Mittermaier

[159] Mittermaier (Karl Jos. Anton), geb. am 5. Aug. 1787, großherzogl. bad. Geheimrath und Professor der Rechtswissenschaft an der Universität Heidelberg, gehört nicht blos [159] zu den ausgezeichnetsten und gelehrtesten deutschen Juristen, sondern hat sich auch durch unermüdliche und erfolgreiche Wirksamkeit als Ständemitglied der bad. Kammer bleibende Verdienste erworben. Er trat zuerst als Docent in Landshut auf, wurde im J. 1819 als Professor nach Bonn und 1821 nach Heidelberg berufen, unter dessen berühmtesten Lehrern er noch glänzt und sich nicht blos durch die innere Vorzüglichkeit seiner Vorträge, sondern auch durch sein humanes und leutseliges Benehmen außer dem Hörsale der ungetheiltesten Liebe der studirenden Jugend erfreut. Mit unermüdlicher Bereitwilligkeit unterstützt und ermuntert er jüngere Gelehrte in ihren Studien, und selbst von auswärtigen Regierungen wurden nicht selten sein Rath und seine Beihülfe bei Entwerfung neuer Gesetzbücher verlangt oder einzelne wichtige Streitfälle seiner Begutachtung vorgelegt. Seine ausgezeichnete akademische Wirksamkeit wird durch seine unermüdliche Thätigkeit als Schriftsteller wo möglich noch übertroffen, deren Hauptrichtung umfängliche Werke über das deutsche Privatrecht, den peinlichen und den Civilproceß bezeichnen; außerdem ist M. noch Mitherausgeber von drei der wichtigsten rechtswissenschaftlichen Zeitschriften, fleißiger Mitarbeiter fast an allen bedeutendern juristischen Zeitschriften Deutschlands und führt eine sehr große Correspondenz. Daneben fand M. noch Zeit, eine glänzende und einflußreiche Rolle auf dem Gebiete des constitutionnellen Staatslebens zu spielen, das er zuerst im J. 1831 als Abgeordneter der Stadt Bruchsal in der bad. Volkskammer betrat. Unter seinen Motionen sind die Anträge auf Aufhebung der sogenannten Administrativjustiz, auf Abschaffung der Stockschläge als angeblichen Erforschungsmittels der Wahrheit und auf die Verbindung eines von allen Unterthanen zu leistenden Verfassungseides mit dem Huldigungseide hervorzuheben. Große Verdienste erwarb er sich, als Mitglied und Berichterstatter der Commission, um das Zustandekommen einer neuen, zeitgemäßen Gemeindeordnung und trat im Sept. 1831 der bekannten ständischen Erklärung: Ohne Preßfreiheit kein Budget, bei. Ungeachtet seiner entschieden liberalen Richtung wußte er doch seine Opposition in so wenig verletzende Formen einzukleiden und die Extreme so geschickt zu vermitteln, daß ihm selbst die Regierung nicht abhold sein konnte und ihn während drei nacheinander folgender Landtage (1833, 1835 und 1837) unter den zur Präsidentschaft vorgeschlagenen Candidaten den Vorzug gab. Auch in dieser neuen Stellung rechtfertigte M. das in. ihn gesetzte Vertrauen und wußte mit seltener Geschicklichkeit und ohne der Würde und den Rechten der Kammer irgend etwas zu vergeben, verhängnißvolle Katastrophen abzuwenden. So viele Verdienste, mit denen sich noch der Ruhm eines makellosen und musterhaften Privatlebens vereint, mußten dem bescheidenen Manne hohe Achtung im In- und Auslande und tiefe Verehrung zuwenden; erst kürzlich übersandte ihm die aufblühende Universität eines nordamerik. Freistaats das Doctordiplom und zu seinem 1837 begangenen 50. Geburtstage überreichte ihm eine Anzahl ehemaliger Zuhörer aus Leipzig einen silbernen Ehrenkranz.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 159-160.
Lizenz:
Faksimiles:
159 | 160
Kategorien: