Wird auch ofte in einer Bedeutung genommen, die fast ganz mit der übereinkommt, die man durch Schreibart ausdrükt. So sagt man, die Sprache des Herzens; die Sprache der Natur; der Leidenschaft. Nämlich sowol die Leidenschaften, als die Sitten haben einen eigenen Charakter, im Ton, und Ausdruk; ein eigenes Gepräge, das sich den Reden eindrükt. Wenn man irgendwo folgende Verse fände:
Sibi sua habeant regna reges, sibi divitias diuites
Sibi honores, sibi virtutes, sibi pugnas, sibi prælia.
Dum mihi abstineant invidere, sibi quisque
Habeant quod suum est.1
so würde man ohne nähern Bericht sehen, daß hier ein vor Freude halb wahnwiziger Mensch spricht, und es wär allenfalls zu errathen, daß ein junger Verliebter, in der ersten Hize einer erhörten Liebe [1102] schwazt. Denn dies ist die Sprache der Natur in solchen Umständen.
Alles was leidenschaftlich und sittlich ist, theilt der Sprache seine Natur mit. Daher Redner und Dichter den Ton und die Art jedes leidenschaftlichen und sittlichen Charakters genau zu studiren haben. Denn so wie es ein sehr anstößiger Fehler ist, wenn der Ton der Rede mit ihrem Inhalt nicht übereinkommt, so trägt die Uebereinstimmung dieser beyden Sachen ungemein viel zur Schönheit und überhaupt zur Würkung der Rede bey.
Dieses scheint das größte Talent des Dichters und Redners zu seyn; dadurch zeiget er, daß er die Natur und die Menschen kennt, und seine Materie wol überlegt hat.
Es lassen sich hierüber wenig allgemeine Regeln geben. Man muß jede Leidenschaft, und jeden Charakter der Menschen wol studirt haben, um hierin allemal glüklich zu seyn. Es wär aber doch gut, wenn man die allgemeineste Beobachtungen hierüber sammelte. Dergleichen sind z.B. folgende
Starke Leidenschaften, von welcher Art sie seyen, lieben einen starken, etwas übertriebenen Ausdruk, und alles Abgemessene, alles genau Zusammenhangende in der Rede ist ihnen entgegen. Man fühlt darin zu viel, als daß man auf die Art sein Gefühl zu äußern Acht haben sollte. Man nihmt die Worte wie sie kommen. O deorum quidquid in cœlo regit Terras et humanum genus! sagt Horaz im großen Schreken2 ganz gegen die Grammatik. Sind die starken Leidenschaften von vergnügter Art, so wird der Ton etwas trozig, oder ausgelassen, wie die oben angeführte Stelle aus dem Plautus; schwazhaft, wie die Clytemnestra bey ihrer Ankunft in Aulis.3
Sind sie verdrießlicher Art, so wird der Ausdruk bey seiner Stärke kurz, sehr nachdrüklich, und bekommt auch die Steifigkeit des Verdrusses. Philoktet sagt beym Sophokles, Er (Ulysses) würde mich eben so gewiß bereden vom Tod wieder ins Leben zu kommen, als mit ihm nach Troja zu gehen. Bald darauf drükt sich sein bitterer Haß noch stärker aus. Lieber wollte ich der Natter, die mich so elend gemacht hat, Gehör geben, als ihm.
Redner und Dichter haben die genaue Beobachtung des παθος und des ἠθος nicht nur zum Gefallen nöthig; sondern fürnemlich, so ofte sie rühren, oder überzeugen wollen.
Was insonderheit dieses lezte betrift, so giebt es eine Sprache der Ueberzeugung, die mehr als alle Beweisthümer würkt. Der Redner mag seine Beweise noch so schließend machen, wenn ihm die Sprache der Ueberzeugung fehlt, so ist alles, was er sagt, vergeblich. Diese ist kurz und sehr einfach.4 Nichts verräth hingegen eine zweifelhafte Sache mehr, und hindert folglich die Ueberzeugung stärker, als das gekünstelte, das gesuchte, das umschweiffende in der Sprache.
Adelung-1793: Schöne (2), die · Schöne (1), die · Sprache, die
Brockhaus-1837: Römische Sprache und Literatur · Spanische Sprache, Literatur und Kunst · Sprache · Griechische Sprache und Literatur · Hebräische Sprache und Literatur · Niederländische Kunst, Literatur, Sprache und Wissenschaft
Brockhaus-1911: Schöne Künste · Graphische Künste · Freie Künste · Bildende Künste · Kinetische Künste · Redende Künste · Schöne Wissenschaften · Schöne Seele · Schöne · Holländische Sprache und Literatur · Irische Sprache und Literatur · Isländische Sprache und Literatur · Georgische Sprache · Griechische Sprache · Gotische Sprache · Hebräische Sprache · Italienische Sprache · Kymrische Sprache · Kroatische Sprache · Lettische Sprache · Lateinische Sprache · Koreanische Sprache · Javanische Sprache · Japanische Sprache · Katalanische Sprache · Jenische Sprache · Äthiopische Sprache · Armenische Sprache · Arabische Sprache und Schrift · Bengalische Sprache · Baltische Sprache · Balinesische Sprache · Altpreußische Sprache · Altnordische Sprache und Literatur · Altbaktrische Sprache · Angelsächsische Sprache und Literatur · Amharische Sprache · Altslawische Sprache · Finnische Sprache und Literatur · Estnische Sprache und Literatur · Englische Sprache · Friesische Sprache · Französische Sprache · Flämische Sprache und Literatur · Chinesische Sprache, Schrift und Literatur · Bulgarische Sprache · Böhmische Sprache und Literatur · Deutsche Sprache · Dänische Sprache und Literatur
DamenConvLex-1834: Schöne Künste · Freie Künste · Deutschland (Künste) · Schöne Wissenschaften · Alpaide, die Schöne
Goetzinger-1885: Sieben freie Künste · Freie Künste
Herder-1854: Redende Künste · Sieben freie Künste · Bildende Künste · Freie Künste
Kirchner-Michaelis-1907: schöne Seele
Lueger-1904: Graphische Künste
Meyers-1905: Schöne Künste · Grapyische Künste · Künste · Redende Künste · Darstellende Künste · Bildende Künste · Zeichnende Künste · Freie Künste · Schöne [1] · Schöne [2] · Schöne Wissenschaften · Gorgona, schöne · Schöne Literatur · Schöne Seele
Pataky-1898: Schöne, Selma · Schöne, Emma
Pierer-1857: Redende Künste · Zeichnende Künste · Bildende Künste · Freie Künste · Schöne Margarethe · Schöne Wissenschaften · Schöne Zeichen · Schöne Literatur · Schöne Aue · Schöne · Schöne Kunst · Schöne Frau
Sulzer-1771: Falsch (Schöne Künste) · Künste; Schöne Künste · Lüke (Schöne Künste) · Bewegung (Schöne Künste) · Redende Künste · Bild (Redende Künste) · Lichter (Redende Künste) · Vortrag (Redende Künste) · Zeichnende Künste · Ton (Redende Künste) · Verhältnisse (Zeichnende Künste) · Figur (Redende Künste) · Figur (Zeichnende Künste) · Bildende Künste · Bild (Zeichnende Künste) · Galerie (Zeichnende Künste) · Klang (Redende Künste) · Form (Bildende Künste) · Form (Zeichnende Künste)
Buchempfehlung
Als einen humoristischen Autoren beschreibt sich E.T.A. Hoffmann in Verteidigung seines von den Zensurbehörden beschlagnahmten Manuskriptes, der »die Gebilde des wirklichen Lebens nur in der Abstraction des Humors wie in einem Spiegel auffassend reflectirt«. Es nützt nichts, die Episode um den Geheimen Hofrat Knarrpanti, in dem sich der preußische Polizeidirektor von Kamptz erkannt haben will, fällt der Zensur zum Opfer und erscheint erst 90 Jahre später. Das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren, der Jurist Hoffmann ist zu dieser Zeit Mitglied des Oberappellationssenates am Berliner Kammergericht, erlebt er nicht mehr. Er stirbt kurz nach Erscheinen der zensierten Fassung seines »Märchens in sieben Abenteuern«.
128 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro