Neununddreissiger

* Es ist ein Neununddreissiger. (Hirschberg.)

Diese Redensart entstand gegen Ende des Jahres 1849 in Hirschberg, in einer Periode des ärgsten reactionären Fanatismus. Ein Lehrer hatte bei dem am 3. Sept. dort stattgefundenen allgemeinen Schulfeste, an die deutschen Farben, die über dem Sprecherplatze wehten, anknüpfend, ein Hoch auf das deutsche Vaterland eingeleitet, das sich wortgetreu in dem von Wander herausgegebenen Pädagogischen Wächter (Hirschberg 1849, erster Jahrg., Nr. 38) abgedruckt findet. In der Schles. Zeitung (Nr. 211) erfolgte ein denuncirender lügenhafter Bericht, worin, um der Behörde Veranlassung zum Einschreiten gegen ihn zu geben, die Behauptung ausgesprochen wurde, dass die anwesenden Aeltern entrüstet über die Rede des betreffenden Lehrers gewesen seien. Dieser forderte in dem zu Hirschberg erscheinenden Sprecher (Nr. 38) den Correspondenten auf, die entrüsteten Aeltern namhaft zu machen. Nachdem derselbe nun durch einige geeignete Subjecte beinahe zwei Wochen unter allerhand Vorwänden hatte Unterschriften sammeln lassen, wurden – 39 Namen im (hirschberger) Boten abgedruckt, von Personen, von denen die meisten entweder gar keine Kinder hatten, oder gar nicht auf dem Festplatze gewesen waren, oder denen man einen ganz andern Zweck angegeben. Das Verzeichniss derselben findet sich als Beitrag zur hirschberger Chronik im Sprecher, Nr. 42, S. 230. – Wenn nun von einem dieser Männer die Rede war oder wenn man einen sah oder traf, so nannte man ihn einen »Neununddreissiger«. Die Redensart wurde sogar im Kreise sprichwörtlich. Zunächst verstand man die Unterzeichner jener Erklärung darunter, dann allgemein aber einen fanatischen Reactionär, oder einen Menschen, der sich blind für die Zwecke anderer gebrauchen lässt.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873, Sp. 1013.
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