Niemcewicz

[290] Niemcewicz (Julian Ursin), ein auch durch edle Vaterlandsliebe vorzüglich ausgezeichneter poln. Gelehrter und Staatsmann, geb. um 1755, nahm zuerst als Nuntius von Liefland während des Reichstags von 1788–92, welcher Polen die Verfassung vom 3. Mai 1791 mit einem erblichen Throne gab, einflußreichen Antheil an den politischen Angelegenheiten. Während des poln. Aufstandes gegen die Russen im J. 1794 wurde er als Kosciuszko's (s.d.) Adjutant mit ihm bei Maciejowicze verwundet, gefangen genommen und nach Petersburg gebracht. Wie sein großer Freund und Feldherr erhielt auch N. durch den Kaiser Paul die Freiheit, wendete sich nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika, wo er sich verheirathete und erst nach Errichtung des Großherzogthums Warschau durch Napoleon dahin zurückkehrte und auf seinem Landhause bei Warschau hauptsächlich den Wissenschaften lebte. Nach Stiftung des Königreichs Polen durch den Kaiser Alexander hatte N. als Präsident des Constitutionscomité wichtigen Einfluß auf die neue Verfassung, war auch Präsident der Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften, wurde gleich zu Anfang des poln. Aufstandes von 1830 in den Administrationsrath gewählt und schrieb als Secretair des Senats das die Ausschließung des russ. Regentenhauses vom poln. Throne enthaltende Protokoll nie der. Sein erfahrener Blick sah bei der auch diesmal einreißenden Zwietracht das Verderben Polens voraus, das er nach dem Übergange der Russen über die Weichsel abermals verließ und seitdem in Frankreich lebt. [290] N. hat mehre geschichtliche und poetische Werke geliefert, und von letztern sind mehre auch ins Deutsche übersetzt worden, wie z.B.: »Historische Gesänge der Polen mit Musik und Kupfern« (Lpz. 1833); der Roman »Johann von Tenczyn« (3 Bde., 2. Aufl., Berl. 1834) und »Levi und Sara« (Berl. 1825), ein Gemälde des traurigen geistig-sittlichen Zustandes der jüdischen Bevölkerung Polens.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 290-291.
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