Zschokke

[813] Zschokke (Joh. Heinr. Daniel), ein um die Schweiz vielseitig verdienter Staatsmann und fruchtbarer und beliebter Schriftsteller im Gebiete der Geschichte, Politik, Philosophie, der Forstwissenschaft, der dramatischen und Unterhaltungsliteratur, wurde 1791 in Magdeburg geboren, wo [813] er auch die gelehrten Schulen besuchte. Er hatte frühzeitig seine Ältern verloren, entfloh 1788 seinem Vormunde und verlebte zwei Jahre theils als Hauslehrer, theils als Theaterdichter einer wandernden Schauspielergesellschaft, glich sich nachher mit den Seinigen aus und studirte nun in Frankfurt a. O. hauptsächlich Theologie, beschäftigte sich aber auch viel mit Geschichte und schönen Wissenschaften. Schon damals machte er sich als dramatischer Schriftsteller durch den »Graf Monaldeschi« (Berl. 1790), vorzüglich aber durch seinen »Abällino der große Bandit« (Frankf. a. O. 1793; neueste Aufl. Aarau 1828) bekannt, denen später »Julius von Sassen« (Zür. 1796), »Der Marschall von Sachsen« (Baireuth 1804) u. A. folgten, und auch als Romandichter trat er unter dem Namen Johann von Magdeburg mit »Schwärmerei und Träume« (Stettin 1791) um dieselbe Zeit auf. Im J. 1794 wurde Z. Privatdocent in Frankfurt a. O., allein da er gegen das von Friedrich Wilhelm II. und dessen Minister Wöllner (s.d.) erlassene, berüchtigte Religionsedict geschrieben hatte, sah er sich genöthigt, Preußen zu verlassen, unternahm erst eine Reise durch Deutschland, Italien, Frankreich, die Schweiz und ließ sich endlich aus Vorliebe für ihre freien Verfassungen in Graubündten nieder, wo er die Leitung eines Erziehungsinstituts zu Reichenau übernahm und die tiefgesunkene Anstalt unter Mitwirkung des Altbürgermeisters Tscharner rasch wieder emporbrachte. Zunächst für sie schrieb er seine »Geschichte des Freistaates der drei Bünde in Rhätien« (Zür. 1798; 2. Aufl. 1817) und vorher schon war ihm von der Landesregierung freiwillig das Staatsbürgerrecht ertheilt worden. Die 1798 ausbrechende franz. Revolution störte jedoch Z.'s glückliche Verhältnisse und führte die Auflösung der Erziehungsanstalt nach sich. Z. selbst mußte mit Tscharner, der jedoch bald zurückkehrte, als Abgeordneter nach Aarau gehen, wo damals der politische Mittelpunkt der Schweiz und der Sitz der helvet. und franz. Behörden war. Die Besetzung Bündtens durch die Östreicher machte seiner Wirksamkeit aber bald ein Ende und nachdem er kurze Zeit der obern Leitung des Schulwesens vorgestanden hatte, wurde Z. 1799 vom Vollziehungsdirectorium als Regierungscommissair in den von Krieg und Parteikämpfen zerrütteten Canton Unterwalden geschickt und seine Vollmacht nachher auch über die Cantone Schwyz, Uri und Zug ausgedehnt. Z. erwarb sich hier durch seine versöhnende und durchaus wohlthätige Wirksamkeit die größten Verdienste um die vom Elend fast zum Auswandern genöthigte Bevölkerung, wurde 1800 von der Centralregierung in Bern zum Regierungscommissair ernannt, begleitete das franz. Heer unter Moncey über den Gotthard und stellte in der ital. Schweiz die Ordnung in Verwaltung und Regierung wieder her. Hierauf beschwichtigte er als Regierungsstatthalter von Basel das über Grundzinsen und Zehnten aufrührerische Landvolk, zog sich aber vom politischen Schauplatze zurück, als 1801 die dem abschafften Alten günstige Partei wieder die Oberhand bekam, wozu er auf keine Weise mitwirken wollte. Nur wissenschaftlich beschäftigt lebte er auf dem Schlosse Biberstein im Aargau, bis er 1804 zum Mitglied des Oberforst- und Bergamts dieses Cantons ernannt und zugleich mit dem Bürgerrecht desselben beschenkt wurde; seine Befähigung für diesen Wirkungskreis hat Z. in seinem »Gebirgsförster« (2 Bde., Aarau 1804) und den »Alpenwäldern« (Stuttg. 1804) dargethan. Sein seit 1804 herauskommender »Aufrichtiger und wohlerfahrener Schweizerbote« und die 1807–13 erschienenen »Miscellen für die neueste Weltkunde« fanden in weiten Kreisen Eingang; von 1811 an kam dazu noch die unterhaltende Monatsschrift »Erheiterungen«. Die bewegte Zeit der Jahre 1813–14 gab Z. vielfach Gelegenheit, in versöhnlichem Sinne seinen Einfluß geltend zu machen. Im J. 1815 wurde Z. Mitglied des großen Rathes von Aargau, 1820 auch des evangelischen Kirchenrathes und 1823 der Cantonsschuldirection. Er legte jedoch 1829 seine Stellen als Forstinspector und Kirchenrath nieder, in welche letztere er aber 1830 wieder gewählt worden ist, und hat seit 1808 seinen Wohnsitz in Aarau genommen. Von Z.'s in 16 Bänden gesammelten geschichtlichen Werken sind die »Geschichte des bair. Volkes und seiner Fürsten« (3. Aufl., 4 Bde., Aarau 1826) und »Des Schweizerlandes Geschichte für das Schweizervolk« (5. Aufl., Aarau 1834) die bedeutendsten. Ein vortreffliches Volksbuch ist sein »Goldmacherdorf«; von seinen Romanen haben »Addrich im Moos«, »Der Kreole«, »Alamontade« u.a. allgemeinen Beifall gefunden. Seine sämmtlichen Werke sind bis jetzt in 40 Bänden (Aarau 1825) gesammelt; eine Auswahl seiner Novellen und Dichtungen ist in 6 Bdn. (5. Aufl., Aarau 1841) herausgekommen. Z.'s großes Verdienst als Schriftsteller besteht hauptsächlich darin, daß er gemeinnützliche und aufklärende Kenntnisse in weiten Kreisen verbreitet und für das gemeine Leben nutzbar gemacht hat, wobei er für seine Darstellung fast immer den geeigneten Ton traf. Außerdem gebührt ihm auch der Ruhm musterhafter Erfüllung seiner Bürgerpflichten. Vgl. E. Münch, »Heinr. Z., geschildert nach seinen vorzüglichen Lebensmomenten und Schriften« (Haag 1831), sowie die lebensgeschichtlichen Umrisse vor der Sammlung seiner Werke.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 813-814.
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