Erfurt

Erfurt

[685] Erfurt, Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks im preuß. Herzogthum Sachsen und jetzt wichtige Festung, ist eine der ältesten deutschen Städte, liegt in Thüringen an der Gera und hat, ohne das Militair, gegen 25,000 Einw., deren Haupterwerbzweig in Wollen- und Baumwollenweberei, Lederfabrikation und ungewöhnlich starkem Garten- und Gemüsebau besteht.

E. ist Sitz einer Regierung und einer 1754 gegründeten Akademie der nützlichen Wissenschaften; es befinden sich daselbst eine Hebammenschule, ein Schullehrerseminar, ein Gymnasium, eine Handlungsschule, eine Heilanstalt für Blinde, eine Kunst- und Bauschule, das 1820 errichtete Martinsstift zur Erziehung armer und verwaister Kinder; die Festungswerke sind nebst den beiden Citadellen, dem Petersberge und der Cyriaksburg, in neuerer Zeit bedeutend verstärkt worden. Unter den 18 Kirchen E.'s ist der alte, auf einem Hügel liegende, Dom mit der großen, 275 Ctr. schweren, Glocke, Susanna genannt, die merkwürdigste. In dem ehemaligen Augustinerkloster, welches aber jetzt zum Waisenhause benutzt wird, zeigt man noch die vorstehend abgebildete Zelle, welche Luther als Mönch bewohnte, ehe er nach Wittenberg ging. Die Sage läßt E. im 5. Jahrh. von einem gewissen Erpes gründen, und schon der heil. Bonifacius stiftete zu Erpchesford ein Bisthum. Von Karl dem Großen erhielt die Stadt die Stapelgerechtigkeit, trieb nach der Zeit einen sehr wichtigen Handel, da sie hierzu sehr vortheilhaft fast in der Mitte Deutschlands liegt, und zählte im 16. Jahrh. an 60,000 Einw. Obgleich keine freie Reichsstadt, behauptete E. doch gegen die Ansprüche der Erzbischöfe von Mainz auf die Landeshoheit eine gewisse Unabhängigkeit und lebte mit ihnen in beständiger Fehde. Einen langwierigen Kampf hatte es auch mit dem Markgrafen von Thüringen, Friedrich mit der gebissenen Wange (von 1309–16) zu bestehen, mußte damals für eine Summe von 10,000 Mark Silber den Frieden erkaufen und trat deshalb 1488 unter sächs. Schutz. Im dreißigjährigen Kriege wurde es aber von den Schweden eingenommen und 1664 mit Hülfe franz. Truppen von Kurmainz erobert, dessen Oberhoheit es seitdem anerkannte und von kurmainz. Statthaltern regiert wurde. Durch den dreißigjährigen Krieg verlor E. auch den größten Theil seines Handels und Verkehrs, ohne seitdem seine frühere Blüte wieder erreichen zu können, kam 1802 als Entschädigung für die an Frankreich abgetretenen Besitzungen an Preußen und 1806, nach der Schlacht bei Jena, unter franz. Administration. Eine harte Belagerung hatte es 1813 auszuhalten, wo die Preußen es im Nov. beschossen und wo fast 200 Häuser, unter ihnen auch das alte Benedictinerkloster mit dem Grabmale des berühmten doppeltbeweibten Grafen von Gleichen, niederbrannten. Die damalige franz. Besatzung mußte noch im Dec. desselben Jahres die Stadt übergeben, zog sich aber in die Citadelle zurück, die sie erst nach dem pariser Frieden 1814 räumte, worauf E. wieder an Preußen fiel. Die 1392 hier gestiftete Universität ist 1810 ganz aufgehoben worden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 685-687.
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