Zschokke

[704] Zschokke, Johann Heinrich Daniel, geb. 22. März 1771 in Magdeburg, erhielt seine wissenschaftliche Vorbildung auf dem Gymnasium des Liebfrauenklosters u. dem Gymnasium der Altstadt daselbst, entfernte sich 1788 von dort u. trieb sich hierauf mit wandernden Schauspielern als Schauspieldichter umher; studirte hierauf in Frankfurt a./O. Philosophie, Theologie, Geschichte u. schöne Wissenschaften, wurde hier 1794–96 Privatdocent, machte dann eine Reise durch Deutschland, die Schweiz u. Frankreich u. übernahm in Graubündten die Direction des Seminariums von Marschlins u. Haldenstein in Reichenau. 1798, nach Aufhebung des Institutes, wurde er in Aarau Deputirter bei den helvetischen u. französischen Behörden, 1799 Chef für das Departement des Schulwesens u. Regierungscommissär des helvetischen Vollziehungsdirectoriums in Unterwalden, u. die ihm ertheilte Vollmacht für diesen Canton, wo er der herrschenden Partei kräftig zu begegnen wußte, wurde später auch über Uri, Schwyz u. Zug ausgedehnt. 1800 ernannte ihn die Centralregierung zu Bern zum Regierungscommissar in Wallis, wo er die Italienische Schweiz organisirte. Nachher wurde er Statthalter in Basel, legte aber diese Stelle bald wieder nieder u. lebte auf dem Schlosse Biberstein im Aargau. 1804 wurde er Mitglied des Oberforst- u. Bergamts u. erhielt zugleich das Staatsbürgerrecht im Aargau. 1808 siedelte er nach Aarau über, trat wieder als Mitglied in den Großen Rath ein u. trug 1813 u. 1814 durch seine Beredtsamkeit viel zur Erhaltung der Eintracht im Canton bei. Er bekleidete noch viele andere Ämter, gab diese aber bis 1830 auf u. behielt nur noch Sitz im Großen Rath; auch diese Stelle legte er 1841 nieder u. lebte seitdem als Privatmann auf seinem Landhause (Blumenhalde) bei Aarau, wo er 27. Juni 1848 starb. Über den nach ihm genannten Zschokkeverein s.u. Volksschriften S. 662. Er schr. die dramatischen Werke: Graf Monaldeschi, Berl. 1790, u. Aufl. 1809; Abällino der große Bandit, Frankfurt a. d. O. 1793, u. Aufl., Aarau 1828; Julius von Sassen, Zür. 1796; Die Zauberin Sidonia, Berl. 1798; Das Mißverständniß, Augsb. 1798; Der Marschall von Sachsen, Bair. 1804; Die Eiserne Larve, ebd. 1804; Tartüffe in Deutschland, Zür. 1805; Hippolith u. Roswitha, ebd. 1805. Romane, Erzählungen u. Reisebeschreibungen: Arkadien od. Gemälde nach der Natur auf einer Reise von Berlin nach Rom, Bair. 1796; unter den Namen Johann von Magdeburg Schwärmerei u. Traum, Stett. 1791–94, 2 Bde.; Alamontade der Galeerensklave, Zür. 1811, 2 Bde., 6. Aufl. 1836; Stephan Bathory, König von Polen, Bair. 1796; als M. I. R. Die schwarzen Brüder, Frankfurt 1800, 2 Bde.; Kuno von Kyburg nahm die Silberlocke des Enthaupteten u. wurde Zerstörer des heiligen Vehmgerichts, Berl. 1795–99, 2 Bde.; Vignetten, Bas. 1801; Schattirungen, ebd. 1803; Giuglio della Obizzo od. Abällino unter den Calabresen, ebd. 1803, 2 Bde.; Der Feuergeist, Aarau 1813; Die Prinzessin von Wolfenbüttel, ebd. 1810; ferner: Der Flüchtling im Jura, ebd. 1824; Der Freihof in Aarau, ebd. 1825, 2 Bde.; Addrich im Moos, ebd. 1825 (letztere drei auch unter dem Titel: Bilder aus der Schweiz, 5 Bde.); Der[704] Creole, ebd. 1830; Jonathan Frock, Clementine, Oswald od. Das Goldmacherdorf, Meister Jordan, Spruch u. Schwank, Die Branntweinpest; Die Schweiz geschildert in ihren klassischen Stellen, Karlsruhe 1842, 2. A. Stuttg. 1857. Geschichtliches: Geschichte des Freistaates der drei Bünde in Rhätien, Zür. 1798, u. Aufl., ebd. 1817; Der Krieg Napoleons gegen den Aufstand der spanischen u. portugiesischen Völker, Aarau 1813; Geschichte vom Kampf u. Untergang der Schweizer Berg- u. Waldcantone, bes. des Cantons Schwyz, ebd. 1801; Historische Denkwürdigkeiten des helvetischen Staates, Winterth. 1803–5, 3 Bde.; Geschichte des baierischen Volks u. seiner Fürsten, Aarau 1813–18, 4 Bde., 3. Ausg., 8 Bde.; Des Schweizerlandes Geschichte, ebd. 1822, 4. Aufl. 1831; gesammelt sind seine historischen Schriften, Aarau 1830, 16 Bde. Für Forstwissenschaften: Die Alpenwälder, Stuttg. 1804; Der Gebirgsförster, Aar. 1804, 2 Bde. Er gab auch mehre Zeitschriften heraus: Literarisches Pantheon, Frankf. 1794; Miscellen für die neuste Weltkunde, Aarau 1807–13; Erheiterungen (eine Monatsschrift), ebd. 1811–27; Überlieferungen zur Geschichte unserer Zeit, ebd. 1817–23; Prometheus, ebd. 1832, 2 Bde.; Der aufrichtige u. wohlerfahrene Schweizerbote, ebd. 1804–32; u. ist Verfasser der Stunden der Andacht (s.d.). Gesammelte Schriften, Aarau 1826 f., 40 Bde., 2. A. 1851 ff.; Ausgewählte belletristische Schriften, ebd. 1826, 14 Bde.; Ausgewählte Dichtungen, ebd. 1830, 10 Thle.; Vollständige Sammlung in einem Bde., ebd. 1830; Ausgewählte historische Schriften, ebd. 1837, 16 Thle.; Ausgewählte Novellen u. Dichtungen, ebd. 1836, 8 Thle., 10. Aufl., ebd. 1856 f., 10 Bde.; Ährenlese, ebd. 1844–47, 4 Thle.; Gesammelte Volksschriften (Goldmacherdorf, Meister Jordan, Spruch u. Schwank, Branntweinpest), ebd. 1846. Vgl. Z-s Selbstbiographie (Selbstschau), ebd. 1842, 2 Bde., 5. A. ebd. 1853; E. Münch, Heinrich Z. geschildert nach seinen vorzüglichen Lebensmomenten u. seinen Schriften, Haag 1831.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 704-705.
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