Oberkampf

[317] Oberkampf (Christoph Phil.), dessen Leben ein achtungswerthes Beispiel mit Beharrlichkeit verfolgter, industrieller Bestrebungen ist und der als Begründer der großen Kattundruckereien zu Jouy bei Versailles diesen Gewerbszweig in Frankreich einbürgerte, war 1738 zu Weißenburg im Markgrafthume Anspach geboren. Er erlernte von seinem darin geschickten und erfindungsreichen Vater, welcher sich zu Aarau in der Schweiz niedergelassen hatte, jenes Geschäft, welches ihm später die wichtigsten Vervollkommnungen verdankte, und war 19 Jahre alt, als er in Frankreich damit sein Glück zu machen suchte, wo man vorher blos die kostbaren ind. und pers. Zitze und Kattune kannte und die Verfertigung ähnlicher Zeuche im Lande für eine Beeinträchtigung der franz. Seiden-und Leinenmanufactur hielt. O. hatte noch lange mit dergleichen Vorurtheilen und daraus hervorgehenden Hindernissen zu kämpfen, nachdem er 1759 mit königl. Erlaubniß und einem Vermögen von blos 600 Francs, als Zeichner, Maler, Formenstecher und Drucker in einer Person, in einem Bauernhause zu Jouy sein Geschäft angefangen hatte, das mit jedem Jahre erweitert, endlich weit über 1000 Menschen beschäftigte. Diese thätige Bevölkerung ward durch O. in einer öden, zum Theil morastigen und von ihm erst trocken gelegten und mit freundlichen Anlagen geschmückten Gegend vereinigt und wurde das Muster zahlreicher ähnlicher Anlagen in Frankreich, welche durch Veredlung der rohen Baumwolle zu gesuchten Stoffen hunderte von Millionen Gewinn einbrachten. Jetzt fanden aber auch O.'s Verdienste Anerkennung, der von Ludwig XVI. in den Adelstand erhoben wurde und dem der Departementsrath eine Bildsäule errichten wollte, was aber O. nicht zugab Dennoch wäre auch er beinahe ein Opfer der franz. Revolution geworden, so fern er allen politischen Reibungen blieb, deshalb auch eine später ihm angetragene Stelle im Senat ablehnte. Bei einem Besuche seiner Manufactur durch den Kaiser Napoleon beschenkte dieser O. mit dem von ihm selbst getragenen Kreuze der Ehrenlegion und bei einer andern Gelegenheit, als O. grade die Maschinenspinnerei und Weberei der Engländer nachzuahmen anfing und die große Spinnerei zu Essonne, die erste in Frankreich, errichtete, äußerte er gegen ihn: »Sie, Herr von Jouy, und ich, wir setzen den Engländern derb zu, Sie mit Ihrer Industrie und ich mit den Waffen. Ihre Art, Krieg zu führen, ist indeß die bessere.« Im I. 1815 [317] litten O.'s Anlagen sehr von der Anwesenheit der fremden Truppen und die von ihm 60 Jahre lang beschäftigten, jetzt aber in Unthätigkeit versetzten Arbeiter kamen und baten ihn um Brot, was ihn so angriff, daß er äußerte: der Anblick werde ihn umbringen. Auch starb er noch im Oct. desselben Jahres und hinterließ die Fortführung seiner Unternehmungen seinem Neffen Sam. Widmer, geb. 1767 im Canton Aarau, welcher die Kattundruckerei und Färbekunst ebenfalls mit höchst wichtigen Verbesserungen und Erfindungen bereicherte und für den ersten Fabrikherrn und Sachverständigen in Frankreich galt, aber in Trübsinn versunken 1824 starb.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 317-318.
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