Skrzynecki

[209] Skrzynecki (Joh.), der Oberfeldherr der Polen im J. 1831 bei Gelegenheit der Revolution gegen Rußland, wurde 1787 in Galizien geboren, ergriff in Folge des 1806 in Napoleon's Namen an die poln. Nation erlassenen Aufrufs die Waffen, wurde 1809 Hauptmann, 1812 Bataillonschef und nach der Rückkehr nach Polen Regimentschef. Bei Anfang der Revolution 1830 schloß er sich zunächst dem Großfürsten Konstantin an, kam aber nach dessen Abzug mit den kais. Truppen am 3. Dec. nach Warschau und trat der poln. Sache bei. Der Dictator Chlopicki gab ihm den Oberbefehl über eine Brigade, und der Generalissimus Radziwill ernannte ihn zum Brigadegeneral. Als solcher stellte er sich am 17. Febr. 1831 dem russ. General Rosen entgegen und zog sich, als er endlich der Übermacht weichen mußte, mit der besten Ordnung zurück. Mit der größten Auszeichnung kämpfte er auch bei Grochow. Am 25. Febr. trat er im Kriegsrathe gegen Radziwill auf, den er für untauglich zum Feldherrn erklärte, und ward darauf selbst zum Stellvertreter des Oberfeldherrn, und am 26. Febr. durch den Reichstag zum Oberfeldherrn ernannt. Er selbst hatte, wie er ausdrücklich erklärte, keine Hoffnung zum Siege mehr, versprach aber alle seine Kraft aufzubieten, um der poln. Nation wenigstens einen ehrenvollen Untergang zu erringen. Er war nun eifrig bemüht, das Heer besser zu organisiren und eine Vertrauen einflößende Ordnung herzustellen, versäumte aber darüber entscheidende Schritte gegen den Feind. Seine Absicht ging dahin, das russ. Heer so lange aufzuhalten, bis die poln. Angelegenheit durch auswärtige Mächte vermittelt worden wäre. Eine solche Vermittelung kam jedoch in Folge der politischen Bewegungen in andern Staaten nicht zu Stande, und durch einen Briefwechsel, den S. mit dem russ. Oberfeldherrn einging, gab er Veranlassung zu Mistrauen gegen die Reinheit seiner Absichten. Ein Ende März unternommener Überfall hatte den Sieg bei Dembe über General Rosen zur Folge, wurde aber von S. nicht weiter benutzt; ebenso siegten die Polen am 8. Apr. bei Iganie, ohne daß S. sich dadurch zu größerer Thätigkeit hätte ermuntern lassen. Die Verhältnisse und die Auffoderung der Regierung bestimmten S. zwar endlich thätig aufzutreten, aber er zeigte sich dabei so unentschlossen und schwankend, daß, als es endlich am 26. Mai zur Schlacht bei Ostrolenka kam, die poln. Sache rettungslos verloren ging, trotz dem Heldenmuthe, den das poln. Heer und S. selbst an diesem Tage an den Tag legten. Er kehrte mit der Armee nach Warschau zurück. Noch wäre es vielleicht möglich gewesen, die in Folge der Verheerungen durch die Cholera und des russ. Oberfeldherrn Diebitsch Tod im russ. Heere herrschende Verwirrung zu benutzen, aber S. ließ auch diese Gelegenheit vorübergehen. Nach Paskewitsch' Übergang über die Weichsel beschuldigte man ihn laut des Aristokratismus, und es wurde am 10. Aug. unter dem Fürsten Czartoryiski von Seiten des Reichstags eine Untersuchungscommission in das Lager vor Bolimow an ihn abgeschickt, in deren Hände er den Oberbefehl mit der Erklärung niederlegte, in jeder ihm angewiesenen Stelle in den Reihen der Vaterlandsvertheidiger seine Pflicht thun zu wollen. Dembinski (s.d.) trat an seine Stelle. Nach dem greuelvollen Aufstande, welcher am 15. Aug. in Warschau ausbrach, schickte S. seine Abdankung von allen öffentlichen Ämtern an den Reichstag. Er blieb nun bei dem Corps des Generals Rozycki und begab sich endlich mit diesem auf das Gebiet des Freistaates Krakau und von da nach Galizien. Er lebte nachher anfangs unter dem Namen Staniszewski, dann unter seinem eignen Namen in Prag. Als in Belgien allgemeine Kriegsrüstungen vorgenommen wurden, um sich im Nothfall mit bewaffneter Hand den Ansprüchen der londoner Conferenz entgegenzustellen, reiste S., wie behauptet wurde, im Einverständniß mit der belg. Regierung, im Jan. 1839 heimlich nach Belgien, wahrscheinlich um im Fall eines Kriegs an die Spitze des Heers zu treten; die Kriegsrüstungen waren jedoch vergebens und S. begab sich von Belgien aus nach England.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 209.
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