[100] Schnüren nennt man das Zusammenpressen der Brust, des Unterleibes, der Seiten und des Rückgraths mit Hülfe eigner Kleidungsstücke, der Schnürbrüste oder Schnürleibchen, um dem Körper eine vermeintlich schöne Form und Haltung zu geben.
Da wahrhaft schön nur die natürlichen Formen eines gesunden Körpers sind, so können die Schnürleibchen auch nur dann ihrem Zweck entsprechen, wenn sie den Körper in den naturgemäßen Formen erscheinen lassen oder ihm bei krankhaften Abweichungen jene Formen wiedergeben. Wahrhaft nützlich können kunstvoll angepaßte Schnürleiber mit Fehlern behafteten Personen werden, indem sie schwachen Theilen zur Unterstützung dienen, die Vergrößerung von Auswüchsen hindern und jedenfalls den störenden Anblick eines unregelmäßigen Wuchses mildern oder aufheben. Die Schnürleiber aber, welche die Frauen gewöhnlich tragen, haben viel öfter Schaden als Nutzen gestiftet, haben viel öfter den Körper entstellt, anstatt ihn verschönert. Ein Blick auf die nachstehenden Abbildungen [100] überzeugt von den scheußlichen Folgen der Schnürbrüste. Dieselben sind von einem ausgezeichneten Anatomen nach der Natur entworfen. Zuerst sehen wir die äußern Umrisse und das Geripp eines wahrhaft schönen weiblichen Körpers. Die Rippen bilden hier ein nach unten sich erweiterndes Gewölbe, um die edelsten Eingeweide in sich zu schließen und zu beschützen; die äußern Umrisse bilden sanfte Rundungen, der Übergang zu den Hüften stellt sich in der Schönheitslinie dar. Wie anders ist der Körper der daneben stehenden Modedame. Die Rippen sind zusammengedrängt, sodaß das Gewölbe, welches sie bilden, nach unten, statt sich zu erweitern, sich verengert. Wie müssen hier die edelsten Eingeweide gepreßt und dadurch in einen krankhaften Zustand versetzt werden! Und nun gar die äußern Formen. Wer nur einen Blick für wahre Schönheit hat, muß diesen kegelförmigen Oberkörper und diese wulstig abstehenden Hüften für abscheulich erklären. Die Folgen einer solchen Verunstaltung des weiblichen Körpers sind: vor allen Untauglichkeit zu dem vornehmsten Lebenszwecke des Weibes, zur Kindererzeugung, indem ein so gemishandelter Körper weder gesunde kräftige Kinder hervorbringen kann, noch auch die Beschwernisse der Schwangerschaft und Geburt auszuhalten vermag; ferner Krämpfe, Hysterien, Melancholie, Beklemmungen und endlich noch andere Verkrüppelungen, als die der Rippen, besonders Verdrehung des Rückgraths, Verunstaltung der Brüste u.s.w. Möchte man endlich von einer so schrecklichen Mode zurückkommen und dafür allgemein Schnürleibchen einführen, welche genau den Formen eines wahrhaft schönen Körpers entsprechen, diesen nicht unnatürlich zusammenpressen, sondern nur dazu dienen, die Kleidungsstücke auf eine Weise zu befestigen, welche die natürliche Schönheit des Körpers noch in der Verhüllung erkennen läßt.