Mainz

[27] Mainz, die wichtigste deutsche Bundesfestung und die Hauptstadt der großherzoglich hess. Rheinprovinz, liegt in einer der fruchtbarsten und schönsten Gegenden von Deutschland am linken Ufer des Rheins, der Mündung des Mains gegenüber und hat 29,000 Einw. Der Umfang ihrer ausgedehnten Festungswerke beträgt gegen 21/2 St. und mittels einer auf 49 Schiffen ruhenden, 1700 rhein. F. langen Schiffbrücke, von der man eine der schönsten Aussichten im Rheingau hat, ist sie mit dem am rechten Rheinufer liegenden Städtchen Kastel oder Kassel verbunden, das ebenfalls umfänglich und kunstreich befestigt ist. Ungeachtet es M. an schönen Privatgebäuden nicht fehlt, ist es doch im Ganzen nicht gut gebaut und hat meist enge, winklige und unreinliche Gassen, von denen nur die sogenannten drei Bleichen und die Thier- (eigentlich Turnier-) Marktsstraße schön genannt werden können; von öffentlichen Plätzen ist der mit Bäumen eingefaßte Paradeplatz am ehemaligen Schlosse der vorzüglichste. Von ausgezeichneten Gebäuden sind anzuführen: der aus rothem Sandstein aufgeführte, durch Brand oft beschädigte Dom, von dessen ehemaligem großen Schatze aber nichts und von seinen vielen alterthümlichen Merkwürdigkeiten nur wenig noch vorhanden ist; die schöne Jesuiten. kirche; das deutsche Ordenshaus mit dem benachbarten großen Zeughause; das neue Theater auf dem Gutenbergsplatze; das Haus zum guten Berg, in dessen Hofe die Casinogesellschaft dem Joh. Gutenberg (s.d.) eine Bildsäule hat setzen lassen, und das ehemalige kurfürstl. Schloß, das jetzt als Kaufhaus im Freihafen dient, welchen Napoleon mit großem Aufwande durch Aufführung eines Steindamms anlegen ließ. Von höhern Bildungsanstalten bestehen hier ein Gymnasium und eine Realschule, und im Bibliothekgebäude sind die 99,000 Bände starke Stadtbibliothek, ein Münz-, Naturalien- und physikalisches Cabinet, eine Bildergalerie und ein Museum der in der Umgegend von M. gefundenen röm. Alterthümer vereinigt. Schiffahrt und Handel, besonders mit Wein, Getreide und Holz sind ausnehmend wichtig und mit den Niederlanden besteht eine Dampfschiffahrtsverbindung, mittels der man in drei Tagen von M. nach London gelangen kann. Die Besatzung besteht in Friedenszeiten aus 6000 M. östr., preuß. und hess. Truppen und Gouverneur ist von fünf zu fünf Jahren abwechselnd ein östr. oder preuß. Obergeneral, wo dann stets ein General der andern Nation Commandant ist und ebenso der Artillerie und dem Geniewesen abwechselnd ein östr. und ein preuß. Befehlshaber vorstehen.

M. gehört zu den ältesten deutschen Städten und schon 13 v. Chr. ward hier die Veste Magontiacum von dem röm. Feldherrn Drusus erbaut, der in Deutschland bis an die Elbe vordrang und aus dessen Zeiten auch die Überbleibsel (59 Pfeiler) einer röm. Wasserleitung bei dem nahen Dorfe Zahlbach herrühren, sowie für dessen Denkmal der von seiner Gestalt sogenannte Eichelstein, eine Steinmasse in der Citadelle, gehalten wird. Bei seichtem Wasser sieht man noch die Überreste der Pfeiler einer röm. Brücke, welche hier über den Rhein führte. Die zu den Römerzeiten hier entstandene Stadt, welche sich nicht bis an den Strom erstreckte, ward 406 von den Vandalen gänzlich zerstört und lag mehre Jahrhunderte wüst, ehe die fränk. Könige sie wieder aufbauten, worauf sie im 8. Jahrh. Hauptsitz des h. Bonifaz (s.d.) und eines Erzbisthums wurde. Die Erzbischöfe desselben behaupteten im ehemaligen deutschen Reiche unter den drei geistlichen Kurfürsten den ersten Rang, waren Reichserzkanzler und das Erzstift erwuchs unter ihnen allmälig zu einem Staate von 146 ! M. mit 406,000 Einw. Im 13. Jahrh. stand M. an der Spitze des gegen die Raubritter gebildeten rhein. Städtebundes und erfreute sich als Residenz und durch den Handel eines blühenden Zustandes bis zu den franz. Revolutionskriegen, während der es durch wiederholte Belagerungen viel litt und 1797 mit einem Theile des Kurstaats an Frankreich abgetreten wurde. Im J. 1814 kam M. wieder zu Deutschland und als Bundesfestung an das Großherzogthum Hessen; die andern ehemals kurmainz. Besitzungen am Rhein wurden an Baiern und Nassau, die Nebenländer des 1801 säcularisirten Kurstaats (das Eichsfeld, Erfurt und Fritzlar nebst Gebiet) meist an Preußen, Kurhessen und Hanover vertheilt. Den karlsbader Beschlüssen zufolge bestand zu M. seit 1819 eine Centraluntersuchungscommission aus sieben von deutschen Regierungen ernannten Commissarien, welche die obere Leitung der in den deutschen Bundesstaaten damals angefangenen und weiter vorkommenden Untersuchungen wegen revolutionnairer Umtriebe führen sollte, um dadurch einen vollständigen Überblick in dieser Sache zu erhalten, die aber, nachdem sie 1822 einen ausführlichen Bericht an die Bundesversammlung erstattet, im Sept. 1828 aufgelöst wurde, ohne daß ein eigentliches Ergebniß ihrer Arbeiten bekannt geworden wäre.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 27.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: