[160] Persien, einst das mächtigste und blühendste Reich Asiens, vom Indus bis zum Pontus Euxinus reichend, gleicht heute an Größe und Bevölkerung kaum einer seiner frühern Provinzen. Verarmt und entvölkert durch endlose Kriege im Innern und nach Außen, verdankt es seine jetzige Wichtigkeit nur noch seiner Lage, zwischen dem kaspischen Meere und dem persischen Golf, vermöge deren es das natürliche Handels-Entrepot zwischen dem Orient und Occident geworden ist. Die Mitte des Landes bildet eine Hochebene, während die westlichen und nördl. Provinzen, wo sich der Ararat erhebt, von Gebirgen durchzogen sind, deren Ansehen fast überall kahl, verbrannt und abschreckend ist. Die Ebenen bieten keinen erfreulichern Anblick, denn sie bestehen meist aus Kies und sind nur da mit Grün überzogen, wo künstliche oder natürliche Bewässerung fließt, was um so seltener ist, da ganz P. keinen Haupt- und selbst keinen bedeutenden Nebenfluß besitzt. Die Farbe des ganzen Landes ist braun und grau, und nur die Monate April und Mai schmücken einzelne Gegenden mit erquickendem Grün. Außer dem Wasser fehlt P. auch das Holz, und ein Reisender sagt: Hier gibt es keine schattigen, majestätischen Wälder, keine lachenden, [160] grünen Ebenen oder grasreichen Gebirge, keine durch Wiesen sich hinschlängelnden Gewässer, keine Parks oder Gehege etc. Nur in den Gärten, mit Mühe gepflegt, gedeiht die edle, orientalische Platane, die schlanke Pappel und die Cypresse, und so erklärt es sich, daß auf einem Flächenraume von 22,500 Quadrat M. nur 7 Millionen Menschen wohnen. Die vornehmsten Flüsse sind der Gerdsch, Karnu, Araxes, die größten Seen der Urmia und Baktegan, beide salzig. Das Klima ist an den Meeresküsten unerträglich heiß, in den gebirgigen Gegenden temperirt. Die Sommer sind so trocken, daß alles Wasser versiegt. Kein Thau erquickt dann die lechzenden Pflanzen, kein Nebel umzieht am Morgen die Gipfel der Berge oder lagert sich an den Abhängen der Thäler, und die Reinheit und Stille der Atmosphäre ist so groß, daß man des Nachts bei Sternlicht lesen kann. Es regnet nur im Winter, während dessen es in den höhern Gegenden sehr kalt ist. Dennoch ist das Klima so gesund, daß Menschen und Thiere in P. ungewöhnlich wohlgebildet und kräftig sind. Von Letzteren findet man alle unsere Hausthiere, namentlich das edle Pferd, in den Wäldern und Wüsten den Esel, Hirsche, Antilopen, Löwen, Panther, Leoparden, Luchse, Hyänen, Schakals, Bären, fast alle Arten von Vögeln, und die Nachtigall soll hier das ganze Jahr singen. Unter den Insekten findet sich die nützliche Biene und Seidenraupe, dagegen aber auch Taranteln und Scorpione, deren Biß nach einigen Stunden tödtet. Wie schon gesagt, ist P. im Allgemeinen unfruchtbar und deßhalb die Pflanzenwelt arm, Wälder gibt es fast nur in Kurdistan, und dennoch ist P. das Vaterland von fast allen unseren Getreidearten und Obstsorten, erbaut vortrefflichen Wein, zieht die schönsten Blumen, feiert der Rose zu Ehren jährlich ein besonderes Fest und erzeugt eine Menge vortrefflicher Pflanzen zu Arzneimitteln. Die Berge liefern Schwefel und allerlei Metalle, doch wenig edle. Merkwürdig ist der ungeheure Reichthum an Salz. Ganze Flächen sind damit überzogen, fast jeder Bach und Quell besitzt davon. Unter[161] den vielen Edelsteinen, welche in P. gefunden werden, erwähnen wir vorzugsweise den Türkis, welchen nur dieses Land beherbergt. Die Ew. theilen sich in Ansässige und Nomaden, und bestehen aus Kurden, Arabern, Tadschiks, Ghilanern, Armeniern, Juden und Sabäern. In ihrer Kleidung spricht sich die Vorliebe für das Dunkelfarbige aus, und selbst die Haare werden geschwärzt. Sehr weite Pantalons, eine kurze Jacke, eine Art Weste oder Rock, der bis auf die Knöchel herabgeht und eine hohe Pelzmütze, sind die Hauptbestandtheile derselben. Die Frauen tragen noch weitere Beinkleider, inwendig dick gefüttert und ausgestopft, um den Leib ein seidenes oder baumwollenes Hemd, vorn offen, so wie das Kleid, welches nur bis auf die Knie herabreicht und durch einen oft sehr kostbaren Gürtel unter der Brust zusammengehalten wird. Beim Ausgehen bedeckt die ganze Gestalt ein großer Schleier. Die Haare fallen entweder über den Nacken und Rücken in Zöpfen, oder die Vorderhaare werden kurz abgeschnitten und in's Gesicht gekämmt, die Seitenhaare aber in Locken gerollt. Die Mahlzeiten zeichnen sich durch das herrlichste Backwerk aus, und man speist täglich zweimal, früh 11 Uhr und Abends gegen Sonnenuntergang, wobei der Pillau eine große Rolle spielt, während man bei der Zubereitung der Speisen, Salz, Pfeffer, Essig und Oel gar nicht kennt. Kasse trinkt der Perser weniger als der Türke, dagegen aber viel Thee und Scherbet, bedient sich der Tabakspfeife und genießt Opium. Im geselligen Leben beginnen hier die Förmlichkeiten, welche in China das Studium eines ganzen Lebens ausmachen. Die Gesellschaften würden angenehm und unterhaltend sein, denn der Perser ist heitern Temperaments, wenn nicht die Frauen davon ausgeschlossen wären. Die herrschende Religion, der Islam, erlaubt die Vielweiberei. Man kauft zu diesem Endzwecke wo möglich Georgierinnen oder Cirkassierinnen. Viele Nebenweiber und Sclavinnen gehören zum Luxus, aber der Arme begnügt sich mit einer Frau. Vor der Heirath bekommen sich die jungen Leute nicht zu[162] sehen. Alte Weiber machen die Unterhändlerinnen, der Contract wird schriftlich vor dem Kadi abgeschlossen und am Hochzeitsmorgen schickt der Bräutigam einen Trupp Esel mit Geschenken, bei welchen köstlich zubereitete Speisen nicht fehlen, in das Haus der Braut. Man schmaust nun den ganzen Tag, aber erst gegen Abend erscheint die Braut, in einen langen Schleier von scharlach- oder karmoisinrother Seide gehüllt, wird nun auf ein geschmücktes Pferd gesetzt und alle Gäste begeben sich in das Haus des Bräutigams, wo die Abendmahlzeit beginnt. Erst nach derselben machen die Verlobten im Brautgemache persönliche Bekanntschaft, während dessen der Iman an der Thür desselben das Gebet spricht, woraus die ganze Trauungsceremonie besteht. Die Festlichkeiten dauern oft 3 Tage. Sind mehrere Frauen im Hause, so hat die zuerst geheirathete den Vorrang und leitet das Hauswesen. Nebenweiber kann der Mann zu jeder Zeit fortschicken, dagegen machen Scheidungen von rechtlichen Frauen einige Schwierigkeiten. Eine Witwe kann erst 4 Monate und 10 Tage nach dem Tode ihres Mannes wieder heirathen. Die körperlichen Reize der Perserinnen entwickeln sich bereits im 8. oder 10. Jahre. Nach dem 20. Jahre wird die noch vor kurzem üppige und muntere Schönheit, die voll angenehmen Lächelns und einladender Blicke war, dünn, zusammengeschrumpft, triefäugig. Wahre Liebe ist dort nicht einheimisch, obschon die Dichter des Landes dieselbe in Gedichten und Erzählungen preisen, und dem Verwelken dieser einst liebenswürdigen und geliebten Gegenstände folgt keine zärtliche Erinnerung, man betrachtet sie eben so gleichgültig, wie eine zur Erde gefallene Rose, die noch vor kurzem frisch am Stocke blühte. Die Vergnügungen und Belustigungen der Perser, sowohl an öffentlichen Orten als zu Hause, bestehen in Schachspiel, Musik, Tanz und Mährchenerzählen, doch beschäftiget sich mit diesen Künsten nur eine gewisse Klasse, die dafür bezahlt wird. Die Vornehmen lieben die Jagd, die Frauen lieben das gemeinschaftliche Baden in den prächtigen [163] Bädern, die jeder Palast besitzt. Die Charakterzüge dieses Volkes im Allgemeinen sind Zuvorkommenheit, Eigennutz, Arglist und Betrug, was zum Theil wohl der despotischen Regierung zuzuschreiben ist, unter deren Willkür das Land schmachtet, inzwischen gelten die Perser für das gebildetste Volk im Oriente; der gemeine Mann ist bigott und hält den Christen für unrein, freisinniger sind die höhern Stände. Einen großen Nahrungszweig der nomadisirenden Völkerschaften macht die Viehzucht. Große Schafheerden, Kameele, Ochsen und Kühe machen deren Reichthum aus. Manche Provinzen beschäftigen sich vorzugsweise mit der Seidenraupenzucht, die Weberei von Seiden- und Baumwollenstoffen, das Färben und Gerben und die Bereitung von Wohlgerüchen ist in mancher Beziehung weiter gediehen als in Europa. Die wichtigsten Handelsplätze im Innern sind Tabris, Hamadan, Ispahan, Schiras und Nischapur. Zu allen Zeiten standen die Wissenschaften in P. in großem Ansehen. Wer hätte nicht von den Dichtern Ferdusi, Hafis (s. d.) und Sadi gehört? Nicht minder zeichneten sich Männer in der Geschichte, Geographie, Mathematik und Astronomie aus. Fast alle größern Städte besitzen öffentliche Lehranstalten; das ganze Reich ist in 11 Provinzen eingetheilt und die jetzige Hauptstadt desselben Teheran. Die Geschichte Persiens tritt erst mit Cyrus (s. d.) 560 v. Chr. aus dem Dunkel unbestimmter Sagen hervor. Innere Unruhen und die blutigen Kriege gegen Griechenland erschöpften die Kräfte dieses damals so mächtigen Reichs so, daß es bereits 330 v. Chr. unter Darius III. Codomanus den siegreichen Waffen Alexander's des Großen unterlag und zur macedonischen Provinz herabsank. Nach dessen Tode beherrschte es dessen Statthalter, Seleucus; allein bereits 238 v. Chr. unterwarfen sich die Parther alles Land jenseit des Tigris, und blieben in dessen Besitz bis 226 nach Chr., wo die Perser das fremde Joch abwarfen, Artaxerxes I. an ihre Spitze trat und die Dynastie der Sassaniden begründete. Aber auch diese vermochte den Thron nur[164] bis 636 zu behaupten. Die Araber überschwemmten das Land, und Mongolen, Araber und Türken stritten sich wechselseitig um den Besitz desselben. Erst 1505 gelangte mit Ismael Sofi wieder ein persisches Geschlecht zur Regierung, das sich mit dem Titel Shah bis 1736 behauptete. Noch einmal schien sich der alte Glanz des Reichs unter der Regierung Nadir Shah's erneuern zu wollen. Dieser führte mehrere glückliche Kriege, und unterwarf selbst den Großmogul von Delhi. Allein nach dessen Ermordung, 1747, begannen neue Verwirrungen, die erst mit der Thronbesteigung des Turkomannen Feth Ali Shah 1796 endeten. Seit 1834 regiert dessen Enkel Muhammed Mirza, behauptet aber nur mühsam und von England und Rußland unterstützt, den schwankenden Thron gegen die Ansprüche mehrerer Anverwandten, und Persien, einst das mächtigste Reich des Orients, dürfte über kurz oder lang eine leichte Beute seiner mächtigen Nachbarn werden.
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