnen, Belpaire, verdankt der Lokomotivbau eine Bereicherung um viele, sehr wichtige Gesamt- und Einzelbauweisen, so auch die Verankerung der Feuerbüchsdecken mit Stehbolzen an Stelle der englischen, die Kesselsteinbildung sehr begünstigenden Deckenbarren.
Seine Bestrebungen zeichnen sich durch Anwendung außergewöhnlich großer Rostflächen aus (für Kleinkohle) in Verbindung mit kurzen Zylinderkesseln und möglichst großer Rohrzahl.
Bis zum Jahre 1853 brannte die belgische Staatsbahn in ihren L. nur Koks, welcher den Vorteil geringer Rauchentwicklung, geringer Funkenbildung und geringer Entwertung beim Lagern hat. Der steigende Preis führte jedoch dazu, nach anderen Brennstoffen zu suchen. Hierfür kamen in erster Linie die aus den belgischen Förderkohlen hergestellten Briketts in Betracht. Bereits 1856 bestand ein Drittel des verfeuerten Brennstoffs der belgischen Staatsbahn aus solchen Briketts, 1858 war das Verhältnis auf die Hälfte, 1859 auf drei Viertel angewachsen.
Die Feuerkiste hatte für die Verfeuerung von Briketts keiner Änderung bedurft. Noch billiger als diese Briketts stellte sich die beinahe staubförmige, magere oder halbfette Förderkohle. Sie ließ sich jedoch in gewöhnlichen Feuerkisten nicht verbrennen. Belpaire begann daher im Jahre 1860 mit der Einführung der nach ihm benannten Feuerbüchse und namentlich auch mit der Einführung großer Rostflächen. Später mußten, um eine der wachsenden Leistung entsprechende Rostfläche beizubehalten, die Feuerkisten über den Rahmen verbreitert werden. So zeigte schon die im Jahre 1889 geschaffene 1 B 1-Lokomotive Type 12 (Abb. 193) eine Rostfläche von 4∙70 m2. Bei der 1 C-Lokomotive Type 16 (Tr = 500/600/1700), die für schweren Schnellzugverkehr auf bergigen Strecken diente, betrug die Rostfläche sogar 5∙72 m2. Alle diese Feuerkisten waren entsprechend der Kurzflammigkeit der Kohle sehr flach. Die Dampfzylinder aller dieser L. lagen innen, die Rahmen meist außen. Die Schornsteine waren meist mit quadratischem Querschnitt ausgeführt. Mit dem steigenden Zuggewicht und der steigenden Geschwindigkeit war es aber nicht mehr möglich, Roste zu bauen, auf welchen man die erforderliche Menge Staubkohle verbrennen konnte. Die belgische Staatsbahn sah sich daher gezwungen, von der ausschließlichen Verwendung der Staubkohle wiederum abzugehen. Flamme, der Nachfolger in der Leitung des Maschinenwesens der belgischen Staatsbahn, war bald genötigt, eine andere Kesselbauart zu wählen, die sich nicht nur zur Verbrennung von Staubkohle, sondern auch von Stückkohlen und Briketts bzw. Mischungen aller 3 Arten eignete. Dieser Kessel[161] kennzeichnet sich unter Verlassung der Belpaire-Form und Rückkehr zum kreisförmig gewölbten Feuerkistenmantel nach Bauart Crampton durch eine lange, zwischen die Rahmen reichende, sehr tiefe Feuerkiste mit etwas geneigtem Rost. Die Wahl eines derartigen Kessels ist auf die günstigen Erfahrungen der 1898 aus England bezogenen 2 B-Schnellzuglokomotiven Type 17 zurückzuführen, die sich durch ihre reichliche Dampferzeugung auszeichneten.
In besonders großem Maßstabe ging Flamme seit etwa 1904 mit der Beschaffung von 2 C-Lokomotiven Type 9 vor, die nach einigen Versuchsausführungen jetzt durchweg als Vierlings-Heißdampflokomotiven gebaut werden und von den Ausstellungen Lüttich 1905, Mailand 1906 und Brüssel 1910 wohl bekannt sind. 1910 schuf Flamme die 2 C 1-Lokomotive (Abb. 17, Taf. II). Es ist ebenfalls eine Heißdampf-Vierlingslokomotive und zurzeit die schwerste Schnellzuglokomotive auf dem europäischen Festlande. Sie befördert 400 t auf 1 : 200 mit V = 90 km/Std. und auf 1 : 100 mit 60 km/Std. Bemerkenswert ist der 24 m3 fassende 3achsige Tender.
Für Güterzugverkehr verwendet die belgische Staatsbahn seit jeher die C-Lokomotiven mit Innenzylindern, die jetzt ebenfalls als Heißdampflokomotiven gebaut werden, u.zw. mit dem ziemlich großen Treibraddurchmesser von 1520 mm (vgl. Abb. 18, Taf. II). Diese L. finden auch im Personenverkehr Verwendung. Für besonders schweren Güterzugverkehr ist die belgische Staatsbahn unter Übergehung der D- und E-Lokomotiven unmittelbar zu der ebenfalls von Flamme 1910 geschaffenen 1 E-Heißdampf-Vierlingslokomotive Type 36 (Abb. 19, Taf. II) übergegangen.
Im Vorortverkehr finden in Belgien hauptsächlich die 2 B 1-Tenderlokomotiven Type 15 (Abb. 20, Taf. II) mit Innenzylindern Verwendung, während für schweren Verschiebedienst seit 1904 eine schwere D-Tenderlokomotive Type 23 mit folgenden Abmessungen: Tr = 480/600/1262, 12∙5 at, R = 2∙2, H = 113, Qd = 66, in großer Anzahl beschafft worden ist. 1913 trat hierzu für schweren Schnellzugsdienst auf kurzen Strecken eine 2 C 24-Tenderlokomotive Type 13 mit Tr = 4 × 420/640/1800, 12 at, R = 3∙15, H = 170, Qd = 117, Qr = 55.
Neben der preußischen Staatsbahn war es die belgische Staatsbahn, die sich schnell die Vorteile des Heißdampfes zu Nutzen machte. Abgesehen von den D-Tenderlokomotiven werden alle neuen L. der belgischen Staatsbahn mit Schmidtschem Rauchröhrenüberhitzer versehen. Die Verbundwirkung ist hier niemals im großen Umfange verwendet worden, wohl aber die Vierlingsanordnung, u.zw. sowohl bei fast allen Schnellzug- als auch bei den schweren Güterzuglokomotiven.
5. In Deutschland haben Hütteninspektor Krieger und der nachmalige Oberhütteninspektor Schmahel nach englischen Zeichnungen bereits 1816 einen Dampfwagen erbaut, welcher kurze Zeit auf der Königshütte in Gleiwitz im Betrieb war, sich aber nicht bewährte; ein gleiches Schicksal hatte der ebenfalls von Genannten 1818 für die Zeche Bauernwald bei Geislautern gebaute ähnliche, etwas schwerere Dampfwagen.
Die Fahrzeuge für die ersten Bahnen wurden vorwiegend aus England, wenige aus Amerika bezogen.
Die erste in Deutschland gefertigte L. (Abb. 194) »Saxonia« wurde 1838 von der Aktienmaschinenfabrik Übigau bei Dresden für die Leipzig-Dresdener Eisenbahn gebaut.
1839 ging aus der Fabrik des Dr. Kufahl in Berlin eine später auf der Berlin-Potsdamer Bahn betriebene L. hervor, bei welcher Röhrenkessel und Zylinder senkrecht standen.
A. Borsig in Berlin eröffnete den Lokomotivbau 1841 mit einer L. Norrisscher Bauart für die Anhalter Bahn, jedoch abweichend mit Expansion und einer vierten Achse hinter der Feuerbüchse (Abb. 195).
Im Beginn der 1840er Jahre trat auch Egells in Berlin, der später nur noch wenige L. lieferte, mit einer von Hoppe entworfenen L. hervor, welche eine Umsteuerung mit Kulisse nach Egells Angaben und mit veränderlicher Expansion nach Hoppe enthielt (s. Glasers Ann. 1884, Bd. XIV, S. 92). 1844 wurde von derselben Fabrik an L. für die österreichischen Staatsbahnen eine Expansionsvorrichtung mit 4 festen Exzentern für Vor- und[162] Rückwärtsgang der Grundschieber sowie 2 radial auf Keilen verschiebbaren Expansionsexzentern ausgeführt. Die Steuerung wirkte gut, war aber nicht einfach genug.
Die deutschen Fabriken förderten den Lokomotivbau bald vollkommen unabhängig vom Ausland.
Mit dem Ausbau der Einzelheiten der L. sind, abgesehen von den rühmlichst bekannten Lokomotivfabrikanten, die Namen der alten Eisenbahnmaschinentechniker Welkner, Kirchweger, Exter, Heusinger v. Waldegg u.a. unzertrennbar verknüpft. Große Verdienste um die gleichmäßige Verwertung der bei den einzelnen Verwaltungen gesammelten Erfahrungen und um die übereinstimmende Gestaltung der wichtigeren Teile, sowie aller für den Verkehr maßgebenden Einzelheiten sind dem VDEV. und seiner technischen Kommission zuzuerkennen.
Die vor Jahrzehnten auf Brennmaterialersparnis gerichteten Bestrebungen, die in komplizierten Steuerungen (besondere Expansionsschieber, entlastete Schieber u. dgl.), Tenderwasserwärmung u.s.w. Ausdruck fanden, haben bald zu gunsten der Einfachheit weichen müssen. Die Koksfeuerung, die bis zum Beginn der Sechzigerjahre für unentbehrlich galt, auch alle Eisenbahnverwaltungen zur Anlage großer Kokereien gezwungen hatte, ist von der erheblich billigeren Steinkohlenfeuerung wieder abgelöst worden, unter nachträglicher allmählicher Abstoßung aller jener Rauchverbrennungsapparate: Beattie (1855), Clark (1858), Cudworth, Thierry, Tenbrink, Stösger, Behne-Kool u.s.w., welche ihre Einführung begleiteten. In neuerer Zeit haben jedoch einzelne Rauchverminderungseinrichtungen (Staby, Langer-Marcotty) wieder Verwendung gefunden.
Bereits Mitte der Siebzigerjahre begann bei den preußischen Staatsbahnen die Normalisierung der Betriebsmittel, die dann Anfang der Achtzigerjahre, nachdem die meisten norddeutschen Privatbahnen verstaatlicht waren, unter Stambkes Leitung zielbewußt durchgeführt wurde. Meist wurden diese Normalien auch von den noch bestehenden Privat- und Nebenbahnen angenommen.
Abb. 1 auf Taf. III stellt die Normalgüterzuglokomotive der preußischen Staatsbahn dar9. Der Normalschnellzuglokomotive folgte 1889 eine fast genau gleiche Schnellzuglokomotive, Tr = 420/600/1960. Letztere ist von 1886 an auch häufig als Verbundlokomotive gebaut worden.
Zehn Jahre lang wurde an den Normaltypen fast nichts geändert. Dann aber genügten sie den gesteigerten Ansprüchen an Geschwindigkeiten und Zuglasten nicht mehr. Gleichzeitig setzte Ende der Achtzigerjahre die Anwendung der Verbundwirkung ein, etwa 10 Jahre später die der Vierzylinderanordnung (beide mit dem Namen v. Borries' unzertrennlich verbunden) und gleichzeitig die namentlich durch Garbe und Müller geförderte Einführung des Schmidtschen Überhitzers (vgl. Heißdampflokomotiven), so daß von den seinerzeitigen Normalien der preußischen Staatsbahn seit Anfang dieses Jahrhunderts nur noch ganz vereinzelte L. gebaut wurden. Von den Naßdampflokomotiven sind die wichtigsten die 2 B-Schnellzuglokomotiven Type S 3 (Abb. 2, Taf. III), die auch daneben mit 1750 mm Raddurchmesser als Type P 4 für Personenzüge gebaut wurden (vgl. die verschiedenen Bauarten: Die Lokomotive, 1910, S. 173 u. ff.), und die in mehr als 1400 Stück gebaute D-Güterzuglokomotive Type G 7 (Abb. 3, Taf. III), die daneben auch als Zwillingslokomotive gebaut wurde. Die S 3-Lokomotive wurde mit vergrößerten Abmessungen (
12 at, R = 2∙3, H = 142, Qd = 53, Qr = 26) als Gattung S 5 bis April 1911 noch gebaut. Tenderlokomotiven sind fast ausnahmslos als Zwillingslokomotiven gebaut. Die häufigste Bauart ist die 1 C-Type T 9, ursprünglich mit Adam-Achse, dann aber mit Krauß-Gestell nach Abb. 4, Taf. III.
Die preußische Staatsbahn verwendet Heißdampflokomotiven mit Schmidt-Überhitzer in ausgedehntem Umfange (bis Ende 1914 wurden rd. 6000 solcher L. beschafft); in den letzten Jahren wurden mit Ausnahme einer einzigen Bauart sämtliche neu beschafften L. mit Überhitzer versehen. Die 2 B-Schnellzuglokomotive Type S 6 (Abb. 5, Taf. III) und die D-Güterzuglokomotive Type G 8 (Abb. 196) waren jahrelang die hauptsächlich gebauten Heißdampflokomotiven. Die preußische Staatsbahn schloß bis 1909 die Vierzylinderanordnung und bis 1910 auch die Verbundanordnung im Gegensatz zu[163] den übrigen deutschen Bahnverwaltungen bei Anwendung von Heißdampf grundsätzlich aus.
Die Vierzylinderanordnung hat daher bis 1910 nur in bescheidenem Umfange bei 17 Stück 2 B- und 337 Stück 2 B 1-Naßdampflokomotiven, meist hannoverscher Bauart, Type S 7 und S 9 (Abb. 6, Taf. III) Anwendung gefunden. 1910 setzt jedoch auch bei den 2 C-Heißdampflokomotiven die Anwendung 4zylindrigen Triebwerks, u.zw. zunächst mit 4 gleichen Zylindern, 1911 aber auch in Verbundanordnung ein; letztere Bauart wird nur für die Bezirke verwendet, in denen die Kohle teuer ist, für einstufige Dampfdehnung wird seit Ende 1913 statt des 4zylindrigen 3zylindriges Triebwerk ausgeführt. 2 C 1-Lokomotiven besitzt die preußische Staatsbahn noch nicht.
Inzwischen ist für Güterverkehr eine verstärkte D-Naßdampflokomotive Type G 9 (Tr = 600/660/1350, 12 at, R = 3, H = 200, Qd = 58), eine verstärkte D-Heißdampflokomotive Type G 8I (Tr = 600/660/1350, 14 at, R = 2∙6, H = 196, Qd = 68) und eine E-Heißdampflokomotive Type G 10 (Abb. 7, Taf. III) zur Einführung gelangt. Letzterer wird 1915 eine 3zylindrige 1 E-Lokomotive folgen.
Alle Schnell- und Personenzuglokomotiven besitzen führendes Drehgestell, mit Ausnahme der 1 C-Type, die ebenso wie die gleiche Güterzuglokomotive Kraußsches Drehgestell besitzt, das jedoch bei letzteren vielleicht wieder der Adam-Achse weichen wird.
Als Tenderlokomotiven haben in den Achtzigerjahren hauptsächlich die 1 B- und B 1-Lokomotiven in den verschiedenartigsten Ausführungen Eingang gefunden. Dann folgten in den Neunzigerjahren hauptsächlich für den Stadtbahn- und Vorortverkehr 1 B 1- und 2 B-Typen, letztere auch schon mit Überhitzern, 10 Jahre später 1 C-Typen meist mit Überhitzer und daneben für schweren Güterverkehr nach den C- und 1 C-Tenderlokomotiven (Abb. 4, Taf. III) gleich eine E-Heißdampftenderlokomotive; erst 1908 erfolgte die Einführung einer 2 C-, 1909 die einer D- und 1912 die einer 2 C 2-Tenderlokomotive, die erste und letzte als Heißdampflokomotive für schweren Hauptvorortverkehr, die zweite als Naßdampflokomotive für Nebenbahnen und für schweren Verschiebedienst.
Die preußische Staatsbahn verwendet nur zylindrische Feuerkistenmantel, keine Belpaireform. Die Verankerung der Seitenwände erfolgt nur durch kupferne, die der Decke durch eiserne Stehbolzen. Der Rundkessel besitzt weder Längsanker noch Ankerrohre. Die vordere Rohrwand wird nur bei den Heißdampflokomotiven vorgesetzt (vgl. z.B. Art. Heißdampflokomotiven, Taf. IV, Bd. VI), sonst stets in den ersten Schuß eingesetzt. Abgesehen von den 2 B 1-Lokomotiven findet sich die schmale, tiefe, zwischen den Rahmen liegende Feuerkiste, die aber bei dem zulässigen Achsdruck von 16 t nur etwa 2 82∙9 m2 Rostfläche zu erreichen gestattet. Das Triebwerk zeigt häufig eingleisigen Kreuzkopf und ist leicht, bei den Heißdampflokomotiven meist sehr leicht gehalten. Als Steuerung wird jetzt ausschließlich außenliegende Heusinger-Steuerung verwendet. Kolbenschieber sind bei allen Heißdampflokomotiven, aber auch bei einem Teil der Naßdampflokomotiven in Anwendung. Der Barrenrahmen hat keine Aufnahme gefunden, wohl aber bei den 4zylindrigen L. ein zusammengesetzter Rahmen, d.h. ein hinterer Plattenrahmen mit vorn angesetzten Barren.
Bei den übrigen deutschen Staatsbahnen ist die Entwicklung weniger sprunghaft gewesen. Fast überall ist allmählich die 2 B 2zylindrige Verbundlokomotive durch die 4zylindrigen 2 B 1- oder 2 C- (Baden Serie IVe 1895, Bayern Serie CV 1896) und die letztere in den Jahren 19071909 durch die ebenfalls 4zylindrige 2 C 1-Lokomotive überholt. Seit 1900 ist abgesehen von 10 L. für die württembergischen Staatsbahnen in Süddeutschland für den Schnellzugverkehr keine 2zylindrige L. bestellt, man nahm vielmehr überall die Vierzylinder-Verbundanordnung an und versuchte[164] erst nach deren allgemeiner Einführung die Anwendung von Heißdampf. Als typisches Beispiel zeigt Abb. 8, Taf. III, die bayrische L. S 3/5. Trotz alledem besaß Deutschland Ende 1911 erst etwa 1300 4zylindrige L., d.h. rd. 200 Stück weniger als eine einzige französische Bahn, die P-L-M-Bahn. Die 2 C 1-Lokomotiven der bayrischen, badischen (vgl. Abb. 9, Taf. III) und württembergischen Staatsbahn haben breite, auf den Rahmen gestellte, die der Reichseisenbahnen schmale, tiefe, zwischen den Rahmen liegende Feuerkisten. Für den schweren Güterzugverkehr dienen auch bereits verschiedentlich schon 4zylindrig ausgeführte (vgl. Abb. 10, Taf. III) 1 D- oder E-, in Elsaß-Lothringen auch 1 E-Lokomotiven, für den Vorortverkehr hauptsächlich die bayrische 1 B 2-Tenderlokomotive (Abb. 11, Taf. III), die auch in der Pfalz und in Elsaß-Lothringen Verwendung gefunden hat, die badische 1 C 1-, die pfälzische 1 C 2- und die lothringische 2 C 2- Tenderlokomotive; letztere ist 4zylindrig nach Bauart de Glehn; sie ähnelt der gleichen L. der Ostbahn (Abb. 13, Taf. II). Das Triebwerk der 4zylindrigen Verbundlokomotiven entspricht in Sachsen teilweise und in Elsaß-Lothringen durchweg der Bauart de Glehn, in Bayern, Baden, Württemberg und der Pfalz der Bauart v. Borries bzw. Courtin.
Die Kesselbauart weist nur in Sachsen und Elsaß-Lothringen die Belpaire-Feuerkiste auf, während im übrigen Deutschland die Feuerkiste mit zylindrischer Decke bevorzugt wird; bisweilen ist dann der letzte Kesselschuß kegelförmig erweitert. Die Dampfdrücke betragen bei 4zylindrigen L. meist 1416 at, sonst meist 12 at.
Mehrteilige Triebwerke (Mallet-Rimrott, Meyer, Fairlie, Hagans u.s.w.) finden auf Hauptbahnen wenig Anwendung mehr; sie sind im allgemeinen auf krümmungsreiche Neben- und Kleinbahnstrecken zurückgedrängt. Als Ersatz dient die bei D- und E-Lokomotiven mit Erfolg angewendete Seitenverschiebbarkeit gekuppelter Achsen (830 mm), sog. Gölsdorf-Achsen. 1913 hat die bayrische Staatsbahn D-D-Tenderlokomotiven (
15 at, R = 4∙25, H = 270, Qd = 123) zum Nachschieben auf Strecken mit starken Steigungen eingeführt, vgl. Die Lokomotive, 1914, S. 117.
6. In Österreich10 war es zuerst die Maschinenfabrik der Wien-Gloggnitzer Eisenbahngesellschaft in Wien, die, nachdem sie 1840 den Lokomotivbau unter Leitung Haswells aufgenommen hatte, einen bestimmenden Einfluß auf die Gestaltung der Bauformen nahm, dann die 1843 in eine Lokomotivbauanstalt verwandelte Maschinenfabrik von Prevenhuber, Günther und Armbruster in Wiener-Neustadt, welche in der allerersten Zeit nach amerikanischen Vorbildern gearbeitet hatte.
1850 ging von Österreich eine Anregung auf dem Gebiet des Lokomotivbaues aus, die für die Gestaltung der Gebirgslokomotiven beinahe von derselben hervorragenden Bedeutung war, wie der Wettkampf von Rainhill für die Einführung der L. überhaupt. Die Überschienung des Semmerings stellte auf der Strecke Gloggnitz-Mürzzuschlag mit 1 : 40 bis 1 : 45 Steigung auf 35 km Länge bei zahlreichen Krümmungen unter 300 m Halbmesser eine Aufgabe für den Lokomotivbetrieb, zu deren Lösung im März 1850 ein Wettbewerb ausgeschrieben wurde.
Die Preislokomotive sollte bei günstiger Witterung auf 1 : 40 bei 284 m Krümmungshalbmesser eine Bruttolast von wenigstens 2500 q Gewicht ausschließlich Tender mit 14∙2 km/Std. fortschaffen. Als Preisrichter walteten im August 1851 unter Vorsitz des k k. Hofrats Ritter v. Burg u.a. Kirchweger aus Hannover, Exter aus München und v. Engerth aus Wien. Vier L. erschienen zum Wettbewerb:
1. »Bavaria«, von Maffei in München, 2 Außenzylinder von 508 × 769 mm, 4achsig, mit 2achsigem Tender;
2. »Wiener-Neustadt«, von Günther in Wiener-Neustadt, 4 Außenzylinder von 330 × 632 mm; 2 2achsige Maschinen unter einem Kessel, Tendermaschine, später System Meyer genannt;
3. »Seraing«, von Cockerill in Seraing. 4 Innenzylinder von 422 × 712 mm; 2 mit ihren Feuerkasten verbundene L.; 4 Achsen mit 1079 mm Raddurchmesser, je 2 Paar im beweglichen Untergestell (später System Fairlie);
4. »Vindobona«, von der Wien-Gloggnitzer Maschinenfabrik; 2 Außenzylinder von 448 × 579 mm, 4 gekuppelte Achsen 1948 mm Raddurchmesser; 3 Achsen zwischen Dampfzylinder und Feuerkiste, 1 Achse hinter der letzteren.
Die L. »Bavaria« erhielt den ersten, »Wiener-Neustadt« den zweiten, »Seraing« den dritten und »Vindobona« den vierten Preis (20.000, 10.000, 7000 und 6000 Dukaten).
Da alle Preislokomotiven Einrichtungen hatten, die teils gewagt, teils nicht erprobt waren, so hielt man keine für die Einführung geeignet. Kirchweger entwarf darauf eine unter dem Namen System Fink bekannt gewordene Bauart, C. Krauß in Hannover eine solche, bei der die mittlere erhöhte Reibungsschiene von Vignoles und Ericson zu gründe gelegt war. Die Last des angehängten Wagenzugs wurde dazu benutzt, die wagrechten Räder an die Reibungsschiene anzupressen, wodurch die für die Zugkraft zur Verfügung stehende Reibung mit der angehängten Zuglast zu- oder abnehmen sollte.[165]
Fell hat diesem System durch Benutzung bei der vorübergehenden Überschienung des Mont Cenis während der Durchtunnelung einen Namen gemacht, von der Abhängigkeit zwischen Wagenzug und mittleren Reibungsrädern aber abgesehen.
Den Bemühungen Engerths war es vorbehalten, auf Grund des vorliegenden Materials eine eigene Bauart zu ersinnen, die alsbald große Verbreitung fand, sowohl in Österreich und Ungarn als auf der französischen Nordbahn und vielen Schweizerbahnen, mit entsprechenden Abänderungen auch auf L. für den Personenzugdienst auf Flachlandbahnen übertragen wurde.
Nachstehende Abb. 197 läßt erkennen, wie L. und Tender bei dieser Maschine ein zusammenhängendes Ganzes bilden. Die L. hat 3 gekuppelte Achsen. Der hintere Teil des Kessels wird durch den bis vor die Feuerbüchse verlängerten Tenderrahmen getragen. Der Tender läuft auf 2 gekuppelten Achsen. Die Kupplung zwischen Lokomotiv- und Tendergestell gestattet denselben, sich gegeneinander in wagrechter und senkrechter Ebene zu verstellen. Die vordere Tender- und die hintere Lokomotivachse sind mit Zahnrädern versehen, welche gemeinsam in ein zwischen denselben gelagertes Zahnrad eingreifen. Bei freier Drehbarkeit war hierdurch die Kupplung sämtlicher Achsen für Adhäsionszwecke erreicht. Diese Zahnradkupplung hat nur einige Zeit bei der ersten L. Anwendung gefunden. Weitere Ausführungen s. Die Lokomotive, 1911, S. 259.
Weit über Österreichs Grenzen hinaus fanden die L. mit Hallschen Kurbeln Anwendung, welche in dem Bestreben zur Erhöhung der Stabilität der L. anfangs der Sechzigerjahre entstanden. Demselben Anlaß entsprang die in Abb. 198 dargestellte 4zylindrige Haswellsche Duplexmaschine der österreichischen Staatsbahngesellschaft, die 1862 in London ausgestellt war. Die Vorteile des hier erzielten Ausgleichs der hin und hergehenden Massen wurde jedoch damals noch nicht genügend bewertet, so daß die anderen L. gleichen Typs mit nur 2 Zylindern ausgeführt wurden.
Lange Zeit hindurch waren bei vielen Lokomotivbauarten alle Achsen unter dem Langkessel zusammengedrängt und die Rostflächen klein. Bis zum Beginn der Siebzigerjahre lag das Bestreben vor, die Zugkraft unter Vermehrung der Adhäsionslast und unter Steigerung der Verdampfungsfähigkeit durch Anwendung sehr langer Rohre in schweren Kesseln zu vergrößern. Die Rahmen nach System Hall herrschten vor, vordere Wendeschemel veralteter Bauart und verschiebbare Achsen waren schon zur Zeit der Wiener Weltausstellung (1873) sehr stark in Anwendung.
Lange Zeit blieben die 1 B- und 2 B-Lokomotiven für Personenzugdienst und die C-Lokomotiven für den Güterzugdienst die einzigen Arten der Flachlandlokomotiven; für die zahllosen Gebirgsstrecken wurden die C-Lokomotiven mit zum Personendienst herangezogen, während D-Lokomotiven den schweren Güterzugdienst versahen. Namentlich die letzte Type, die schon in den Sechziger jähren in Österreich viel verwendet war, hat außerordentliche Verbreitung gefunden; Abb. 12, Taf. III, zeigt die aus dem Jahre 1888 stammende Ausführung der österreichischen Staatsbahn, Serie 73. Sie ist zu vielen Hunderten bis in die letzten Jahre gebaut worden, 19081910 mit Clench-Überhitzer.
Erst mit den Neunzigerjahren setzt unter dem Einfluß Gölsdorfs eine neue Ära ein. Die neuen Alpenbahnen, Giselabahn, Arlbergbahn, dann schließlich die Tauern-, Pyhrn- und Karawankenbahn konnten nicht mehr mit den alten Betriebsmitteln, mit denen sich die Südbahn auf den alten Alpenbahnen (Semmering, Brenner) beholfen hatte, ausgestattet werden. Wenn auch hier noch zunächst die D-Güterzuglokomotive reichliche Verwendung fand, so bedurfte doch vielfach der Güterverkehr einer L. mit großer Reibung, zumal in Österreich nur 14∙5 t Achsdruck zulässig sind. 1900 schuf Gölsdorf, der grundsätzlich bei allen L. Verbundwirkung[166] anwendete, eine E-Lokomotive Serie 180, bei der er nach den Ideen von Helmholtz die Grundsätze über die Verschiebbarkeit der Achsen in die Praxis umsetzte, indem er die vierte Achse antrieb und der ersten und fünften Achse je 26 mm und der dritten Achse 20 mm Verschiebbarkeit nach jeder Seite gab. Die Rostfläche wurde später auf 3∙4 m2 vergrößert und wieder später ein Dampftrockner Bauart Clench eingebaut11. In ihrer Gesamtanordnung hat diese L. für viele andere Ausführungen als Vorbild gewirkt. Die Abb. 1, Taf. IV, zeigt gleichzeitig die charakteristische Ausbildung der L. der österreichischen Staatsbahn.
Der Feuerkistenmantel ist zylindrisch, die Rückwand meist etwas geneigt, um möglichst geringes Gewicht bei großer Rostfläche zu erzielen. Doppeldom, um an Dampfraum zu gewinnen; große Rauchkammer mit Froschmaulblasrohr. Als Rahmen finden durchweg Platten rahmen Verwendung. Das Triebwerk ist im einzelnen sehr sorgfältig durchgebildet. Als Steuerung wird durchweg Heusinger-Steuerung verwendet. Die Schieber sind stets Flachschieber, erst bei den neuen Heißdampflokomotiven ist Gölsdorf zum Kolbenschieber übergegangen. Der Sandstreuer sitzt nicht auf dem Kessel, sondern auf oder unter dem Laufbrett, wo er meist besser zugänglich ist. Die Führerhäuser sind im Oberteil um etwa 2 × 135 mm verschmälert und mit schmaler Windschutzleiste versehen. Der Reglerzug liegt außen. Alle Züge sind möglichst übersichtlich parallel nebeneinander auf der Führerseite angeordnet. Die überall durchgeführte, sehr sorgfältige Berechnung aller Einzelteile und Anpassung an die wirklichen Beanspruchungen hat es Gölsdorf ermöglicht, trotz geringerer Achsdrücke meist größere Kessel unterzubringen als sonst üblich.
Für den schweren Personen- und Schnellzugdienst baute Gölsdorf, nachdem die 2zylindrige Verbund-1 D-Lokomotive Serie 170 sich als ungenügend erwiesen hatte, im Jahre 1906 eine 4zylindrige 1 E-Lokomotive Serie 280 mit folgenden Abmessungen:
16 at, R = 4∙6, H = 232, Qd = 77, Qr = 67. Der auffällig große, bei allen L. mit entsprechendem Treibraddurchmesser gewählte Kolbenhub von 720 mm ermöglicht geringe Zylinderdurchmesser, geringere Kolbendrücke und daher Gewichtsersparnisse im Triebwerk. Diese Lokomotivtype wurde später als Serie 380 auch für Heißdampf gebaut. Sie erhielt Schmidtschen Überhitzer (Abb. 2, Taf. IV). Dieser folgte im Jahre 1911 die Serie 100 (s. Art. Heißdampflokomotive, Taf. VI, Bd. VI), eine 1 F-Lokomotive. Es ist dies die erste in Europa gebaute L. mit 6 im gleichen Rahmen gelagerten Treibachsen. Auch bei dieser L. ist die notwendige Kurvenbeweglichkeit für die kurvenreichen Alpenbahnen durch parallele Verschiebbarkeit der Laufachsen erreicht, und zwar besitzt die Laufachse, Bauart Adam, 50, die zweite und fünfte Kuppelachse je 26 und die sechste Kuppelachse 40 mm Seitenverschiebbarkeit12.
Daneben lief eine ständige Ausbildung der Flachlandlokomotiven. Die alte 2 B-Zwillingslokomotive Serie 13 (R = 2, H = 110, Treibraddurchmesser 17001800 mm) wurde im Jahre 1893 durch eine 2zylindrige Verbundlokomotive Serie 6 ersetzt mit Abmessungen:
13 at, R = 2∙9, H = 140, Qd = 55, Qr = 29. Diese Type wurde weiter ausgebildet, 1898 als Serie 106, 1903 als Serie 206, beide noch Naßdampflokomotiven, und 1908 als Serie 306 (Abb. 3, Taf. IV) mit Schmidt-Überhitzer. Daneben besaß Österreich auch eine 2 B 14v, Serie 108, mit
15 at, R = 3∙5, H = 197, Qd = 68, Qr = 29. Diese Type hat jedoch kein großes Verwendungsgebiet gefunden, da die Strecken, auf denen sehr hohe Geschwindigkeiten zulässig sind, in Österreich wegen des hügeligen Geländes nicht sehr zahlreich sind. Notwendiger wurde eine Schnellzuglokomotive mit 3 gekuppelten Achsen. Nachdem Gölsdorf im Jahre 1898 eine 2 C2 v mit Innenzylindern Serie 9 gebaut hatte, drängte die Notwendigkeit der namentlich bei der österreichischen Kohle erforderlichen großen Rostfläche zur Anwendung der 1 C 1-Lokomotive, die im Jahre 1905 als Vierzylinderverbundmaschine Serie 110 erschien (Abb. 4, Taf. IV). Sie ist inzwischen auch als Serie 10 als Heißdampflokomotive gebaut. Ferner wurde 1907 für Personenzugdienst eine 2zylindrige L. gleicher Radanordnung als Serie 329 und 1909 als Heißdampflokomotive Serie 429 geschaffen.
Für die schweren Schnellzüge der Nordbahnstrecken genügte jedoch die L. Serie 110 nicht mehr. Auch hier ging Gölsdorf seine eigenen Wege, indem er 1908 nicht zur Pacificlokomotive 2 C 1, sondern zu einer 1 C 2-Lokomotive, der ersten L. mit dieser Radanordnung, schritt. Während Gölsdorf bei seinen bisherigen L. stets führende Adam-Achsen (s. Bd. I, S. 122), u. zw. stets ohne Rückstellvorrichtung, mit Erfolg angewendet[167] hatte, ging er hier zum Krauß-Drehgestell über. Durch die Anwendung des hinteren Drehgestelles gewann er die Möglichkeit, bei 2140 mm Raddurchmesser eine große Rostfläche in bequemer Weise ohne Überlastung der hinteren Laufachsen unterzubringen. Die Weiterentwicklung fand die Serie 210 durch die Anwendung des Schmidtschen Überhitzers in der L. Serie 310 (vgl. Abb. 199).
Für Hügellandstrecken erschien 1914 eine 1 D 14v-Lokomotive, Serie 470 (Abb. 5; Taf. III) mit
15 at, R = 4∙6, H = 222, Qd = 87, Qr = 58, vgl. Die Lokomotive, 1914, S. 237.
Als Güterzuglokomotive für Flachlandstrecken wäre noch die ebenfalls in großer Zahl gebaute 1 C-Lokomotive Serie 60 mit
13 at, R = 2∙7, H = 130, Qd = 53, Qr = 43, zu erwähnen.
Für Stadtbahn- und Vorortverkehr finden hauptsächlich 1 C 1-Tenderlokomotiven mit
(Serie 30) und mit
(Serie 229) Verwendung. Letztere Type ist in Abb. 6, Taf. IV, abgebildet. Diese L. sind insoferne bemerkenswert, als sie Zweizylinder Verbundlokomotiven sind und sich für diesen Verkehr durchaus bewährt haben, während man sonst nicht gewagt hat, derartige L. für sehr häufig haltende Züge zu benutzen. Im[168] Laufe der letzten Jahre wurde die L. Serie 229 auch mit Schmidtschem Überhitzer gebaut.
Die österreichische Südbahn hat in den letzten Jahren durchweg die Staatsbahntypen fast unverändert übernommen. 1910 schuf sie daneben noch eine 2 C2H-Lokomotive Serie 109 mit Tr = 550/650/1700, 13 at, R =3∙6, H = 213, Qd = 67, Qr = 43, bei der die Kesselmitte auf 3000 mm über S.O. gelegt und zum ersten Male in Europa bei einer Personenlokomotive eine breite, über den Kuppelrädern stehende Feuerkiste ausgeführt wurde. Infolgedessen konnte eine Rostfläche von 1580 × 2229 mm = 3 55 m2 bei 14∙4 t Achsdruck erreicht werden, während z.B. die französischen 2 C-Lokomotiven selbst bei 18 t Achsdruck nur 3∙1 m2 Rostfläche erreichen. Neuerdings hat die Südbahn auch E- und 1 E-Lokomotiven beschafft, die im Gegensatz zu den Staatsbahntypen mit Zwillingswirkung arbeiten (vgl. Die Lokomotive, 1914, S. 189 u. 1912, S. 241).
Die Typen der sonstigen österreichischen Bahnen weichen von denen der Staatsbahn ab. Die Nordbahn beschaffte schon 1899, die Nordwestbahn 1901 2 B 1-Lokomotiven, doch gingen die meisten Bahnen um die Jahrhundertwende für Personen- und Güterverkehr zu 2 C- und 1 C-Lokomotiven über. Inzwischen sind beide Bahnen verstaatlicht, verwenden daher nunmehr die Staatsbahntypen. Die Aussig-Teplitzerbahn erhielt 1906 1 C 12-Heißdampflokomotiven.
Auch die ungarische Staatsbahn hat besonders im letzten Jahrzehnt viel moderne L. beschafft. Für Schnellzüge werden 2 B 14v-Lokomotiven mit Vanderbilt-Tender und 1 C 14v-Lokomotiven verwendet. Auch 1 C 12v-Lokomotiven genau wie Serie 329 der österreichischen Staatsbahn wurden in größerer Zahl beschafft. 1911 erschien auch eine 2 C 1 H-Lokomotive, die teils als Vierlings-, teils als Vierzylinder-Verbundlokomotive, ausgeführt mit R = 4∙84 und H = 315, die Abmessungen der belgischen L. Type 10 erreicht.
7. Italien. Bis in die Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts deckte Italien seinen Lokomotivbedarf fast ausschließlich aus dem Auslande; Deutschland, Österreich, Frankreich und England lieferten dorthin. Erst etwa von 1885 an begann die italienische Lokomotivindustrie, die bis dahin nur wenige L. geliefert hatte, zu erstarken; auch neue Lokomotivfabriken entstanden. Heute können die bestehenden Lokomotivfabriken den ganzen Bedarf des Landes in normalen Zeiten decken; sie haben sogar vereinzelt nach Dänemark und Rumänien exportiert. 1884 führte die Mittelmeerbahn als erste europäische Verwaltung 2 C-Lokomotiven ein; aber erst Ende der Neunzigerjahre begannen die italienischen Bahnen eigene Typen, die von den sonstigen europäischen abweichen, zu bauen. Die meisten dieser Entwürfe rühren von den früheren Oberingenieuren[169] Plancher und Zara des adriatischen Bahnnetzes her.
Im Jahre 1900 erschien auf der Ausstellung in Paris die mit dem Führerhaus voran fahrende C 2-Schnellzuglokomotive Gruppe 670, früher Gruppe 690, Abb. 200, mit reinem Wassertender, die, in 43 Exemplaren gebaut, hauptsächlich für die Schnellzüge auf den oberitalienischen Strecken Verwendung fanden. 1904 folgte eine 1 C-Personenzug-Verbundlokomotive mit 1520 mm Raddurchmesser, bei der beide Zylinder innerhalb der Rahmen lagen. Diese L. ist dann auch mit 1850 mm Raddurchmesser, als Schnellzuglokomotive und schließlich als Zwillingslokomotive mit Schmidt-Überhitzer, Gruppe 640 (Abb. 13, Taf. III) in zahlreichen Exemplaren gebaut worden. 1907 folgte eine 4zylindrige Verbundlokomotive der Type 1 C 1 Gruppe 680 bzw. 685 als Heißdampflokomotive und 1911 eine 2 C 1-Vierlings-Heißdampflokomotive und 1914 eine 1 D2-Heißdampflokomotive mit dem bemerkenswert großen Treibraddurchmesser von 1630 mm, Gruppe 745.
Plancher hatte bei der C 2-Schnellzuglokomotive eine unsymmetrische Anordnung der 4 Dampfzylinder eingeführt, derart, daß die beiden Hochdruckzylinder auf der einen, die beiden Niederdruckzylinder auf der anderen Seite lagen, eine Anordnung, die auch bei den übrigen italienischen Vierzylinder-Verbundlokomotiven angewendet wurde. Die beiden zusammengehörigen Zylinder einer Seite wurden durch einen Schieber gesteuert, die Dampfeinströmungskanäle überkreuzten sich dabei. Nur bei den allmählich größer werdenden Niederdruckzylindern wandte Plancher 2 in einer Achse hintereinander liegende Schieber an.
Die von Zara entworfene 2 C 1-Lokomotive unterscheidet sich von den übrigen europäischen Ausführungen dadurch, daß der Rost weder rechteckig noch nach der in Frankreich verbreiteten »Violon«-Form gebaut ist, sondern sich von vorn, wo er zwischen die Rahmen reicht, nach hinten über die Rahmen allmählich gleichmäßig verbreitert.
Die Anordnung der C 2-Lokomotive wurde auch bei den von 1907 ab gebauten E-Güterzuglokomotiven (Abb. 7, Taf. IV) gewählt. Auch diese L. hat die Planchersche Vierzylinderanordnung und führt hinter dem Schornstein einen besonderen Wassertender, der in diesem Falle gleichzeitig mit einer kleinen Kabine für den Zugführer der Güterzüge versehen ist. Der Kohlenvorrat liegt, wie bei der Schnellzugmaschine, links neben der Feuerkiste.
8. Schweiz. Trotzdem die Schweiz ein für Eisenbahnverhältnisse schwieriges Land ist, sind dort nicht viel bemerkenswerte Typen entstanden. Die Gotthardbahn ging wie die badische Staatsbahn schon im Jahre 1894 zur Beschaffung von 2 C4v-Lokomotiven, Bauart de Glehn, über. Versuchsweise ließ sie eine dieser L. als Dreizylinder-Verbundlokomotive bauen, eine Anordnung, die sich hier nicht bewährte. Die Vierzylinder-Verbundlokomotive, Bauart de Glehn, wird auch von der Schweizer Bundesbahn allerdings in verstärkten Ausführungen mit:
15 at, R = 2∙6, H = 159, Qd = 64, Qr = 46, für alle Schnellzüge verwendet. Einige 2 C-Lokomotiven hat die Bundesbahn als Vierzylinder-Heißdampflokomotiven und einige als Heißdampf-Drillingslokomotiven ausgebildet (vgl. Die Lokomotive, 1908, S. 48). Diese L. besitzen aber nicht de Glehn-Triebwerk, sondern alle Zylinder treiben die erste gekuppelte Achse an. Für Personenzüge verwendet die Schweizer Bundesbahn 1 C3v-Lokomotiven (Abb. 8, Taf. IV) mit vorderer Adam-Achse. Von dieser Gattung sind 147 Stück im Betrieb, sie schleppen 200 t auf 20%, mit 30 km Geschwindigkeit. Neuerdings werden diese L. jedoch als Heißdampf-Zwillingslokomotiven mit 540 mm Zylinderdurchmesser gebaut.
Für den schweren Güterzug- und auch für Personenzugverkehr auf Strecken mit sehr starken Steigungen finden 1 D4v-Lokomotiven, Abb. 9, Taf. IV, seit 1914 1 E4v-Lokomotiven Verwendung. Bei diesen L. liegen alle Zylinder vorn in einer Ebene, doch treiben die inneren die dritte und die äußeren die vierte Achse an. Ähnliche 1 D-Lokomotiven, aber mit Barrenrahmen, besitzt die Gotthardbahn, die auch einige 2 C4v-Lokomotiven mit Barrenrahmen, ähnlich den bayrischen Personenzuglokomotiven, in Betrieb hat.
Besondere Entwicklung hat in der Schweiz naturgemäß die Zahnradlokomotive gefunden; doch ist außer der Schweizerischen Lokomotivfabrik in Winterthur auch eine deutsche Firma, die Maschinenfabrik Eßlingen, auf diesem Gebiete sehr tätig gewesen.
9. Rußland. Rußlands erste Bahn (Petersburg-Moskau) bezog ihre L. aus den Alexandrowschen Werken, gegenwärtig die Hauptwerkstätten der Nikolai-Bahn. Als 1864 der Bahnbau Rußlands einen lebhaften Aufschwung nahm, waren alle größeren europäischen Lokomotivfabriken an den Lieferungen für die russischen Bahnen beteiligt. Der heimische Lokomotivbau, bis dahin wenig entwickelt, wurde durch die Zoll- und sonstigen Maßnahmen der letzten Jahrzehnte, die den fremden Lokomotivbau vom russischen Markt gänzlich ausgeschlossen[170] haben, erheblich gefördert. Es entstand eine Reihe von größeren einheimischen Lokomotivfabriken, die sich auch an Ausstellungen (Paris 1900) beteiligten und in einem vereinzelten Falle bereits exportierten.
Die neuen Personen- und Schnellzuglokomotiven sind 2 B- oder 2 C-, die Güterzuglokomotiven meist D- oder 1 D-Lokomotiven. Für die 2 C-Lokomotive taucht auch 1911 bereits eine 1 C 1-Lokomotive auf. Das Verbundsystem hat viele Anhänger gefunden, jedoch werden neuerdings die Heißdampflokomotiven wiederum meist als Zwillingslokomotiven gebaut. Charakteristisch für die russischen L. ist das Geländer um den Umlauf, das man sonst nirgends wiederfindet.
Namentlich auf den südlichen Bahnen wird fast ausschließlich mit flüssigem Brennstoff, Masut, gefeuert. Um die Einführung der Masutfeuerung hat sich seinerzeit Urquhart sehr verdient gemacht, der auch viel für die Einführung der Verbundlokomotiven getan hat.
10. Nordische Länder. Schweden und Norwegen besitzen neben einem Staatsbahnnetz zahlreiche Privatbahnen. Den Lokomotivbedarf deckten bis Ende des vorigen Jahrhunderts hauptsächlich deutsche und auch englische Fabriken, doch sind dort auch L. aus Amerika und aus der Schweiz zu finden. Allmählich entstanden aber hier 6, allerdings meist kleine Fabriken, die jetzt sogar nicht nur den Bedarf des Inlandes decken, sondern auch hin und wieder nach Dänemark ausführen.
Infolge der Zersplitterung des Eisenbahnnetzes ist die Zahl der schwedischen Lokomotivtypen außerordentlich groß. Den Vorzug erhalten seitens der schwedischen Staatsbahnen und der größeren Privatbahnen Personen- und Schnellzuglokomotiven mit innenliegenden Zylindern. Abb. 10, Taf. IV, stellt eine neuere 2 B 1-Heißdampflokomotive der schwedischen Staatsbahn dar. Auch 1 C- und 2 C-Lokomotiven finden sich in größerer Anzahl vor. 1914 begann auch die Entwicklung einer 2 C 14v-Heißdampflokomotive. Für die Lulea-Ofoten-Bahn, die die schweren Erztransporte (Zugsgewichte bis zu 1300 t!) von Kiirunavara nach Narvick zu bewältigen hat, sind schwere E-Lokomotiven beschafft, die eine Zugkraft von 18∙8 t aufweisen.
In Dänemark befindet sich ein großes Staatsbahnnetz, um dessen Lokomotivpark sich der frühere Maschinendirektor Busse sehr verdient gemacht hat. Es laufen im Schnellzugdienst 2 B-Lokomotiven, seit 1907 4zylindrige 2 B 1-Lokomotiven mit Vauclain-Schieber und seit 1911 2 C2-Heißdampflokomotiven. Im Güterzugverkehr wird heute hauptsächlich die 1 C-Lokomotive mit außenliegenden Zylindern verwendet.
11. Holland. Bis in die neueste Zeit beziehen die großen Bahnnetze Hollands, die Staatsspoorwegen und die Hollandsche Ijzeren Spoorweg Maatschappy, ihre L. fast ausschließlich aus dem Auslande, erstere von Beyer-Peaceck, letztere früher von Borsig, dann aber von Sharp Stewart, bzw. von der North British Locomotive Company. Seit den Neunzigerjahren werden für Personenzugverkehr 2 B-Lokomotiven mit innenliegenden Zylindern verwendet, die übrigens neben den älteren C-Lokomotiven auch häufig zur Beförderung der meist leichten Güterzüge benutzt werden. Die Staatsspoorwegen beschaffte jedoch im Jahre 1900 für die schweren und schnell fahrenden Züge einige 2zylindrige 2 B 1-Lokomotiven, seit 1910 4zylindrige 2 C-Heißdampflokomotiven und 1913 2 C 2-Tenderlokomotiven, alle 3 Typen von Beyer-Peacock. Für schweren Güterzugverkehr im Steinkohlengebiet wird seit 1912 eine leistungsfähige 1 D 1-Tenderlokomotivtype deutschen Ursprungs verwendet. Die Nederlandsche Central-Spoorweg fährt ebenfalls ihre sehr schweren Schnellzüge Utrecht-Zwolle seit 1910 mit aus Deutschland gelieferten 4zylindrigen 2 C-Heißdampflokomotiven. Die zahllosen holländischen Straßenbahnen besitzen meist L. deutschen Urprungs, doch lieferte solche L. auch seit 1883 die einheimische Firma Backer & Rueb in Breda; ferner nahm auch Ende der Neunzigerjahre die Amsterdamsche Fabrik von Werktuigen en Spoorwegmateriel den Bau von L. auf und liefert bereits seit Jahren auch große L. für die Bahngesellschaften und für die holländischen Bahnen auf Java. Den gesamten Bedarf des Landes können diese Fabriken jedoch nicht decken.
VI. Lokomotivfabriken. Die ersten Lokomotivfabriken enstanden naturgemäß in England, doch folgten Belgien, Frankreich, Deutschland und Österreich mit Gründung solcher Fabriken schnell nach. In England ist die Zahl der Fabriken nie sehr groß geworden. Die großen Bahnverwaltungen haben teilweise von den Vierzigerjahren an ihre L. in ihren eigenen Werkstätten gebaut, vereinzelt sogar für andere Bahnen geliefert, bis ihnen dies gesetzlich verboten wurde. Nicht unerwähnt sei, daß z.B. die Werkstätte Crewe der London and North Western-Bahn 1911 bereits die 5000. L. fertigstellte. Die Zahl der bedeutenderen englischen Fabriken hat sich im Laufe dieses Jahrhunderts noch mehr vermindert durch Gründung der North British Locomotive Company,[171] welche die 3 Firmen Sharp Stewart, Dubs und Neilson Reids in sich aufnahm. Die englischen Fabriken finden Ersatz für den fehlenden einheimischen Markt in dem großen Bedarf der umfangreichen englischen Kolonien, können diesen Bedarf jedoch bei aufsteigender wirtschaftlicher Lage nicht decken, so daß mehrfach deutsche Fabriken Gelegenheiten zu umfangreichen Lieferungen nach Indien fanden. 1914 wurden sogar verschiedene belangreiche Lokomotivaufträge für England selbst in Deutschland untergebracht, von denen allerdings nur einer noch vor dem Kriege 1914 zur Ausführung gelangte.
In Deutschland nahmen zur Zeit der Entstehung der Eisenbahnen viele Maschinenfabriken den Lokomotivbau auf, doch haben nur einige wenige ihn dauernd beibehalten und dann zu seiner Entwicklung erheblich beigetragen. Namen wie Borsig, Maffei, Egestorff, Kessler, Krauß sind unzertrennbar mit der deutschen Lokomotivgeschichte verknüpft. Wenn auch deutsche L., namentlich die von Borsig, schon in den Siebziger- und Achtzigerjahren im Auslande einen guten Ruf genossen, so hat doch erst seit Ende der Neunzigerjahre die deutsche Lokomotivindustrie sich stark um die Ausfuhr nicht nur nach Europa, sondern auch nach Obersee beworben, so daß sie heute neben der nordamerikanischen und englischen Lokomotivindustrie auf dem Auslandsmarkt die Hauptrolle spielt. Auf dem europäischen Markte ist sie jeder anderen weit überlegen. Im Laufe dieses Aufschwungs begannen neben den alten bekannten Firmen verschiedene andere Fabriken wie z.B. Orenstein & Koppel, Maschinenbauanstalt Humboldt, Breslau, mit dem Bau von L.
Der österreichische Lokomotivbau, beinahe so alt wie der deutsche, hat sich am Export nie in großem Maße beteiligen können, da für ihn die Erzeugungsbedingungen und Ausfuhrmöglichkeiten durch die zentrale Lage Österreichs zu sehr erschwert ist. Immerhin finden sich österreichische L. fast in allen Ländern Europas.
Erheblich beteiligen sich an der Ausfuhr belgische Fabriken. Schwach ist dagegen die Ausfuhr seitens der französischen und schweizerischen Lokomotivindustrie, da diese durch den Inlandsbedarf meist reichlich beschäftigt werden. Vereinzelt haben aber auch, wie schon erwähnt, sogar italienische, schwedische und russische Lokomotivfabriken exportiert.
In gewaltigem Maße hat sich die amerikanische Lokomotivindustrie entwickelt, die neben dem ungeheuren Bedarf des Inlandes und Kanadas auch Mittel- und teilweise Südamerika jahrzehntelang fast ausschließlich mit L. versorgte. 1901 vereinigten sich 8 große Fabriken zur American Locomotive Company, die mit einem Kapital von 50 Mill. Dollar arbeitet. Zurzeit bestehen daher, abgesehen von einigen neuen Fabriken, nur 2 größere Fabriken, deren Lieferungsziffern allerdings weit über den in Europa üblichen Zahlen liegen, die vorgenannte American Locomotive Company und die Baldwin Locomotive Works.
Im allgemeinen wird die Ausfuhr überall immer mehr und mehr eingeschränkt. Seit den Achtziger- und Neunzigerjahren sind Lokomotivfabriken in Italien, Schweden, Norwegen und Kanada entstanden. Im Laufe dieses Jahrhunderts sind auch in Neu-Süd-Wales, Viktoria, Westaustralien, Queensland, Neuseeland, Chile und in Japan Maschinenfabriken zum Bau von L. übergegangen, in Australien decken sie bereits den größten Teil des Inlandsbedarfs. Überall wird die einheimische Industrie durch teilweise sehr starke Schutzzölle (in Rußland 33%, Vereinigten Staaten 45% Wertzoll) geschützt.
Die nachstehende Tabelle gibt die hauptsächlichsten Lokomotivfabriken mit Angabe der Lieferung der 1000., der 2000. und 5000. L. sowie ihre Leistungen an. Aufgenommen sind, der Kürze halber, nur diejenigen Fabriken, die bis 1911 etwa rund 2000 L. geliefert haben. Bemerkt sei hierzu, daß die Fabriknummern nicht durchwegs die Zahl der gelieferten L. angeben, da viele Fabriken auch andere Fabrikate, z.B. Kessel u.s.w. mitzählen. Die Angaben über die Leistungsfähigkeiten können nur ungefähre Schätzungswerte sein; auch ist hierbei zu beachten, daß manche Fabriken fast ausschließlich große oder wiederum größtenteils kleine und kleinste L. herstellen.
VII. Neuere Bestrebungen im Lokomotivbau. Eines der wichtigsten Ergebnisse der letzten 10 Jahre ist die gelungene Einführung des Heißdampfes (s.d.) im Lokomotivbau, die vor allen Dingen den unermüdlichen Bemühungen Schmidts, Müllers und Garbes zu danken ist. Der Heißdampf hat die Verbundwirkung verschiedentlich beinahe verdrängt oder doch zurückgedrängt; es ist aber nach neueren Versuchen sicher, daß die Verbindung von Heißdampf mit Verbundwirkung die wirtschaftlichste L. ergibt, doch kann unter besonderen Verhältnissen bei niedrigen Kohlenpreisen die Ersparnis der Verbundlokomotive nicht im Verhältnis zu den höheren Beschaffungskosten stehen. Die Verfechter des Heißdampfes streben dahin, den Dampfdruck herabzusetzen, [174] um den Kessel zu schonen. Diese Herabsetzung ist wohl zulässig, da die vergrößerten Zylinderabmessungen wegen der bekannten Eigenschaft des Heißdampfes keine Vergrößerung der Niederschläge bedingt. Immerhin muß man damit rechnen, daß bei großen Zylinderabmessungen Wasserschläge heftiger ausfallen als bei kleineren Zylinderabmessungen (vgl. Art. Heißdampflokomotiven).
Eine weitere Ausnutzung der Heizgase zur Speisewasservorwärmung wird neuerdings vielfach angestrebt. Englische Bahnen haben eine Einrichtung von Halpin, die französische Nordbahn eine solche von Caille-Potonié eingeführt; auch die amerikanischen Bahnen sind namentlich, um bei den Mallet-Lokomotiven die erforderliche Länge des Kessels auszunutzen, dazu übergegangen, in den vorderen Kesselteil Speisewasservorwärmer einzubauen. Auch die Versuche von Trevithick bei L. der ägyptischen Staatsbahn sind hier zu erwähnen. Am erfolgreichsten scheinen jedoch die von der preußischen Staatsbahn jetzt allgemein eingeführten Abdampfvorwärmer mit einer der Luftpumpe ähnelnden Wasserpumpe zu sein.
Einer der schwächsten Punkte des Lokomotivkessels (s.d.) ist zweifellos die Feuerbüchse mit ihren parallelen Wänden und zahlreichen Stehbolzen. Es fehlt daher nicht an Bestrebungen, diese Bauart zu verbessern. Die Bemühungen, den ganzen Lokomotivkessel durch einen Wasserrohrkessel zu ersetzen, wie es Roberts bei der P-L-M-Bahn, Schneider bei eigenen Werkslokomotiven, Strohmann an L. der preußischen Staatsbahn und andere versucht haben, erscheinen kaum aussichtsvoll, da einerseits die Reinigung eines Wasserrohrkessels sehr schwierig ist und anderseits der jetzige Rundkessel mit Heizrohren ein in seiner Einfachheit kaum zu übertreffender Bauteil ist. Eher werden vielleicht die Bemühungen, die Feuerkiste allein zu ersetzen, Erfolg haben. Österreichische, ungarische, deutsche, russische und schweizerische Bahnen haben Kessel Bauart Brotan versucht, bei der die Kistenform durch eine Anzahl hosenförmiger Wasserrohre von etwa 90100 mm Durchmesser gebildet wird. Du Bousquet baute für die französische Nordbahn verschiedene Kessel, bei denen die Feuerkiste aus lauter dünnen Rohren gebildet wird. Beide Bauarten scheinen aber keinen Erfolg zu versprechen.
Im Triebwerk hat mit der Einführung des Heißdampfes der Kolbenschieber ziemlich erfolgreich den Naßdampfschieber beinahe verdrängt. Im Dampfmaschinenbau haben inzwischen die Ventilsteuerungen ihrerseits den Kolbenschieber verdrängt. Es fehlte daher nicht an Bestrebungen, Ventilsteuerungen im Lokomotivbau einzuführen. Erwähnt sei die von der Hannoverschen Maschinenbau-Aktien-Gesellschaft vormals Georg Egestorff in Linden vor Hannover bereits an beinahe 100 L. ausgeführte Lentz-Ventilsteuerung. Auch Stumpf, der das Gleichstromprinzip auf die L. übertragen hat, wendet eine Ventilsteuerung an.
Im Laufwerk selbst tritt, nachdem Gölsdorf die von v. Helmholtz aufgestellte Theorie über die Verschiebbarkeit von gekuppelten Achsen in die Praxis umgesetzt hat, die Anwendung von Doppeltriebwerken immer mehr in den Hintergrund. Während in den Neunzigerjahren verschiedentlich noch Hauptbahnen 2 X 2/2-Mallet-Lokomotiven bestellten, baut man heute L. mit 56 parallel gelagerten, gekuppelten Achsen für den Betrieb der kurvenreichsten Gebirgsstrecken; erst bei mehr als 6 gekuppelten Achsen ist man bei Hauptbahnen gezwungen, bewegliche Triebwerke anzuwenden.
Die Anforderungen an die Leistungen der L. also an das Reibungsgewicht und die Kesselgröße steigen andauernd und dürfte auch hierin ein Stillstand vorläufig nicht zu erwarten sein. Es wird daher für die Zukunft mit einer weiteren Vermehrung der gekuppelten Achsen zu rechnen sein. Man wird im Schnell- und Personenzug-Verkehrsbetrieb mehr und mehr zu 2 C 1- bzw. 1 C 2-, dann zu 2 C 2- und schließlich zu 2 D 1- oder gar 2 D 2-Lokomotiven kommen müssen, während im Güterzugbetrieb E- oder 1 E- und F- oder 1 F-Bauarten die L. der nächsten Zukunft sein werden.
Literatur: Clark, Railway machinery. London 1859. Galloway, History of the steam engine. London 1828. Dempsey, Locomotive engine. London 1879. Heusinger v. Waldegg und Clauß, Lokomotivmaschine. Wiesbaden 1858. Heusinger v. Waldegg, Handbuch für spezielle Eisenbahntechnik. Leipzig 1882, Bd. III. Thurston, Die Dampfmaschine (Uhland). Leipzig 1880. Stretton, The Locomotive Engine and its development. 1903. Eisenbahntechnik der Gegenwart. Teilband: Die Lokomotive der Gegenwart. Wiesbaden 1913, 2. Aufl. Stockert, Hb. d. Eisenbahn-Maschinenwesens. Berlin 1908. Troske, Allgemeine Eisenbahnkunde, II. Teil: Ausrüstung und Betrieb der Eisenbahn. Leipzig 1906. Lotter, Hb. z. Entwerfen regelspuriger Dampflokomotiven. München u. Berlin 1909. Bauer u. Stürzer, Einführung in die Berechnung und Konstruktion von Dampflokomotiven. Wiesbaden 1911. Leitzmann u. v. Borries, Theoretisches Handbuch des Lokomotivbaues. Berlin 1911. Garbe, Dampflokomotiven der Gegenwart. Berlin 1907. Demoulin, Traité Pratique de la Machine Locomotive. Paris 1898. Demoulin, La Locomotive Actuelle. Paris 1906. Locomotive Dictionary, 1912. Zeitschriften: Die Lokomotive, Wien; Locomotive Magazine, London; Railway and Locomotive Engineering, New York; sämtliche Jahrgänge 1898 u. f.
Metzeltin.
1 | Der Abkürzung halber sollen wie auf der Tafel so auch im nachfolgenden Text die Hauptabmessungen stets wie nachstehend angegeben werden: Tr (= Triebwerk): Zylinderdurchmesser, Kolbenhub und Treibraddurchmesser in mm. at = Dampfdruck in kg/cm2. R = Rostfläche in m2. H = Heizfläche in m2. Qd = Dienstgewicht in t. Qr = Reibungsgewicht in t. W = Wasserinhalt der Zysterne (nur bei Tenderlokomotiven). |
2 | Diese Absätze enthalten eine wörtliche Wiedergabe der vom Grafen Moltke im Jahre 1843 anonym verfaßten klassischen Lokomotivbeschreibung. (Vgl. Moltkes gesammelte Schriften und Denkwürdigkeiten, Bd. II, Mittler & Sohn, Berlin 1892.) |
3 | Siehe M.v. Hornbostel, Mechanisches Verschieben auf der französischen Nordbahn. Wien 1883; Priorität Clauss, Glasers Ann. 1892, Bd. XXXI, S. 58. |
4 | Die Amerikaner rechnen, namentlich in Katalogen, durchweg mit 0∙85! |
5 | Vgl. L. Troske, Allgemeine Eisenbahnkunde, II. Teil, S. 157 u. ff.; diesem Werke sind einzelne Teile der nachfolgenden Abschnitte entnommen. |
6 | Nach Clark: Railway machinery, London 1859, wurde diesen Ingenieuren 1802 die Anwendung von Hochdruckdampfmaschinen zum Betrieb von Wagen auf Eisenbahnen (Carriages on railroads) patentiert. |
7 | Lobet, Des chemins de fer de France, 1845. |
8 | Vgl. Lake, The Worlds Locomotives, S. 99. |
9 | Vgl. den Vortrag von Hammer: Die Entwicklung des Lokomotivparkes bei den preußisch-hessischen Staatseisenbahnen. Glasers Ann. 1911, I, S. 201; auch als Sonderabdruck erschienen. |
10 | Vgl. hierzu R. v. Littrow, Die geschichtlichen Lokomotiven der k. k. österreichischen Staatsbahnen. Ztschr. d. Österr. Ing.-V. 1914, Nr. 40 u. ff. |
11 | Über die Entwicklung dieser Bauart vgl. die Ztschr. Die Lokomotive, 1911, S. 73. |
12 | Den Längsschnitt durch Zylinder und Schieberkasten dieser Lokomotive zeigt Abb. 232, Bd. III. |
Buchempfehlung
Der junge Naturforscher Heinrich stößt beim Sammeln von Steinen und Pflanzen auf eine verlassene Burg, die in der Gegend als Narrenburg bekannt ist, weil das zuletzt dort ansässige Geschlecht derer von Scharnast sich im Zank getrennt und die Burg aufgegeben hat. Heinrich verliebt sich in Anna, die Tochter seines Wirtes und findet Gefallen an der Gegend.
82 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro